Im Gespräch mit … Peter Cachola Schmal, Direktor des DAM Frankfurt a. M. www.dam-online.de

Wir haben damals Stellung bezogen

Seit 2006 wird das DAM Deutsches Architekturmuseum in Frankfurt a. M. von Peter Cachola Schmal geleitet. Jetzt wurde zum dritten Mal sein Vertrag verlängert, was offenbar damit zusammenhängt, dass der Mann gute Arbeit macht. Oder sind andere Gründe der Grund? Wir fuhren an den Schaumainkai und unterhielten uns mit dem Direktor im schönsten OMU-Ambiente … das allerdings auf seine Sanierung wartet. Noch ein Chance fürs DAM!

Lieber Peter Cachola Schmal, Glückwunsche zur dritten Vertragsverlängerung! Wie fühlt sich das an? Gründungsdirektor Heinrich Klotz hat es nur auf zwei Amtsperioden gebracht …

Peter Cachola Schmal: Heinrich Klotz wurde 1979 installiert, 1984 war das Gebäude fertig und 1986/1987 war er raus, glaube ich … sein Vertrag lief aber noch.

Er musste gehen?

Nein, der Vertrag lief noch, aber hatte schon Interessanteres zu tun: Das ZKM gründen. Da musste man erstmal ohne ihn weitermachen.

Haben Sie nichts Interessanteres zu tun, als hier im DAM weiter zu machen?

Das würde ich nicht so sagen. 2006 habe ich hier angefangen, jetzt läuft der vierte Vertrag. Das geht jetzt bis zur Rente in 2027. Kurz gesagt: Ich bin entfristet worden.

Gibt es bei Vertragsverlängerung kein formelles Bewerbungsverfahren?

Nein, es gibt eine Diskussionsrunde und fertig.

Wer sitzt dann zusammen und diskutiert?

Die Kulturdezernenten und ihre engsten Referenten. Die sprechen mit allen und wenn sie das nicht überzeugen kann, wird der Vertrag nicht verlängert. Diese Runde trifft sich etwa ein Jahr vor dem Vertragsende.

Man war offensichtlich zufrieden mit Ihnen?!

Offenbar ja.

Welche besonderen Chancen werden einem geboten, wenn man so langfristig an einer Sache arbeiten kann?

Der Vorteil dieser Kontinuität ist einmal die Intensität, die sich in der Zusammenarbeit mit der Mannschaft ergibt. Denn von den Mitarbeiter-Innen sind viele ja sehr lange dabei. Und natürlich lernt man in dieser Position und mit den Jahren mit der Verwaltung, mit Kulturamt und Kulturdezernat zu arbeiten. Man lernt, mit den Politiker-Innen, mit den Finanzen zu arbeiten. Man lernt, wie man neue Geldtöpfe anzapft etc. Wenn das alles einigermaßen gelingt, ist es auch von Erfolg gekrönt. Wenn man auf einem dieser Felder Schwierigkeiten hat, wird das mit der Vertragsverlängerung auch nicht klappen.

Geschäftsführer und Chefkurator? Inhaltliches Arbeiten oder Verwaltungstätigkeit? Wie sind hier die Gewichte verteilt?

Es kommt ja noch etwas Drittes hinzu: das Fundraising! Wesentlich ist sicherlich das Handling der Finanzen und ihre Auswirkung auf das Programm. Als Beispiel nenne ich die große Bangladesch-Ausstellung, die wir übernommen haben. Kostete viel, aber Geld war nicht in Sicht. Da muss es dann andere Ausstellungen geben, andere Projekte, die Geld abwerfen. Mit denen machen wir dann die Querfinanzierung. Also, Programm und Geld arbeiten schon sehr eng zusammen.

Was wir alle ahnten. Gibt es damit keine Freiheit, sich für relevante, aber schlecht vermarktbare Themen zu entschieden?

Tatsächlich ist das ein Dilemma, in welchem sich z. B. auch die Biennale-Großkuratoren befinden. Die freuen sich über die Auszeichnung, den Ruhm, man sagt ihnen, dass sie soundso viele Millionen für ihren Etat haben. Dann merken sie irgendwann, dass die Preise in Venedig doppelt so hoch sind und vielleicht verstehen sie, dass sie eigentlich angeworben wurden, um selber Geld zu besorgen, mit ihrem Namen und ihrem Ruf und ihren Connections. Sehr spät erkennen sie dann die Grenzen ihrer kuratorischen Ideen, die aus Geldmangel resultieren.

Wie bekannt oder gar berühmt würden Sie sich denn einschätzen?

Wenn man Verbindungen hat, kommt das Geld.

Können Sie ein Beispiel nennen für das, was richtig gut lief und was nicht?

Wir machen demnächst die Ausstellung „Einfach grün“. Da geht es um Begrünungsstrategien für Haus und Dach. Die ist zum Beispiel gut finanziert, weil „Grün“ ein Thema ist, was jetzt wirklich ansteht. Und da gibt es genügend Geldgeber, die sich von sich aus melden und uns fragen, ob sie mitmachen dürfen.

Imagearbeit im Kulturhaus DAM, das geht. Was bringt aber kein Geld?

Zum Beispiel ganz aktuell die Böhm-Ausstellung, die war nicht gerade kostengünstig. Da gab es keinen Sponsor, keine Fremdfinanzierung. Teilweise aus unserem Bestand, aber auch sehr aufwendig inszeniert, musste sie querfinanziert werden. Oder der DAM-Preis, der hatte früher keine Partner, war ein komplett selbstfinanzierter Spaß. Bis er sich als ein besonderer Preis etabliert hat, hat es gedauert. Jetzt haben wir ja den Partner JUNG gefunden. Durch Corona haben wir den Preis jetzt über die „JUNG Lectures“ erweitert. Jeder, der ins Jahrbuch kommt und in der Ausstellung gezeigt wird, wurde zu einer digitalen Lecture eingeladen. Alle haben bisher mitgemacht. Super Format.

