» Wir bringen Materialien zurück in
den Kreislauf, die entweder aus dem Rückbau kommen oder auf Baustellen übrigbleiben.«

Circular Economy – ein Begriff der schon längst unsere Zeit bestimmt. Auch in der Bauindustrie tut sich einiges, um den enormen Ressourcenverbrauch zu deckeln. ­Sicher ist, dass sich das Wiederverwenden von Bauteilen in der Bauindustrie etablieren wird. Die dafür gegründete Plattform „Restado“ ist mittlerweile der größte Marktplatz für übriggebliebene oder wiedergewonnene Baustoffe in Europa. Mit ihrem zweiten Start-up „Concular“ starten Dominik Campanella und Julius Schäufele nun ein Ökosystem für die zirkuläre Bauwirtschaft.

Ihr beschäftigt euch intensiv mit dem zirkulären Bauen. Wofür konkret steht euer erstes Start-up Restado?

Dominik Campanella (D.C.): Mit Restado entstand der erste Online-Marktplatz für wiedergewonnene Baustoffe. Seit 2013 auf dem Markt, sind wir inzwischen die größte Plattform für wiedergewonnene Baustoffe in Europa. Wir bringen Materialien zurück in den Kreislauf, die entweder aus dem Rückbau kommen oder auf Baustellen übrigbleiben. Ungefähr 10 − 15 % der einberechneten Baustoffe auf Baustellen werden nie verbaut und bisher weggeworfen. Um möglichst viele wiederverwendbare Baustoffe und Bauteile über Restado zu vermitteln, arbeiten wir mit allen Akteuren zusammen: von Bauherrn über spezialisierte Rückbauunternehmen, von Händlern bis hin zu den Herstellern.

Ein second-life für Baumaterialien also – gilt das auch für die Gewährleistung?

Julius Schäufele (J.S.): Die Gewährleistung hat ihr gutes Recht – wir brauchen die Qualitäts­sicherheit. Was fehlt ist der Prozess, der dazu führt, dass ein zurückgewonnenes Material am Ende einen Zustand bekommt, der bescheinigt ist. Und dazu müssen wir bestehende Institu­tionen wie Materialprüfanstalten, Baubetriebe, Bauämter und Hersteller zusammenbringen, um die Sicherheit – die Gewährleistung – weiterzugeben.

D.C.: Mit Concular, unserem zweiten Start-up versuchen wir dies umzusetzen und arbeiten bereits an ersten Pilotprojekten in Berlin, Hamburg, Konstanz und München. Wir wollen den Transfer von ausgebautem Material von der Rückbaustelle zum Wiedereinbau in Neu- und Umbauprojekte ermöglichen, indem wir schon frühzeitig vor dem Abriss durch ein Gebäude gehen und mit ArchitektInnen und Rückbauunternehmen die Baustoffe im Bestand dokumentieren und eine Materialdatenbank erstellen. Im besten Fall haben wir vor dem Abriss schon sämtliche Bauteile weiterverkauft – ähnlich, wie es auch im Immobilienmarkt mit entstehenden Wohnungen oder Büroflächen gemacht wird. Dafür hilft es uns ebenso, früh in geplante Bau- oder Renovierungsprojekte involviert zu sein, den Materialbedarf zu kennen und bis zum Baubeginn freiwerdende Materialien zu vermitteln. Die Ausschreibung für den Rückbau beinhaltet dann, welche Bauteile selektiv und werterhaltend ausgebaut werden müssen.

Wie wirtschaftlich ist die Wiederverwendung der Baustoffe bisher?

D.C.: Die Befürchtung ist immer, dass ein Rückbau mehr kostet – das ist aber nicht der Fall. Es ist letztlich nur eine Frage der Kalkulation. Durch den selektiv-werterhaltenden Rückbau und die Vermarktung der frei werdenden Materialien spart der Bauherr Kosten für den konventionellen Rückbau,  für Recycling und Entsorgung. Diese Bewertung ist Teil unseres Rückbauservices und kann Einsparungen von bis zu 30 % der Rückbaukosten bedeuten. Wir greifen dabei auf Marktdaten zurück, die wir u. a. mit Restado über die letzten Jahre gewonnen haben. Durch unseren zeitlich ausbalancierten Prozess vermeiden wir lange Lagerzeiten und unterstützen bei Aufbereitung und Transport des Materials, was den Prozess effizient, planbar und somit zeitsparend für alle Akteure macht. Zusätzlich bilanzieren wir für BauherrInnen und Städte, wieviel Tonnen CO₂, Ressourcen und Müll bei der Wiederverwendung ein­gespart werden oder wie kreislauffähig die Materialien in einem Gebäude sind, was die Bewertung des Gebäudes erhöhen kann.

Welche Voraussetzungen müsste die Politik schaffen um zirkuläres Bauen zu erleichtern?

