»Zukunft als tägliche Herausforderung«
Als „einziger Experte für Wohnungsbau in der Bundesregierung“ gehandelt, macht sich Gunther Adler für ein Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen stark. Wir fragten ihn nach seinen Zukunftsstrategien.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, braucht die Baubranche als eine zentrale Säule deutscher Wirtschaft nicht ein eigenes Ministerium?
Gunther Adler: Wie der Baubereich eingebettet ist, ist die unmittelbare Folge der Koalitionsverhandlungen. Ich empfinde die Ansiedlung im Bundesinnenministerium, insbesondere mit Blick auf den Innen- und Heimatbereich, als glückliche Wahl. Als Bauabteilung profitieren wir beispielsweise sehr von dem direkten Draht zu den Kolleginnen und Kollegen aus dem Verwaltungs- und Verfassungsrecht, aus dem Bereich der Verwaltungsdigitalisierung oder aus dem Heimatbereich. Die Themen ergänzen sich gut. Eine echte Bereicherung für alle.
Kommen wir zur Zukunft. Wie sollte aus Ihrer Sicht ein Ministerium, das sich mit Zukunftsfragen des Bauens befassen muss, idealerweise aufgebaut sein?
Um ein Ideal zu erreichen, muss dem Ganzen ein Annäherungsprozess vorausgehen. Ich wünschte mir dafür gelegentlich ein Mehr an Flexibilität in der Bundesverwaltung genauso wie bei den Ländern oder dem einen oder anderen Bauamt. Darunter verstehe ich zum Beispiel mehr Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen und Ressorts. Natürlich stehen bürokratische Strukturen nicht unbedingt für Flexibilität. Aber ich finde wir haben in der Vergangenheit doch viel geschafft. Wir leisten viel und wir werden auch perspektivisch einen guten Job machen. Spätestens seit dem Wohngipfel im Bundeskanzleramt im September 2018 haben wir Themen auf dem Tisch, die unseren vollen Einsatz fordern. Der Bau von 1,5 Mio. Wohnungen zum Beispiel. Das ist eine echte Herausforderung. Eine Herausforderung, die wir meistern wollen.
Oder das Stichwort Klimaschutz. Ein anspruchsvolles Thema für das Bauen gleichermaßen wie für das Wohnen. Urbane Mobilität, materielle Sicherheit, ich könnte diese Liste unendlich fortführen. All diese Themen treiben den Baubereich an. All diesen Themen widmen wir uns im Bundesbauministerium.
Bekommt man mehr Beweglichkeit durch Dezentralisierung?
Wenn Sie den Föderalismus meinen, glaube ich, dass dieser im Baubereich ganz gut austariert ist. Und trotzdem gibt es Handlungsbedarf. Nehmen wir beispielsweise die Harmonisierung der Landesbauordnungen. So wie sich die Situation derzeit darstellt: ein absoluter Anachronismus! Warum muss denn die Höhe des Treppengeländers in Berlin eine andere sein als in Brandenburg?! Warum können wir hier nicht harmonisieren, ohne Gleichmacherei zu betreiben?
Ich glaube, die wesentliche Aufgabe von Politik ist es, einen stabilen Rahmen zu setzen, der Verlässlichkeit, aber auch Spielräume schafft. Natürlich muss man Entwicklungen aufgreifen können.
Wir sind noch nicht so richtig in der Zukunft, scheint mir … Lassen Sie mal die Baustaatssekretärsarbeitsfelder heute Geschichte sein und schauen wir auf die kommenden 20 Jahre. Wer oder was könnte da auf dem Bausektor eine ganz neue Rolle spielen?
Irgendjemand hat mal gesagt, Zukunft wäre leichter vorhersehbar, wenn sie nicht in der Zukunft liegen würde. Meines Erachtens sind Flexibilität und Experimentierfreude die Schlüsselwörter.
Nun denken Sie ja durchaus in der Breite und mit vielen Akteuren. Gibt es da – mit Blick auf die Zukunft – noch jemanden, den Sie mit ins Boot nehmen sollten?
Also, ich glaube, in der Bandbreite der Gesprächspartner sind wir schon sehr gut aufgestellt. Wir führen einen breiten Dialog. Für mich eine essentielle Basis. Entwicklung gibt es nur mit Freiheiten auf allen Seiten. Mit dem nötigen Mut führt das zu einer Experimentierfreude, die uns weiterbringt.
Aber auch der internationale Austausch ist mir wichtig. Wir blicken zu selten über den eigenen Tellerrand hinweg. Themen, die mich dabei besonders umtreiben, sind zum Beispiel die Konzepte Digitalisierung und Smart City. Da müssen wir dran bleiben, einen engen Austausch pflegen, den Dialog pflegen.
