Ablaufspuren auf einer FassadeZustandsanalyse mittels REM/EDX
Zusammenfassung
Auf einer Metallfassade waren nach Sanierungsarbeiten Ablaufspuren aufgetreten. Im Rahmen einer Begutachtung wurde die Ursache der Ablaufspuren untersucht. Dabei galt es insbesondere, die Ursächlichkeit der Beschichtung von Betonfertigteilen einerseits und alternative Ursachen andererseits abzugrenzen.
Zur Klärung wurden verschiedene Proben entnommen und im Rasterelektronenmikroskop mit angeschlossener energiedispersiver Röntgenanalyse (REM/EDX) auf die Elementzusammensetzung überprüft. Anhand der Analyse wurde die Beschichtung der Betonfertigteile als unmittelbarer Auslöser der Ablaufspuren ausgeschlossen. Ursächlich waren vielmehr Verunreinigungen und Rückstände in den Fensterfalzen des Gebäudes.
Sachverhalt
Im Rahmen von Sanierungsarbeiten bei einem Bürogebäude wurde die komplette Fassade überarbeitet. Es fanden dort Lackierarbeiten und Betoninstandsetzungsarbeiten statt. Nach Abschluss der Arbeiten wurden auf der lackierten Fassadenoberfläche Ablaufspuren festgestellt.
Ein zunächst hinzugezogener Sachverständiger bewertete nach einer rein visuellen Begutachtung die bei den Betonbauteilen verwendete Silikatfarbe als ursächlich für die Ablaufspuren. Dieser Einschätzung wollten nicht alle Beteiligten folgen, weshalb eine weitergehende Begutachtung vorgenommen wurde.
Feststellungen
Das Bürogebäude wies eine Metallfassade auf. Diese war im Zuge der Sanierungsarbeiten außenseitig komplett neu lackiert worden. Die Innenseiten der Fensterrahmen sowie die Fensterfalze wurden nicht überarbeitet. In der Ebene der Geschossdecken befanden sich vor der Fassade Verschattungselemente aus Stahlbetonfertigteilen. Bei diesen Fertigteilen wurden Betoninstandsetzungsarbeiten durchgeführt. Anschließend wurden die Fertigteile komplett neu mit einer Silikatfarbe beschichtet und teils versiegelt.
Kurz nach Abschluss der Arbeiten hatten sich die Schadensbilder in Form von Ablaufspuren auf der lackierten Oberfläche der Metallfassade gebildet. Die Ablaufspuren befanden sich im Regelfall im Brüstungsbereich unterhalb der Fensterbänder (Bilder 1 und 2). Sie ließen sich weder abwaschen, noch auspolieren.
Bei einer detaillierten Erfassung der Schadensbilder wurde festgestellt, dass die Ablaufspuren ihren Ursprung vielfach bei den Entwässerungsöffnungen der Fensterrahmen nahmen. Daher wurden auch die Fensterfalze in die Untersuchung mit einbezogen. Es ergab sich, dass die Fensterfalze vergleichsweise stark verunreinigt waren (Bild 3). Darüber hinaus fanden sich dort Rückstände, die nach der Abtrocknung von Wasser im Fensterfalz verblieben waren.
Zur Überprüfung eines möglichen kausalen Zusammenhangs zwischen den Ablaufspuren auf der Fassade und den Verunreinigungen bzw. Rückständen in den Fensterfalzen einerseits sowie der Silikatfarbe der Betonfertigteile andererseits wurden verschiedene Proben entnommen:
Proben der Lackierung im visuell ungeschädigten Bereich,
Proben der Lackierung in Bereichen mit Ablaufspuren (Bild 4),
Proben der Verunreinigungen und Rückstände aus den Fensterfalzen,
Proben der bei den Betonfertigteilen aufgebrachten Beschichtung.
Die entnommenen Proben wurden dann zur weiteren Analyse in ein Labor gegeben.
Bewertung
In dem Labor wurden die Proben in einem Rasterelektronenmikroskop mit angeschlossener energiedispersiver Röntgenanalyse (REM/EDX) auf die Elementzusammensetzung ab dem Element Kohlenstoff untersucht. Bei der Analytik werden die Proben zunächst leitfähig präpariert. Im Rasterelektronenmikroskop wird die jeweilige Probe dann mit einem Elektronenstrahl abgetastet (gerastert). Der Elektronenstrahl führt zu einer Wechselwirkung mit den Elektronen der in der Probe enthaltenen Atome, wodurch Energie in Form einer charakteristischen Röntgenstrahlung freigesetzt wird. Die Röntgenstrahlung kann mit einem energiedispersiven Detektor erfasst und ausgewertet werden.
