Technologie nicht um jeden Preis
Hauptverwaltung der Solon SE, Berlin

In Sachen Energieeffizienz und Arbeitsplatzqualität setzt die Firmenzentrale des Solarunternehmens SOLON in Berlin neue Maßstäbe. 

Die Neuansiedlung vieler Forschungseinrichtungen der Umwelt-, Energie-, Material- und Medientechnologie auf einem 420 ha großen Gebiet seit den Neunziger Jahren, wo sich ehemals der erste deutsche Johannisthal/Adlershof befand, führte dazu, dass das erste deutsche börsennotierte Solarunternehmen nun dort seinen neuen Firmensitz errichtete. Um jährlich 100 Prozent und mehr war SOLON, der Hersteller von Solarmodulen und solaren Kraftwerken, seit seiner Gründung gewachsen. Gewohnt über Jahre hinweg in den beengten Verhältnissen einer ehemaligen Krankenhauswäscherei arbeiten zu müssen, wollte man nun mit dem Neubau demonstrativ etwas Neues wagen: Eine variable und erweiterbare Architektur, die Synergien und Effizienz möglich macht und verkörpern kann. In einem Gebäude der kurzen Wege und schwellenlosen Übergängen sollten so die Arbeitsplätze problemlos neu organisierbar sein – mit einer hohen Aufenthaltsqualität und ohne Hierarchie. Darüber hinaus sollte das Gebäude auch energetisch vorbildlich sein; nicht zuletzt, um als Grün­dungsmitglied des „Berliner Klimabündnisses“, dessen Zielmarge einer 40-prozentigen Reduzierung der CO 2-Emissionen von 1990 bis 2020 noch zu übertreffen.

Keinen Stararchitekt wählte dazu das Unternehmen, das hingegen ganz auf sein über Jahre hinweg gewachsenes Know-how und Netzwerke setzte, wer für die Lösungsfindung innerhalb eines integralen Projektteams am Besten geeignet sei. Um den renommierten Ingenieur Prof. Dr. Norbert Fisch, dem Direktor des Braunschweiger Instituts für Gebäude- und Solartechnik, und den fast unbekannten Berliner Architekten Heinrich Schulte-Frohlinde baute man so ein Projektteam avancierter Fachleute auf, mit denen man gemeinsam eine Unternehmenszentrale für 950 Mitarbeiter entwickelte.

 

Offenes Raumkonzept

Der Architekt Heinrich Schulte-Frohlinde, der schon zuvor am alten Standort des Unternehmens an Erweiterungen gearbeitet hatte, entwarf für SOLON einen variablen, zweigeteilten Maßanzug mit einem 8 300 m2 großen Verwaltungsgebäude und einem knapp 19 000 m² gro­ßen Produktions- und Forschungsgebäude. Dass sie nicht als zwei Gebäude, sondern als eine Einheit erfahren werden, ist einem Kunstgriff des Architekten zu verdanken, der mit mehreren zweigeschossigen Brücken beide Gebäude über eine Privatstrasse hinweg verknüpfte. Denn beide Gebäude sind nun unter der Silhouette eines aufschwingenden Daches vereint: Äußerst dynamisch verjüngen sie sich in einer weit ausschwin­genden Kurve zur Südostspitze des nahezu dreieckigen Grundstücks, wo wiederum die Anlage mit einem weit auskragenden und mit Solarzellen bestückten Vordach von nur drei Metern Höhe über das terrassierte Gründach auf über 15,50 m Höhe ansteigt. Mächtig ist die Geste am Südende der Wissenschaftsparks Adlershof hin zur stark befahrenen Köpenicker Strasse, die zugleich die Bedeutung der Gebäude mit einem auskragenden solaren Dachkranz sinnfällig erfahrbar macht: Hier wird im Einklang mit der Natur mit solarer Energie gearbeitet. Hier befindet sich die Verwaltung von SOLON, die um fünf Höfe, ein Atrium und acht Erschließungskerne nach dem Prinzip veredelter Rohbau im freien Raumfluss organisiert ist – darunter ein erstmals wieder gebauter Paternoster! Hier finden sich nicht die gewohnte Bürozellenstruktur, sondern über unterschiedliche große Ebenen variabel einteilbare Arbeits- und Erholungszonen.

 

Einsparpotentiale

Zentrale Versorgungsinseln im Farbspektrum des Corporate Design von Solon fungieren als Raumteiler. Sie enthalten im Innern die Sanitärzellen und bieten entlang ihrer Außenseiten nicht nur Raum für Drucker, Garderoben, Teeküchen oder Sofa-Nischen, sondern auch für die Ladestationen der eigens von Younicos und Samas entwickelten mobilen E-Shuttles, die 10 Stunden Strom an jedem beliebigen Ort ermöglichen. Ein Wireless LAN-System machte zudem eine aufwändige IT-Verkabelung und Kabelkanäle überflüssig. Dank eines Raumkonzepts ohne Wände und der Höfe, die viel Tageslicht einfallen lassen, konnte man sich mit einer neu entwickelten LED-Leuchte mit 9 Watt Energieaufnahme bei 250 Lux Leistung bescheiden.

