Wieso Abriss? Schauspiel/Oper in Frankfurt a. M. kommt weg

Ende Januar 2020 erreichte uns die Meldung aus Frankfurt a. M., dass es nun Einigkeit in der Römerkoalition (CDU, SPD und Grünen) gäbe. Einigkeit dahingehend, dass man die Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz abreissen will. War in den ersten Meldungen dazu auch von einem Neubau am Osthafen die Rede – mit Ballett – , scheinen nun die Verantwortlichen einzulenken. Nicht alles solle umziehen, ein Teil des Neubaus dürfe ruhig am Willy-Brandt-Platz neu aufgebaut werden.

Vor dem Abrissbeschluss hatte der Rat bereits 2018 eine Stabsstelle eingerichtet, die prüfen sollte, ob eine Sanierung das bessere Konzept sei als Neubau oder Umbau/Erweiterung. Die von der Stadt beauftragte Studie bei PFP Architekten, Hamburg, konnte die Auftraggeber vom Abriss mit Neubau überzeugen. Nun hat die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung den Magistrat beauftragt, ein Planungsverfahren für einen Neubau am bisherigen Standort in die Wege zu leiten. Erste Schätzungen für diesen Neubau nennen 874 Mio. €, das wäre etwa so viel, wie die Sanierung mit kleinen Neubauten der Kölner Oper kostet.

Nicht ganz klar ist, wie sich die aktuellen Zahlen mit denen vertragen, die Gutachter im letzten Jahr vorgelegt hatten, denn die kamen auf rund 700 Mio. € Sanierungskosten. Die im Auftrag der kommunalen Stabsstelle Städtische Bühnen erstellte Studie liegt wiederum unter den knapp 900 Mio. €, die eine weitere Studie bereits im Sommer 2017 für die Sanierung genannt hatte. In die 700 Mio. € waren allerdings die Kosten für eine Interimslösung für das Schauspiel Frankfurt während der Bauarbeiten nicht eingerechnet. Nicht zu erfahren war, wie das bei den 874 Mio. € ist.

Da wir ständig von CO2 -Vermeidung/-Einsparung sprechen, da wir uns doch endlich dem Bestand widmen sollen, da wir in einer Stadt, die so sehr auf das mitleidlose Bankengeschäft festgeschrieben erscheint, da die Architektenschaft an dieser Stelle endlich einmal wieder beweisen könnte, dass sie es kann: Bauen im Bestand, da hier soviel gegen einen Neubau spricht: Wieso sollte er dann kommen?! Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die Bemerkung der SPD-Frau und Kulturdezernentin Ina Hartwig. Sie wundere sich, dass in dem „maroden Bau“ nach wie vor „Theater auf höchstem Niveau“ stattfinde! Wahrscheinlich, weil Theater nicht am mangelhaften Brandschutz scheitert, sondern an der Regie, den Schauspielern oder auch dem Bildungsniveau der Zuschauer und der Politik.

Eine Sanierung im laufenden Betrieb wäre möglich, eine Interimslösung gar nicht nötig. Dass ein solcher Baustellenkontext das Kulturelle nur beflügelt, dessen waren sich bereits Immanuell Kant oder Friedrich Nietzsche gewiss: Für Kant war der Schmerz der „Stachel aller Tätigkeiten“, für den migränegeplagten Nietzsche war der Schmerz der „Befreier des Geistes“. Wer da nicht umbaut, der macht den Fehler, wie Arno Lederer. In einem Zeitungsinterview im Zusammenhang mit dem Abriss argumentiert er mit ästhetischen und nicht mit ethischen Voraussetzungen. Damit verdrängt nicht nur er, dass das Eigentliche die Bühne ist, schlicht Bretter, die die Welt bedeuten (können). Be. K.

www.schauspielfrankfurt.de
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