Willibald-Gluck-Gymnasium, Neumarkt i. d. OPf.
Der energieoptimierte Neubau des Willibald-GluckGymnasiums setzt Zeichen für die integrale Zusammenarbeit von Architekten (Berschneider + Berschneider) und Energieplanern (EGS-Plan) und vereint auf beispielhafte Weise das Zusammenspiel von Architektur und Technik für „nearly zero energy buildings“.
Der Entwurf von Berschneider + Berschneider Architekten und Innenarchitekten für den Neubau des 7-zügigen Willibald-Gluck-Gymnasiums ging aus einem Wettbewerb als Sieger hervor. Schon in der Entwurfsphase hatten sich die Architekten mit Fachplanern zu der Planungsgemeinschaft „NB WGG“ zusammengefunden und den Wettbewerbsbeitrag gemeinsam entwickelt und abgestimmt. Vor allem das ganzheitliche Energiekonzept ist ein vorbildliches Beispiel für die gelungene Gemeinschaftsplanung der Disziplinen: angefangen bei den architektonischen Überlegungen zur Ausrichtung und Form der Baukörper über die flächeneffiziente Raumanordung und eine wärmebrückenfreie Konstruktionsweise bis zur schlanken Gebäudetechnik mit einer intelligenten Nutzung regenerativer Low-Ex-Wärmequellen. Die beiden Schulbauten, das eigentliche Schulgebäude für 1 400 Schüler sowie eine Dreifeldsporthalle, gelten daher als Meilenstein für den für 2030 geforderten Standard „nearly zero energy building“.
Transparenz und Kommunikation als Leitidee
Die architektonische Leitidee für den Schulkomplex sah ein harmoni-sches Ganzes von Architektur und Innenarchitektur vor: Licht, Transparenz, offene Kommunikation und klare Orientierung stehen dabei für eine gut gestaltete Lern- und Aufenthaltsqualität. Ein besonderes Highlight sind die beiden großen, überdachten Atrien, die für hohe Tageslichtautonomie sorgen. Die mit rot durchgefärbtem Sichtbeton ausgeführten Baukörper sind so angeordnet, dass sie einen Campus bilden und die angrenzende Wohnbebauung gegen den Lärm des Sportplatzes gut abschirmen. Die Außenanlagen wurden von den Landschaftsplanern als harmonische Ergänzung zur Architektur gestaltet und bieten viel Aufenthaltsqualität für Unterricht, Sport und Spiel.
Schon von weitem ist die Sporthalle mit dem markanten Sägezahnprofil zu erkennen. Die Nordseiten der Dachsheds sind verglast und versorgen die Halle mit blendfreiem Tageslicht, die Südseiten wurden mit PV-Modulen bestückt. Das langgestreckte Schulgebäude dagegen scheint mit seinen Obergeschossen über dem transparenten Erdgeschoss zu schweben. Die strenge Geometrie des Baukörpers wird durch unterschiedliche Fensterformate aufgelockert. Vorgesetzte Glasflächen setzen frische Farbakzente auf der sorgfältig mit dem Fugenbild der Betonfertigteilelemente gestalteten Fassade. Sie dienen gleichzeitig als Witterungsschutz für die Lüftungsflügel der Fenster, so dass diese auch zur Nachtauskühlung geöffnet werden können. Hinter der Attika verbirgt sich, von unten nicht sichtbar, ein flach geneigtes Walmdach, das mit dachintegrierten PV-Modulen belegt ist. Der Dachraum nimmt die gesamte Technik auf – ein Kellergeschoss oder hässliche Dachaufbauten konnten so vermieden werden.
Partizipative Planung
Auch die Schule als Institution war mit ihren Vertretern in den Planungsprozess integriert. Das Ziel einer offenen Schule konnte so gemein-
sam mit den Nutzern umgesetzt werden – Schulleitung, Lehrer, Eltern und Schüler sowie das technische Personal waren an den Planungs- und später an den Ausführungsbesprechungen beteiligt.
In allen Geschossen sind die Klassenräume um die Atrien herum angeordnet. Sie werden von den weitläufigen Galerien erschlossen.