Im EDX-Spektrum wird die Signalintensität in Abhängigkeit von der Energie der Röntgenstrahlung dargestellt. Aus einem unspezifischen „Grundrauschen“ treten dabei einzelne elementspezifische Spitzenwerte heraus. Die Analytik ermöglicht so eine Bewertung, welche chemischen Elemente (hier ab dem Element Kohlenstoff) in der Probe enthalten sind:
In den Proben der Lackierung aus visuell ungeschädigten Bereichen (Nullprobe) finden sich die chemischen Elemente Kohlenstoff (C), Sauerstoff (O), Magnesium (Mg), Aluminium (Al), Silizium (Si) und in geringer Menge Kalzium (Ca). Das Spektrum dieser Probe ist in Bild 5 wiedergegeben.
In den Proben der Lackierung aus den Bereichen mit Ablaufspuren finden sich die gleichen chemischen Elemente wieder. Darüber hinaus sind dort jedoch noch die Elemente Fluor (F) sowie in geringer Menge Natrium (Na), Schwefel (S) und Chlor (Cl) enthalten (Bild 6). Der Kalzium-Anteil (Ca) ist hier größer als bei der Nullprobe.
In den Proben der Verunreinigungen und Rückstände aus den Fensterfalzen finden sich diese zusätzlichen chemischen Elemente – insbesondere Fluor (F) und auch Chlor (Cl) – in signifikanter Menge wieder (Bild 7). Daher ist es möglich, dass die gegenüber der Nullprobe in den geschädigten Bereichen der Lackierung vorhandenen chemischen Fremdelemente von den Verunreinigungen und Rückständen aus den Fensterfalzen herrühren.
In den Proben der bei den Betonfertigteilen aufgebrachten Beschichtung sind die Elemente Natrium (Na), Kalzium (Ca) und Schwefel (S) ebenfalls enthalten. Es fehlen dort jedoch Fluor (F) und Chlor (Cl); das entsprechende Spektrum ist in Bild 8 wiedergegeben. Insofern kommt die Beschichtung der Betonfertigteile als Auslöser der Ablaufspuren eher nicht in Frage.
Die Analytik hat somit zum Ergebnis, dass nicht die bei den Betonfertigteilen aufgebrachte Beschichtung, sondern vielmehr die Verunreinigungen und Rückstände in den Fensterfalzen als ursächlich für die Ablaufspuren zu bewerten sind. Das ist auch plausibel, weil diese ihren Ursprung vielfach bei den Entwässerungsöffnungen der Fensterrahmen hatten. Offen bleibt letztlich die Herkunft der Fluor- und Chlorverbindungen – gegebenenfalls haben sie sich aus Reinigungsmitteln im Bereich der Fensterfalze angesammelt.
Als Konsequenz der vorgenommenen Bewertung wurden bei dem Gebäude sämtliche Fensterfalze gründlich gereinigt. Nach der Reinigung wurden keine neuen Ablaufspuren an der Metallfassade mehr festgestellt.
Dieses Schadensbeispiel zeigt einerseits auf, dass die zunächst naheliegende Schadensbeurteilung nicht immer zutreffend ist. Andererseits demonstriert es die Möglichkeiten, die sich durch moderne Analysemethoden wie z. B. eine REM/EDX-Analyse bieten. Die Kosten für eine REM/EDX-Analyse sind nicht so hoch, wie es der technischen Beschreibung nach vielleicht den Anschein erweckt. Insofern sollte man sich auch nicht scheuen derartige Analysemittel einzusetzen, wo es zweckmäßig ist.
Instandsetzung
Eine Beseitigung der bestehenden Ablaufspuren war weder durch Abwaschen, noch durch Auspolieren möglich. Daher wurden die Oberflächen der betroffenen Bauteile angeraut und anschließend nochmals lackiert. Bei der Nachlackierung von Fensterrahmen haben sich Airbrush-Geräte bewährt, die einen sehr feinen, schmalen Sprühstrahl aufweisen [1]. Der Aufwand für vorbereitende Arbeiten wie das Abdecken reduziert sich hierdurch.
Schon gewusst?
Die nach einer rein visuellen Begutachtung vorgenommene Bewertung des zunächst tätigen Sachverständigen ist durchaus prinzipiell begründet – auch wenn sie in diesem Einzelfall nicht zutraf. Silikatfarben weisen im Regelfall eine hohe Alkalität auf. Durch Kontakt der alkalischen Farbe mit einer lackierten Oberfläche können Mattierungen bzw. vergleichbare Ablaufspuren wie in dem hier geschilderten Fall auftreten. Die Lackierung wird dabei geschädigt, so dass ein Abwaschen oder Auspolieren der Ablaufspuren dann auch nicht mehr möglich ist. In [1] wird ein entsprechender Schadensfall beschrieben.
Quintessenz
Eine Analyse im Rasterelektronenmikroskop mit angeschlossener energiedispersiver Röntgenanalyse (REM/EDX) ermöglicht eine Bewertung, welche chemischen Elemente in der Probe enthalten sind. Hierdurch können mit vertretbarem Aufwand Fragestellungen beantwortet werden, die aufgrund einer rein visuellen Untersuchung nicht sicher bewertet werden können.