Gab es eine Entdeckung auf einer dieser Reisen?
Entdeckungen gibt es auf jeder Reise. Mein Ziel ist es, Neues aufnehmen und mich gleichzeitig zu versichern, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Werden sich Größe und Struktur der deutschen Architekturbüros in den kommenden 20 Jahren verändern?
Ich finde, dass wir in Deutschland gut aufgestellt sind. Da müssen wir uns international überhaupt nicht verstecken. Ob die Zukunft der Planerbüros die Zukunft der Großen sein wird? Möglich. Wer kann das schon vorhersehen?
Nun schauen Sie sicher nicht in die Glaskugel, wenn es um Zukunftsstrategien geht. Wer berät den Baustaatssekretär?
Zuerst verlasse ich mich natürlich auf die Kolleginnen und Kollegen in meinen Fachabteilungen. Die greifen Neues auf, bilden sich weiter, sind international unterwegs. Ich lasse mir beispielsweise von sämtlichen Auslandsreisen berichten und versuche immer, die Gespräche nicht auf den eigentlichen Anlass zu begrenzen. Darüber hinaus gibt es den Kreis der Vertrauten in den Verbänden und in den Kammern, mit denen ich auch fachübergreifend den Austausch suche.
Auch der Austausch mit Interessenvertretern ist wichtig, um deren Sicht auf die Dinge zu erfahren. Es geht darum, im Dialog zu sein. Auf und mit allen Ebenen.
Waren wir jetzt schon in der Zukunft? Ein vages Gefühl sagt mir Nein!
Also wenn Sie mir jetzt den Blick in die Zukunft abfordern und fragen, wie sieht Regieren und Verwaltungshandeln in den kommenden Jahrzehnten aus, prognostiziere ich, dass wir viel stärker ressortübergreifend arbeiten werden als bisher. Die Zeiten der klaren Trennlinien sind vorbei. Alles ist miteinander verwoben und vernetzt. Die Themen, die Deutschland bewegen, müssen gemeinsam bearbeitet werden. Darauf müssen wir uns einlassen, wenn wir am Ball bleiben wollen.
Nennen Sie mir eins?
Klimaschutz und Bauen zum Beispiel. Wenn wir hier gegeneinander arbeiten, werden wir nicht vorankommen. Gesundheit und Stadtentwicklung, auch hier brauchen wir gemeinsam erarbeitete Antworten. Das geht bis hin zu Verbraucherschutz und Stadtentwicklung. In Umsetzung der ressortübergreifenden Strategie Soziale Stadt fördert der Bund beispielsweise seit 2017 Modellprojekte „Miteinander im Quartier“. Dafür stehen bis 2020 jährlich 10 Mio. Euro zur Verfügung. Mindestvoraussetzung ist, dass sich zwei Ressorts zusammentun und gemeinsam ein Projekt entwickeln. Das gemeinsame Handeln wird – und sicher nicht nur hier bei uns – das Konzept der Zukunft sein.
Noch eins?
Smart City, ein Thema, welches wir schon lange im Fokus haben. 2017 haben wir in Hamburg die „Smart City Charta“ verabschiedet. Nicht als bloßes Dokument, sondern als Prozess, den wir fortschreiben müssen. Mobilität, Energieeffizienz, Abfallmanagement – Themen, die bei den Kommunen liegen und die wir unterstützen, indem wir ihnen das erforderliche Know-how zu Verfügung stellen.
Was wünschen Sie dem Bauen in Zukunft?
Freiraum, Kreativität und vor allem Mut. Dafür, dass vorhandene Freiräume stärker genutzt werden, mehr Experimentierfreude an den Tag gelegt wird und wir zu einem noch verlässlicheren Miteinander kommen.
Gibt es so etwas wie einen persönlichen Wunsch?
Ich wünsche mir Städte, in denen die Menschen gerne zusammenleben. Das mag banal klingen, ist aber eine der zentralen Herausforderungen für die kommenden Jahrzehnte. Denn das eigentlich doch so selbstverständliche Miteinander der Generationen und aller sozialen und kulturellen Schichten sehe ich tagtäglich mehr und mehr in Gefahr. Johannes Rau hat einmal gesagt: „Die Kommune ist der Ernstfall der Demokratie“. Genau so ist es.
Mit Baustaatssekretär Gunther Adler unterhielt sich DBZ Redakteur Benedikt Kraft am 15. November 2018 im Bundesinnenministerium.