Unter einem Dach
agn Niederberghaus & Partner GmbH, Ibbenbüren
Die agn-Gruppe mit Hauptsitz in Ibbenbüren bei Osnabrück gehört zu den großen Generalplanungsbüros in Deutschland. Der ganzheitliche und interdisziplinäre Ansatz ermöglicht eine effektive Planung vom Entwurf bis zur Übergabe.
Wer den Hauptsitz der Unternehmensgruppe agn Niederberghaus & Partner GmbH besucht, der wird überrascht sein. Denn statt wie vielleicht erwartet in einem urbanen Kontext mit modernem Ambiente residiert das Büro in einem idyllisch gelegenen Reetdach-Anwesen mit angrenzenden Neubauerweiterungen am Rande der Kleinstadt Ibbenbüren. Von hier aus werden die Aktivitäten der gesamten Gruppe an den mittlerweile sieben Standorten in Deutschland gesteuert. Mit aktuell rund 250 Mitarbeitern und unter der Leitung der sechs Geschäftsführer Lothar Niederberghaus, Bernhard Busch, Bernhard Bergjan, Andreas Reichau, Christian Witzger und Bernd Leusmann werden dabei unterschiedlichste Bauaufgaben realisiert – vom Verwaltungsbau über den Gewerbe- und Industriebau bis hin zu Gebäuden für Gesundheit, Sport und Bildung
Zu den jüngsten Projekten von agn zählt das im Frühjahr 2010 bezogene Land- und Amtsgericht Düsseldorf. Mit seiner imposanten Architektur und seinen klar gegliederten Natursteinfassaden schafft der sechsgeschossige Neubau einen wichtigen städtebaulichen Impuls innerhalb des stark industriell geprägten Stadtteils Oberbilk. Um den Entwurf möglichst gut in die Umgebung einzufügen, wurde im Kern des Gebäudes ein zur Straße hin geöffnetes Atrium mit eindrucksvoller Freitreppe und großem Glasdach integriert. Nach außen hin wird der offene Lichthof, der den Eindruck zum Gebäude markiert, durch eine oberhalb des dritten Obergeschosses frei schwebende Glasbrücke betont.
Eine Besonderheit ist die an den Lebenszyklen des Gebäudes orientierte Planung, die sich unter anderem in einer hohen Flächeneffizienz, einer flexiblen Raumanordnung sowie in der Verwendung nachhaltiger Baumaterialien niederschlägt. „Eine ganz entscheidende Rolle übernimmt außerdem die gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut entwickelte und im Rahmen eines Forschungsprojektes vom BMWI geförderte Gebäudetechnik“, so agn-Geschäftsführer Lothar Niederberghaus. Im Zentrum stehen dabei das 620 m lange und damit bundesweit größte Luft-Erdregister, durch das rund 100 000 Kubikmeter vortemperierte Luft pro Stunde fließen, sowie ein nachgeschalteter Latentwärmespeicher. „Die in dieser Kombination weltweit einzigartige Anlage macht es möglich, Energieüberschüsse wie geothermische Energie, freie Nachtkälte oder die EDV-Abwärme zunächst zu speichern und dann zeitverzögert bei Bedarf im Sommer wie im Winter zu nutzen.“
Die bei dem Projekt in Düsseldorf sichtbare ganzheitliche Verbindung von Entwurf, Ausführung und Technischem Gebäudemanagement steht stellvertretend für den integrativen und interdisziplinären Ansatz, den agn seit seinen Anfängen verfolgt. Das Büro wurde 1952 von Heinz Leistner und Paul Niederberghaus, dem Vater des heutigen Geschäftsführers Lothar Niederberghaus, als klassisches Architekturbüro gegründet. Neben Schulbauten und Sporthallen wurden seinerzeit auch Wohnungsbauprojekte realisiert. In den 1960er-Jahren folgte die Zusammenarbeit mit Daimler-Benz, für die agn eine Reihe von Autohäusern und Vertragswerkstätten realisierte. „Irgendwann wurden wir dann von Mercedes gefragt, ob wir neben der Architektur nicht auch die Bereiche Statik, Elektrik und Landschaftsbau übernehmen könnten“, blickt Bernhard Busch auf die Geschichte des Büros zurück. „Das war dann so etwas wie der Startschuss. Seit dieser Zeit haben wir unser Profil durch ergänzende Ingenieurdisziplinen immer mehr erweitert und uns bis heute zum umfassenden Generalplaner entwickelt.“