So ergeben sich überall helle Verkehrsflächen und vielfältige Raumstrukturen, die ein offenes Schulleben mit viel Platz für Kommunika-tion und ruhige Nischen ermöglichen.
Die großen Oberlichter über den Atrien sind freitragende Holzkonstruktionen, deren filigrane Brettschichtträger maximale Glasflächen für eine maximale Tageslichtausbeute erlauben. Die gesamte Holzdachkonstruktion wurde auf die Konstruktion aus Betonfertigteilen aufgesetzt. Die Elementierung des Rohbaus in Fertigteile brachte viele Vorteile. Der vorverlegte Planungsaufwand verkürzte die Montagezeit auf der Baustelle. Die Montage selbst erfolgte im Baukastensystem mit fertigen Oberflächen sowohl innen wie außen. Die Dämmebene war bereits werkseitig im Sandwich-Aufbau der rot durchgefärbten Außenwand integriert. Auch die Innenwände haben Sichtbetonflächen, wurden allerdings hier nur teilweise für besondere Akzente farbig lasiert.
Gegründet ist der Schulneubau auf 168 Bohrpfählen, die zum Teil auch für das Energiekonzept genutzt wurden. Wegen geologischer Einflüsse auf die Bohrpfähle war die maximale Zahl der sogenannten Energiebohrpfähle begrenzt, sodass schließlich 96 von ihnen als thermischer Speicher und zur Versorgung der Wärmepumpen mit Erdwärme aktiviert werden konnten.
Integrales Energiekonzept
Das Energiekonzept basiert auf einer hochwertigen und luftdichten Gebäudehülle mit niedrigen Wärmedurchgangskoeffizienten, einem Belichtungskonzept mit hoher Tageslichtnutzung, einer zentralen mechanischen Lüftung mit Wärmerückgewinnung, der Beheizung und Kühlung der Klassenräume über Betonkernaktivierung sowie der Nutzung von regenerativen Energien für die Stromversorgung und die Heiz- und Kühlenergie.
In fast allen Bereichen spielt die Architektur eine entscheidende Rolle. So ist der hohe Grad der Tageslichtversorgung den beiden Atrien und der offenen Raumstruktur geschuldet, auch für das Lüftungskonzept sind die Atrien wichtig. Die Speichermassen der Betoninnenwände sind ein wesentlicher Pluspunkt bei der Beheizung bzw. der Nachtauskühlung im Sommer. Die Gründungspfähle konnten zum Teil als Energiepfähle für die Gewinnung von Erdwärme
genutzt werden. Die beiden PV-Anlagen auf den Dächern sind in das Gestaltungskonzept integriert und brauchen sich hinter der Architektur der Schulgebäude nicht zu verstecken. Neben den aktivierten Gründungspfählen wurde für die geothermische Nutzung ein Agrothermiefeld unter dem jetzigen Sportplatz angelegt. So nennen die Energieplaner den horizontal verlegten Erdwärmetauscher, der die oberflächennahe Erdwärme nutzt.
In den Klassenräumen wurden die Stahlbetondecken für die Beheizung und Kühlung aktiviert. 70 % des Heizwärmebedarfs wird über zwei Wärmepumpen zur Verfügung gestellt, auch die Fußbodenheizung in den Fluren wird damit versorgt. Die Spitzenlasten übernimmt ein Gasbrennwertkessel. Die Kühlung erfolgt als passive Kühlung über die geothermischen Anlagen, im Sommer unterstützt durch eine adiabate Abluftbefeuchtung.
Die zentrale Lüftung erfolgt bedarfsgesteuert über CO2-Sensoren, um die besonders für die Klassenräume relevante Raumluftqualität sicherzustellen. Schon ab einer CO2-Konzentration von 0,1 Vol. % (= 1 000 ppm CO2) sind Leistungsabfall und Konzentrationsschwäche nachweisbar, als Grenzwert für Klassenzimmer gilt ein CO2-Gehalt von 1 500 ppm. Die Zuluft strömt über die Klassenräume in Flure, Hallen und Pausenzonen, die Absaugung erfolgt über die beiden Atriumsdächer. Nach heißen Sommertagen kann auf diese Weise auch die gesamte Schule über Nacht mit frischer Nachtluft durchspült und gekühlt werden.
