Umlauftank in Berlin wird saniert
www.tu-berlin.de, www.wuestenrot-stiftung.de

Wenn man mit dem Zug nach Berlin fährt, hier über Potsdam kommend den Bahnhof Zoo Richtung Hauptbahnhof durchfährt, kommt wenige hundert Meter später linkerhand eine merkwürdige Skulptur in den Blick: Eine blass rosa farbene, mächtig dicke und hochaufragende Röhre, die zu einem nach unten gestauchten Oval verbunden ist. Der Druck nach unten wird dabei von einer auf dünnen Stützen stehenden Kiste ausgeübt, deren schäbig hell blau farbene Metallverkleidung mit Rostflecken nach einem Anstrich schreit.

Der Bau, eine Skulptur, deren heikle Maßstäblichkeit an einen frühen Claes Oldenburg denken lässt, deren organisch anmutende Oberfläche der Röhre im Kontrast zur kantigen Box an Arbeiten des niederländischen Atelier Van Lieshout erinnert, dieser Bau erscheint wie der Rest auf einem Teller, der demnächst in die Abfalltonne herunter gekratzt wird. Und wäre er vergessen?

Vergessen wäre sein Architekt Ludwig Leo (1924-2012) nicht, schon deshalb, weil er den meisten gar nicht bekannt ist. Leo, der in Berlin neben seinem ikonologisch bekanntesten Bau, dem Umlauftank 2 auf der Schleusen­insel am Tiergarten unter anderem noch die ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Sporthalle Charlottenburg (1962-64), Sömmeringstraße 29, und die DLRG-Bundeslehr- und Forschungsanstalt (1969-71), Am Pichelssee 20-21 realisierte, hat mit der „Rosa Röhre“ genannten Anlage eine Anti-Architektur geschaffen, die die jüngste Ergänzung der einstmals kaiserlichen Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffsbau darstellt.

Was ist aber diese Skulptur genau? Ihr ­Architekt, der sie zusammen mit dem Inge­nieurbüro Christian Boës in den Jahren 1967 bis 1974 realisierte, hatte mit Pop Art wenig am Hut, er baute Häuser, die eine Erdung in den Bedürfnissen der Gemeinschaft suchten. Ein Umlauftank als eine Architektur mit sozialem Fokus? Leo stand damals vor der Aufgabe, eine komplexe Maschine in eine Hülle zu packen. Das hätte so oder anders geschehen können, der Architekt verband in jedem Fall die pragmatische, funktional naheliegenste Lösung mit der Suche nach etwas antifunktionalistischem: Farbe und Material. Und schuf daraus ein Bild. Dass die Versuchsanlage aber mehr ist als nur ein Bild, dessen Generierung der Architekt Leo als unethisch ablehnte, zeigt ihre praktische Aufgabe und ihre kommerzielle Ausrichtung. Die rund 120 m lange Rohranlage ist 19 m hoch, der Durchmesser misst bis zu 8 m und bei Experimenten zirkulieren im Inneren 3 300 t Wasser mit einer Geschwindigkeit von bis zu 10 m/sek. Gebaut wurde der Umlauftank für Routinetests im Schiffsbau, seit 1999 wird er nicht mehr kommerziell betrieben, aber für die universitäre Forschung genutzt. Was seinen baulichen Niedergang jedenfalls nicht verlangsamte.

Zwei der wichtigsten Experimente, die hier durchgeführt werden, sind der Propulsions- und der Kavitationsversuch mit bis zu zehn Meter langen Schiffsmodellen. Diese Experimente finden in der elf Meter langen und fünf Meter breiten Messstrecke statt, die sich in der blauen Box befindet. Bei den Versuchen geht es um die Optimierung von Rumpf und Schiffsschraube, Geschwindigkeit und Verschleiß. Es geht also, wie schon gesagt, ums Geld.

Oder wie formulierte es Prof. Dr.-Ing. Paul Uwe Thamsen, 1. Vizepräsident der TU Berlin, bezogen auf die bevorstehende Sanierung: „Durch die Ertüchtigung dieser einzigartigen Versuchsstätte werden für unsere Forschung nun für viele Jahre auch neuartige strömungs- und schiffbautechnische Experimente ermöglicht, die gerade im Hinblick auf aktuelle Klima-Ereignisse eine ganz neue Qualität und Relevanz bekommen.“

Die internationale Container-Schiffahrt boomt, der Warenverkehr, digital erzeugt, nimmt täglich zu. Das sind rosige Aussichten für eine Universität, die nicht bloß im Besitz einer Architekturikone ist, sondern ebenfalls im Besitz einer Forschungsanlage, deren ­Kapazität weltweit einmal ist.

Die Wüstenrot Stiftung, die den Bau 2012 in ihr Denkmalprogramm aufgenommen hat und als herausragendes Denkmal würdigt, finanziert die Sanierung mit 3,5 Mio. €; vorausgesetzt, die Anlage wird für die Forschung aktiv weitergenutzt. Die Sanierungs-planung übernehmen hg merz architekten zusammen mit adb Ewerien und Obermann, beide Berlin.

Der Umlauftank bleibt uns also erhalten. So lange jedenfalls, wie große Schiffe die Meere befahren. Seine 40 mm dicke PU-Ummantelung wird in ein paar Jahren wieder richtig rosa und wird, mit dem Blau der Fassade darüber, das Auge zum Hinschauen zwingen. Und wieder wird man nicht wissen, was er nun ist: Kunst oder Kitsch oder ganz einfach ein Kinderspielzeug, das ein Riese
für seine Kinder baute, die es hier abstellten und vielleicht irgendwann einmal abholen kommen. Hoffentlich lassen die sich sich ­damit sehr viel Zeit! Be. K.

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