Eine weitere Zäsur folgte 1990 kurz nach der Wende, als agn zwei Niederlassungen in Potsdam und Halle/Saale gründete. Parallel dazu wurde das seinerzeit etwa 50 Mitarbeiter zählende Büro in eine GmbH umgewandelt. Als eines der wichtigsten Projekte aus den folgenden Jahren folgte anschließend die Ausführung des nach Entwürfen von Frank O. Gehry und Randall Stout geplanten Melittabades in Minden (1997-98). „Als besondere Herausforderung gestaltete sich dabei die Umsetzung der komplizierten Geometrien innerhalb des vorgegebenen zeitlichen Rahmens“, so Lothar Niederberghaus. „Aber diese Kombination aus technischen, gestalterischen und terminlichen Herausforderungen ist letztendlich genau das, wonach wir suchen und was wir als Generalplaner effizient umsetzen können.“
Hohe Anforderungen an die Kompetenz von agn als Generalplaner stellte auch die Umgestaltung der Bonifatiuskirche in Münster zum Sitz des Dialog-Verlages (2003 – 2005). „Um die vorhandene Bausubstanz einer neuen Nutzung zuzuführen, haben wir uns für ein Haus-im-Haus-Konzept entschieden“, so Bernhard Busch. „Dem roten Backsteinbau aus den 1950er-Jahren wurden dabei zwei neue Flügel mit großflächig verglasten Büros eingestellt, die wie Seitenschiffe zu den Außenwänden der Kirche hin orientiert sind.“ Kurz darauf wurde agn von Bilfinger Berger außerdem mit der Umwandlung des Kreishauses in Unna in ein modernes nutzerfreundliches Gebäude beauftragt (2004 - 2006). Bei dem in Public Private Partnership realisierten Projekt war agn ebenfalls als Generalplaner für die Planung und Realisierung sämtlicher Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahmen verantwortlich.
In den vergangenen Jahren ist agn erneut konsequent erweitert worden. Zwischen 2001 und 2005 folgten neue Niederlassungen in Ludwigsburg, Düsseldorf und Bremen. Darüber hinaus wurden das Büro siganet, die ahw Ingenieure sowie die agn Generalbau als Tochter- und Beteiligungsgesellschaften neu geschaffen, um so auch Zusatzleistungen wie Sicherheitstechnik, Gebäudeautomation, Netzwerktechnik, Tragwerksplanung oder Bauphysik anbieten und sich als Alternative zu den großen aktiengeführten Generalunternehmen etablieren zu können. 2008 schloss sich außerdem die Hamburger Leusmann Planungsgesellschaft mbH der agn Gruppe an.
Zunehmend wird das Büro inzwischen auch für Projekte herangezogen, die sonst eher großen Generalunternehmen vorbehalten sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die 2009 für den Fußball-Bundesligisten 1899 Hoffenheim fertiggestellte Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim bei Heidelberg – „das erste Stadion in Deutschland, das konventionell ohne Generalunternehmer abgewickelt wurde und innerhalb von zwei Jahren komplett geplant und realisiert wurde“, so Lothar Niederberghaus. „Markantes Wahrzeichen der 30 000 Zuschauer fassenden Arena ist das Dach, das wie eine Wolke schwerelos über dem Baukörper schwebt.“ Parallel zu dem Projekt in Sinsheim realisiert agn weitere Stadionprojekte in Aachen, Mainz, im österreichischen St. Pölten sowie in Hamburg-St. Pauli. In Köln-Müngersdorf war das Büro außerdem mit dem Umbau und der Sanierung der denkmalgeschützten Anlagen und Bauten aus den 1920er-Jahren beauftragt.