Energielabor
Schulen kommt im energieeffizienten Bauen eine Schlüsselrolle zu. Nicht nur, weil der Bestand und die Neubauten dafür wie geschaffen sind, sondern vor allem, weil die kommenden Generationen Energieeffizienz am „lebenden“ Objekt lernen können. Im Willibald-Gluck-Gymnasium wurde deshalb ein Energielabor als Lernplattform für Schüler und Lehrer eingerichtet. Mittels einer webbasierten Lernplattform werden hier die aufgezeichneten Daten der Energieperformance visualisiert und der Innenraumkomfort transparent und ablesbar gemacht. Unter dem Stichwort „Energieeffizientes Bauen und Betreiben“ werden diese Daten in den Unterricht eingebunden. Ein Beispiel, das Schule machen sollte. ISCH
Projektdaten
Standort: Woffenbacher Str. 33, Neumarkt i. d. OPf.
Bauherr: Landkreis Neumarkt i. d. OPf.
Architekt: Berschneider + Berschneider Architekten BDA + Innenarchitekten BDIA, www.berschneider.com
Bauzeit: April 2013 – Juli 2015
Fachplaner
TGA-Planer: Ingenieurbüro Hauer & Partner GbR, www.ib-hauer.de
Energieplaner: EGS-plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik mbH, www.stz-egs.de
Brandschutz: Steinhofer Ingenieure GmbH, www.steinhofer-brandschutz.de
Landschaftsplaner: GARNHARTNER + SCHOBER + SPÖRL Landschaftsarchitekten BDLA, www.gs-landschaftsarchitekten.de
Energiekonzept
Gebäudehülle
Boden1 im auskragenden Bereich: Bodenbelag, Estrich 6,5 cm, Trennlage, Trittschalldämmung 3 cm, Stb.-Decke 25 cm, PUR-Wärmedämmung WLG 024 16 cm, Betonvorsatzschale 8 cm
Boden2 im auskragenden Bereich: Bodenbelag, Estrich 6,5 cm, PE-Folie, Trittschalldämmung 3 cm, Stb.-Decke 25 cm, PUR-Hartschaum WLG 035 18 cm, Abhangdecke Alublech
Boden3 gegen Erdreich: Bodenbelag, Heizestrich mit Trennlage 8,5 cm, Trittschalldämmung 2 cm, EPS-Wärmedämmung WLG 035 3 cm, Bitumenschweißbahn, Stb.-Bodenplatte 20 cm, Schaumglasschotter WLG 115 25 cm
U-Wert Dach = 0,138 W/m²K
U-Wert Fassade = 0,144 W/m²K
U-Wert Pfosten-Riegel-Fassade = 0,413 W/m²K
U-Wert Boden1 = 0,128 W/m²K
U-Wert Boden2 = 0,157 W/m²K
U-Wert Boden3 = 0,080 W/m²K
Uw-Wert Fenster = 0,80 W/m²K
Ug-Wert Verglasung = 0,60 W/m²K
CO2-gesteuerte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, PV-Anlage auf den Dächern der Schule (216 kWp) und der Turnhalle (75 kWp), Wärmepumpe, Geothermie: 96 Erdsonden (8 − 12 m) und Agrothermiefeld (4 400 m² mit 47 Strängen in 2,26 m Tiefe), Nutzung von Serverabwärme, Stromspeicher Vanadium Redox-Flow mit 130 kWh Speicher, Pufferspeicher 3 000 l
Hersteller
Betonfertigteile: Max Bögl, www.max-boegl.de
Aufzüge: OTIS GmbH & Co. OHG, www.otis.com
Lichthofüberdachung: Lamilux Heinrich Strunz GmbH, www.lamilux.de
Schalter: Gira Giersiepen GmbH & Co. KG, www.gira.de