J.S.: Der größte Hebel liegt beim Gesetzgeber sowie bei den Kommunen und Städten. Wichtig ist vor allem, dass von Städten und Kommunen verstärkt Rahmenbedingungen geschaffen werden. Beispielsweise in Hamburg und Konstanz werden oftmals Informationen über die ökologische Sinnhaftigkeit eines Abrisses eingefordert. Diese Möglichkeit haben auch Kommunen und Städte bei ihren öffentlichen Bauten. Andere Aspekte sind die politischen Rahmenbedingungen, die von Landes-, Bundes- und EU-Ebene kommen müssen. Die Bauverordnungen müssen entsprechend abgeändert werden. Neben dem Energie­effizienzgesetz muss es auch ein Ressourceneffizienzgesetz geben. Es gibt schon viele gute Ansätze. Denkbar ist beispielsweise eine Mehrwertsteuersenkung für wiedergewonnene Baustoffe, Re-use-Quoten und verpflichtende Audits für den Rückbau. Es passiert auch langsam etwas, aber viel zu langsam, um der Klimakrise entgegen zu wirken. Am Ende muss es aber auch praktisch umsetzbar sein – hier möchten wir die passende Lösung schaffen.

Was können wir beim zirkulären Bauen von anderen Ländern lernen?

D.C.: Vorreiter in diesem Gebiet sind auf jeden Fall die Niederlande, sowie Frankreich, Belgien und die Skandinavischen Länder. Dort sind pre-demolition audits verpflichtend. Das ist eine Prüfung, die durchgeführt wird, bevor das Gebäude abgerissen wird. Neben der Schadstoffbelastung wird geprüft, ob das Gebäude überhaupt abgerissen werden muss, was für Materialien im Gebäude enthalten sind und wie diese wieder­genutzt werden können. Die komplette Ab­­fall­hierarchie abklopfen und Deponieabfälle vermeiden ist Priorität – Recycling ist eine der letzten Möglichkeiten. Quasi alle Länder um Deutschland herum haben diese pre-demolition audits verpflichtend. In Deutschland ist das noch nicht der Fall, weshalb es kaum umgesetzt wird.

J.S.: Die Städte können dabei eine Vorreiterrolle einnehmen. Amsterdam hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 die Hälfte aller Baustoffe wiederzugewinnen. Bei Gebäudeabriss müssen 50 % der Materialien für einen Neubau verwendet werden. In Zürich müssen bei allen öffentlichen Gebäuden 50 % des Betons aus Recyclingbeton bestehen. Städte sind ein großer Hebel, um auf lokaler Ebene eine Circular Economy umzusetzen.

Die Ressourcenverknappung ist eine wichtige Triebkraft für das zirkuläre Bauen. Welche weiteren Punkte sprechen dafür?

J.S.: Letztlich widmen wir uns der Kreislaufwirtschaft, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Die Bauwirtschaft ist verantwortlich für 60 % des deutschen Müllaufkommens, 40 % der globalen Ressourcenausbeutung und über 25 % der CO₂-Emissionen. Ohne die Baubranche mit einzubeziehen, werden wir die Klimaziele nicht erreichen. Und 20 % des kompletten CO₂ Ausstoßes der Baubranche entstehen vor dem eigentlichen Bau, also bei der Herstellung und dem Transport von Baustoffen. Werden Bauteile nun wiederverwendet, ist hier mit einem enormen Einsparpotential zu rechnen.

D.C.: Das Wiederverwenden von bestehendem Material hat den großen Vorteil, dass wir Mate­rial substituieren, anstatt es neu zu produzieren. Und zirkuläres Bauen kann Kosten sparen. Auch die Industrie lenkt hier ein. Viele Firmen nehmen heute ihre verbauten Materialien kostenfrei zurück, was bei deren Wiederverwendung in der Produktion Kosten einspart.

Mit Dominik Campanella und Julius Schäufele unterhielt sich DBZ-Redakteurin Nadine Schimmelpfennig Anfang November 2020.
Im Gespräch mit:
Dominik Campanella (l.) und Julius Schäufele (r.),
Concular, Berlin (Fotos: Thomas Jones)
www.concular.de, www.restado.de
Dominik Campanella (27) gründete bereits mit 14 Jahren sein erstes Unternehmen, um für kleine und mittelständische Unternehmen Internetseiten zu bauen. Er studierte Informatik und Management. In dieser Zeit gründete er mehrere Start-ups, einige davon mit einer Bewertung von einigen Millionen Euro. Seit 2020 widmet er sich Vollzeit dem Aufbau von Concular.
 
Julius Schäufele (32) war nach seinem Studium sieben Jahre Geschäftsführer einer Digitalagentur in Berlin. Anfang 2020 wurde die Idee geboren, die Online-Plattform Restado um eine Lösung für die zirkuläre Bauwirtschaft zu erweitern - Concular.
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