Ein weiteres großflächiges Projekt von agn ist das 2009 in der Hamburger City-Süd fertiggestellte Verwaltungsgebäude „Frankenquai“, bei dem die Planer eine vorhandene Ortsvermittlungsstelle mit einem dreigeschossigen Büroriegel überbaut haben. Die markant detaillierte, mit leuchtend-roten Paneelen gestaltete Glasfassade orientiert sich dabei gestalterisch an den überwiegend durch Klinker geprägten Fassaden des Quartiers. „Zu den größten technischen Herausforderungen bei der Planung gehörte die Auflage, dass keinerlei Lasten in das vorhandene Gebäude eingeleitet werden durften“, erklärt Bernhard Busch. „Gefragt war neben einem überzeugenden architektonischen Entwurf also insbesondere unser Know-how im Bereich Statik.“
Als weiteren Baustein zur Optimierung des Bauprozesses bezieht agn zunehmend die Lebenszyklusplanung von Gebäuden mit ein. Seit kurzem unterstützt das Büro dabei den Lehrstuhl für Immobilien-Lebenszyklus-Management an der msa münster school of architecture als Stifter. Im Zentrum der Überlegungen steht dabei der Einsatz einer möglichst energiesparenden Gebäudetechnik. Wie bei der Entwicklung des Luft-Erdregisters beim Neubau des Land- und Amtsgerichtes in Düsseldorf gehen die Planer dabei nicht von vorgefertigten Konzepten aus, sondern suchen nach der optimalen Lösung für den jeweiligen Standort. Bei der Fertigstellung des Freizeitbades AquaMagis Plettenberg (2001 – 2003) entstand dabei die Idee, die bis dahin ungenutzte und teuer vernichtete Abwärme des nahe gelegenen Aluminiumwalzwerkes Novelis zur Beheizung des Bades zu nutzen. Und beim Umbau des denkmalgeschützten Lagergebäudes des Stadtarchivs in Stuttgart (2008) griffen die Planer auf die ursprüngliche Idee des Eisspeichers zurück, um den kurzfristig wechselnden Bedarf an Wärme und Kälte zur Verfügung zu stellen.
Hohe Anforderungen an die Planer stellte ebenso der Neubau des Klimahauses Bremerhaven 8° Ost, bei dem agn für die Überarbeitung des vorliegenden Entwurfs ab Leistungsphase 3 sowie für die gesamte Ausführung verantwortlich war. Charakteristisches Merkmal des 2009 eröffneten Gebäudes ist die organisch geschwungene, vollkommen frei entwickelte Außenhülle aus Stahl und Glas, dem im Innenraum ein fließendes Raumkontinuum aus versetzten Ebenen, Galerien, Treppen und Rampen entspricht. „Eine besondere Schwierigkeit bei dem Projekt war aber nicht nur die Umsetzung der komplizierten Gebäudestruktur, sondern auch die schwierige Baustellenlogistik, da nur eine einzige Zuwegung vorhanden war“, blickt Lothar Niederberghaus zurück. „Dabei mussten wir unter anderem zusätzliche Bohrpfähle setzen, um einen Kran aufstellen zu können.“
Neben dem Bau von Stadien, Hochschulgebäuden und Krankenhäusern hat sich in den vergangenen Jahren die Generalplanung von Feuerwachen zu einem wichtigen Schwerpunkt von agn entwickelt. Neben aktuellen Projekten in Potsdam, Norderstedt, Dresden, München und Münster realisiert das Büro gegenwärtig die neue Feuerwache in Dortmund. Im Auftragsvolumen enthalten ist die Umsetzung der gesamten Leitstellentechnik. „Wie in vielen anderen Fällen ist es uns hier entgegen gekommen, dass Neubauprojekte seit einigen Jahren verstärkt als Generalplanerwettbewerbe ausgeschrieben werden“, so Bernhard Busch. „So können wir unser gesamtes Know-how einbringen.“ Bei dem Entwurf in Dortmund steht einem viergeschossigen Verwaltungsgebäude eine zweigeschossig und mit leuchtend roten Fassaden ausgebildete Fahrzeughalle entgegen. Blickfang sind die kammartig um begrünte Innenhöfe gruppierten Ruheräume für den Einsatzdienst im ersten Obergeschoss der Halle.
Aktuell ist agn unter anderem mit der Generalplanung des Ersatzneubaus der Universität Bielefeld beschäftigt. Der rund 110 Millionen € teure Neubau integriert auf einer Nutzfläche von 40 000 m² Zentralmensa, Bibliothek, Hörsäle, Seminarräume und Institute.“ Mit seriell gefertigten Bauelementen, nachhaltigen Materialien und einer integralen, innovativen Technik wollen wir dabei einen Ressourcen schonenden, energieeffizienten und wirtschaftlichen Betrieb des Neubaus erreichen“, beschreibt Bernhard Busch einen zentralen Planungsgedanken. Zur Energieversorgung ist eine Kombination aus Nahwärme, Betonkernaktivierung sowie Präsenzmeldern und Luftqualitätsfühlern vorgesehen. Die Fertigstellung des Gebäudes ist für 2013 geplant. Erneut lässt der ganzheitliche und integrative Ansatz von agn eine hochwertige Verbindung von Architektur, Funktionalität und Gebäudetechnik erwarten.