Wie lebt es sich denn als Angestellter der Stadt mit kritischen Blicken auf eben diese? Stichwort Altstadt, Paulskirche etc.?

Ja, ich bin bei der Stadt angestellt. Meine Chefin ist allerdings nicht der OB, sondern die Kulturdezernentin. Als der OB in der Paulskirche die Neue Altstadt eröffnet hatte, hat er wie ­nebenbei gesagt, dass er die Idee, die Paulskirche wieder zu rekonstruieren, für sehr interessant hielt. Das hat uns aufgeschreckt und wir wussten, wir müssen dringend eine Paulskirchenausstellung machen, um diesen „Schritt zurück“ zu verhindern. Die Ausstellung, die wir dann ein Jahr später eröffnet haben, hat dazu geführt, dass die Stadt Frankfurt beschlossen hat, die Arbeit von Rudolf Schwarz nicht abzureißen. Sie wird jetzt lediglich denkmalgerecht saniert.

Sind Sie in der Vergangenheit mit Ihrer Chefin mal angeeckt über Fragen des Städtebaus?

Bisher nicht.

Bisher?! Haben Sie da etwas vor?

Nein, wir haben erst mal Wahlen im März. Dann werden die Karten neu gemischt. Aber wir haben Stellung bezogen und das wurde von vielen honoriert. Von einigen nicht.

Wie geht es denn dem DAM finanziell?

Vor Corona gut.

Das lag daran, dass Sie viele BesucherInnen hatten?

Da hatten wir die Altstadtausstellung, den Brutalismus und Frau Architekt. Drei recht zugkräftige Ausstellungen.

Sie setzen auch dezidiert auf Eintritt?

Ja. In den Jahren haben wir über 300 000 € Eintritt erwirtschaftet. Das ist wichtig. Und dann gibt es Bücherverkäufe, Vermietungen, Sponsorings plus Zuwendungen von Stiftungen und so weiter.

Wie groß ist Ihre Mannschaft?

18 bis 20 feste Stellen. Aufsichten nur noch zwei, der Rest ist fremd gemietet. Es gibt vier Kuratoren, es gibt die Leitung, es gibt Archivpersonal. Es gibt den Registrar, RestauratorInnen, Werkstätten, Bibliothek und so weiter. Also bis Corona lief der Laden gut.

Gibt es einen Plan B für 2021?

Na ja, wir gehören zur Stadt Frankfurt. Unser ­Minus dieses Jahr wird verhältnismäßig zu den KollegInnen geringer sein. Aber: Wir werden gedeckelt werden. Und dann kommt die Wahl. Und nach der Wahl passiert das, was nach den Wah­len so passiert.

Zum Beispiel?

Da kommt jemand und sagt: Ich hab mir die Zahlen angeschaut, die sehen gar nicht gut aus.

Was könnte passieren?

Normalerweise kommt dann die Ansage, es müsse gespart werden. Auch – oder gerade? – bei der Kultur!

Aber die Sanierung und der Umbau des Hauses stehen?

Ja, das ist alles finanziert. Sanierung und Umbau kommen Ende nächsten Jahres. Wir ziehen vielleicht im Oktober aus, Corona dürfte dann noch immer ein Thema sein. Dann bereiten wir uns auf zwei, zweieinhalb Jahre Interim vor.

Was haben Sie sich für Ihre letzte Amtsperiode wesentlich vorgenommen?

Die Interims-Zeit wird spannend. Da werden wir Dinge lernen, was das Publikum angeht. Wir werden schauen, wie wir das Publikum an einen neuen Ort locken müssen, wir werden unsere Ausstellungen anders gestalten, je nachdem, wie das Publikum reagiert. Und die Presse!

Träumen Sie von irgendeinem ganz großen Thema?

Ja, natürlich. Von einer Ausstellung zu Behnisch. Aber das wird nicht klappen, denn zu seinem hundersten Geburtstag am 12. Juni 2022 sind wir dummerweise nicht im Haus, die Baustelle geht bis Ende 2023. Wenn alles klappt. Also Behnisch 2022 muss ich absagen, das weiß er aber noch gar nicht, der Stefan Behnisch.

Dürfen wir das denn drucken?

Ja, ich werde es ihm bald sagen.

Behnisch 102?

Eher nicht.

Nach dem Böhm 100 kommt Behnisch 102. Könnte mir gefallen!

Ja Ihnen. Aber im Jahr 2024 gibt es zum Beispiel 40 Jahre DAM. Wir haben schon seit Jahren an die Ungers-Schule gedacht. Aber die sind sich nicht sonderlich grün ... . Also es gibt schon Ideen, einige, und wir möchten im Archiv weiter vorangehen in der Digitalisierung. Das wird dann auch Folgen für die Ausstellung haben. Öffentliche Gelder sind jetzt die ersten da, ebenso die ersten Personen, da passiert was.

Die Zukunft des DAM ist offen, aber irgendwie auch nicht ...

Ich habe keine Sorge, dass wir ein spannendes Programm machen. Ich habe keine Sorgen, dass uns keine Themen einfallen oder nicht in Menge auf uns zukommen.

Was machen Sie, wenn Sie hier fertig sind?

Dazu habe ich mir noch keinen Kopf gemacht, dafür ist einfach noch zu viel zu tun.

Mit Peter Cachola Schmal, Direktor des DAM Deutsches Architekturmuseum Frankfurt a. M. unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 1.10.2020 im Auditorium des DAM.

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