Ein effizientes Beleuchtungsmanagement durch Tageslichtsensoren und Präsenzmelder sowie eine DALI gesteuerte, dimmbare Beleuchtung trägt sein Übriges bei, dass hier viel Energie gespart wird. Taghell, freundlich gestaltet und möbliert sind alle Arbeitsbereiche wie auch im angeschlossenen Produktionsgebäude, wo man den hochqualifizierten Arbeitnehmern ein Optimum an Kontaktmöglichkeiten verschaffte. Schließlich wird hier in einem 24-Stundenbetrieb weltweit agiert, weshalb ein Casino, Lounges und andere abwechslungsreiche Erholungsbereiche in den unterschiedlich gestalteten Höfen umso wichtiger waren.

 

Effiziente Konstruktion

Die Zielvorstellung des Energiedesigns von Professor Norbert Fisch war ein „Gebäude als ein Kraftwerk“ zu verwirklichen. Wozu konsequent auf aufgeständerte Böden, Estrich oder abgehängte Decken ver­zichtet wurde, um mittels Bauteilaktivierung den Energieaufwand zu minimieren. Unverkleidet sind die bis zu 34 cm starken Betondecken, die mit der Abwärme aus der Produktion und in den Wintermonaten zusätzlich über Fernwärme versorgt werden. Wozu fünf dezentrale Lüftungsanlagen – eine je Brandabschnitt – im Verwaltungsgebäude installiert wurden, was die Lüftungsquerschnitte klein hielt. Durch ein nahes, noch im Bau befindliches Biogas-Blockheizkraftwerk wird später SOLON soviel Energie produzieren wie es verbraucht, was rechnerisch das Gebäude CO2 neutral macht. In Verbindung mit einer Wärmerückgewinnung und einer modularen Fassadenkonstruktion soll das Gebäude nur einen Heizwärmebedarf von < 40 kWh/m²a und einen Primärenergiebedarf von < 100 kWh/m²a benötigen.

Dazu besteht die vorgefertigte Hybridfassade aus vorgefertigten Tannenholzrahmen. In diese Fassade wurde eine stehende Dreischeibenverglasung mit Sonnenschutzbeschichtung mit einem Uw= 0,9 W/m²K, ein außenliegender Sonnensschutz aus Lamellen mit Lichtlenkungsfunktion sowie manuell zu öffnenden Fensterflügel mit integriertem Vakuumpaneel von 3 cm Stärke installiert. Ein Schallschutzvlies und ein Lochblech an der Innenseite und horizontale Holzlamellen als Wetterschutz sind weitere Bestandteile der Hybridfassade, die unter den Fenstern noch kleine Heizvektoren als schnell reagierendeZusatzheizung erhielt. Über einen Medienkanal an der Geschossaußenkante angeschlossen, sind dazu in einigen Fensterelementen Controller-Units installiert, welche die Fassadensteuerung koordinieren und über Touch­paneels oder die Desktops von den Mitarbeitern gesteuert werden.

 

Technologie nicht um jeden Preis

Hochinstalliert, aber seriell gefertigt sind die Fassadenelemente kleine, höchst effiziente Wunderwerke der Technik, die weitgehend aus dem regenerativen Rohstoff Holz bestehen und späterhin problemlos recycelt werden könnten. Dazu passt auch der kluge Wasserhaushalt des Projektes, das zur Grauwassernutzung bis zu 75 000 Liter Regenwasser in einer Zisterne sammelt und das überschüssige Regenwasser über ein Rigolensystem mit weiten Grünflächen versickern lässt. Nur seine relativ geringe Ausstattung mit Photovoltaikzellen verblüfft: Etwa 15 % des Stromverbrauchs werden durch den Photovoltaikkranz mit 210 kWp solar gewonnen, während die große Dachfläche des Produktionsgebäudes nur als Versuchsfläche neuer Solarpaneel-Entwicklungen genutzt wird.

Mehr wäre hier möglich gewesen. Doch die Beschränkung ist Ausdruck eines durchaus provokanten Bekenntnisses des Unternehmens, das längst schon auf größere Lösungen in Form dezentraler Solarkraftwerke setzt. Dazu passt es, das nun vor die markante Spitze der Solarfabrik eine Ladestation für firmeneigene Vectrix-Solarroller gesetzt wurde, die den Übergang zur solaren Mo­bilität einleiten will. Ihr Headquarter jedoch wollten die Verantwortlichen von SOLON nicht bis zum maximal Möglichen als Demonstrationsobjekt ausführen lassen. Energieeffizienz war für sie nur ein Kriterium. Sensuelles Wohlbefinden sowie eine Balance von Hochtechnologie und humaner Arbeitwelt waren gewichtigere Kriterien. Ihre geglückte Verbindung und Synergien können nun in dem faszinierenden Gebäude erfahren werden, das zweifellos mehr ist als die Summe seiner Teile. Es ist vielmehr ein Baustein zu einer herausfordernd innovativen Arbeitswelt, die möglich ist, wenn man mehr als nur das Gewohnte wagt. Claus Käpplinger, Berlin

 

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