Wohnen und Arbeiten verflechten Hybrid House
In Wilhelmsburg Mitte entsteht ein neues Stadtquartier. In der „Bauausstellung in der Bauausstellung“ experimentieren Architekten und Ingenieure mit neuen Materialien und flexiblen Grundrissen. Eines der Gebäude ist das Hybrid House von Bieling Architekten aus Hamburg. Der Entwurf des Hamburger Architekturbüros verbindet gekonnt Wohnen und Arbeiten in einem urbanen Solitär ohne, dass sich räumliche Überschneidungen ergeben. Dabei behalten die Grundrisse eine große Variabilität.
An prominenter Adresse in Wilhelmsburg Mitte, direkt neben dem Eingang der igs 2013, entstehen bis Mitte 2013 zehn Gebäude. Das Areal wird von der Bauausstellung als real gewordenes Labor im urbanen Kontext verstanden. In diesem Umfeld ist das Hybrid House von Bieling Architekten, Hamburg, entstanden. Der mit einer Holzfassade verkleidete kubische Solitär vereint Wohnen und Arbeiten. Zwei separate Eingänge trennen die auf vier Etagen verteilten Funktionen im Innenraum – für das Arbeiten liegt der Eingang im Osten, für das Wohnen im Norden, wodurch die Wohnungen nach Süd- und Nordwest orientiert sind und die Büroräume nach Nord- und Südost. Um die Trennung von Arbeiten und Wohnen auf den jeweiligen Ebenen konsequent beizubehalten, entwarfen die Architekten ein massives, verschachteltes Treppenhaus aus Stahlbeton, das zwei einzelne Treppenhäuser miteinander verzahnt.
Das dem Hybrid House zugrunde liegende Konstruktionsraster mit den Maßen 6,25 x 6,25 m beruht auf dem Prinzip der flexiblen und neutralen Nutzung. Das Raster ermöglicht einen freien Ausbau und das horizontale wie vertikale Zusammenschließen der Räume zu Maisonettewohnungen oder fließenden Büroräumen. Ehemals im Entwurf eine reine Holzkonstruktion, wurde schlussendlich aus Kostengründen eine Stahlbetonkonstruktion bevorzugt. „Mit dieser Entscheidung entfiel zwar der modulare Konstruktionsgedanke, doch blieb die komplexe bauphysikalische Projektierung“, sagt Ruppert Simon, Partner in dem am Projekt beteiligten Ingenieurbüro Bollinger + Grohmann, Frankfurt a. M., über diesen Entschluss. Daraus ergaben sich komplexe Kontenpunkte im gesamten Gebäude. Die Kopfanschlüsse der gründenden Stahlbetonfertigpfähle an die Bodenplatte detaillierten die Ingenieure genauso sorgfältig wie die Abfangung der Stützenachse mittels Verbundträgern unter der Tiefgaragendecke. Zudem war, durch die zwei Eingänge und die daraus resultierende Öffnung des Bauwerkskerns in eine Richtung, die Standsicherheit bei großen Windlasten gefährdet. Daher mussten die verbleibenden Wandpfeiler im Erdgeschoss mit einem Unterzug zu einem Rahmen gekoppelt werden. Um der Forderung nach Energieeinsparungen nachzukommen, die die EnEV um 30 % unterschreiten, trennten die Frankfurter Ingenieure die punktgestützten Deckenplatten in jedem Geschoss
in der Feldmitte mit Iso-Körben. Wo es die Geometrie nicht anders zuließ, verwendeten sie Vakuumdämmung. Stets behielten die Ingenieure das A/V-Verhältnis des Gebäudes im Auge, um Wärmebrücken zu minimieren. Denn im Verhältnis zum Gebäudevolumen ist die Fassade recht großflächig.
Die Fassade aus Lärchenholz besteht aus vorgefertigten Rahmenelementen. Sie umhüllt das kubische Gebäude – bricht in Fensterbändern komplett auf, lässt Ein- und Ausblicke durch Lamellen zu und verschließt sich wiederum an einzelnen Stellen komplett. Ähnlich einem 3D-Setzkasten, dem Elemente entnommen wurden, prägen Rücksprünge, Balkone, überdachte Austritte und Lufträume die Gebäudegestalt. Das Erscheinungsbild generiert sich aus dem Konstruktionsraster. Es ermöglicht das flexible Stellen der Wände. Damit geben die Architekten der bestimmten kubischen Geometrie eine leichte Fassade, die die Flexibilität im Innenraum nach außen abbildet. S.C.
Weitere Informationen unter DBZ.de
Webcode DBZ355EY
„Die erfolgreiche Umsetzung in ästhetischer, funktionaler und wirtschaftlicher Sicht ist unser Ziel. Im konkreten Fall des Hybrid House bedeutete das, den Entwurf von Bieling Architekten zu verstehen und mit einer passenden Konstruktion – d. h. Tragwerk, Bauphysik und Fassade – zu unterstützen.“
Simon Ruppert, Partner bei Bollinger + Grohmann, Frankfurt a. M.