Die eVergabe verstehen – und meistern

Elektronische Vergabeverfahren sind heute bei öffentlichen Planungs- und Bau-Ausschreibungen Pflicht. Gerade kleinere Büros tun sich jedoch immer noch schwer damit, passende Projekte zu finden oder die Anforderungen für Gebote zu erfüllen. Ein Leitfaden

In der aktuellen geopolitischen und wirtschaft­lichen Lage wird die Teilnahme an sogenannten Öffentlichen Aufträgen immer interessanter: „Öffentliche Vergabestellen schließen Verträge ab, damit Bauarbeiten getätigt und Dienstleistungen erbracht werden können. Diese Verträge machen ein Handelsvolumen von 2 448 Mrd. Euro aus, was zeigt, dass die öffentlichen Aufträge der EU ein wichtiger Motor für Wirtschaftswachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen und Innovation sind. Das 2014 vom Parlament und vom Rat angenommene Paket „Öffentliche Auftragsvergabe“ trägt Jahr für Jahr mit 2,88 Mrd. Euro zum BIP der EU bei. Außerdem haben die Vergaberichtlinien der EU insgesamt eine Erhöhung der Auftragswerte von weniger als 200 Mrd. Euro auf etwa 525 Mrd. Euro bewirkt.” So beschreibt es das Europaparlament im Factsheet Binnenmarkt  unter 2.1.10. „Öffentliches Auftragswesen“.

Nicht nur bei Schulen, Krankenhäusern oder Kitas besteht erheblicher Handlungsbedarf – auch der öffentliche Wohnungsbau steht zunehmend wieder im Fokus der Politik. Stellt sich die Frage, wo findet man entsprechende Aufträge und wie kann man sich erfolgreich um sie bewerben? Wo finden InteressentInnen Ausschreibungen und was können sie tun, damit sie zur Teilnahme aufgefordert werden? Und wenn sie etwas Passendes gefunden haben, was dann? Wer sich mit dem Thema beschäftigt, der findet schnell die folgenden zwei Quellen für Ausschreibungen: https://simap.ted.europa.eu/de für europaweite Ausschreibung und https://www.service.bund.de/Content/DE/Home/homepage_node.html für Ausschreibungen aus Deutschland.

Doch hier befindet sich nur ein Teil der Aufträge aus dem europäischen Binnenmarkt. Um den Aufwand gering zu halten, wird in viele Fällen im beschränken Wettbewerb oder freihändig vergeben. Doch dazu später.

Was findet man hier und warum?

Im Amtsblatt für Veröffentlichungen der EU (SIMAP) befinden sich alle im EU Binnenmarkt ausgeschrieben Verfahren oberhalb der so genannten EU-Schwellenwerte. Die gelten bei Bauaufträgen sowie Bau- und Dienstleistungskonzessionen ab 5,382 Mio. Euro  sowie bei Liefer- und Dienstleis-tungen ab 215 000 Euro. Für Oberste Bundesbehörden und vergleichbare Organisationen bereits ab einem Wert von 140 000 Euro. Auftraggeber müssen dann auf SIMAP veröffentlichen und tun auch gut daran, da neben den rechtlichen Folgen eines Verstoßes zum Beispiel auch Fördermittel und Ähnliches entzogen werden können oder zurückgezahlt werden müssen.

Die Suche nach dem gewünschten Auftrag kann über eine ganze Reihe von Kriterien erfolgen. Das vermutlich Treffsicherste ist das Common Procurement Vocabulary, kurz CPV-Code. Dieses „gemeinschaftliche Vokabular für öffentliche Aufträge” ist eine Klassifizierung für Leistungsbereiche (https://simap.ted.europa.eu/de/cpv). Kennt man den korrekten CPV-Code, findet sich der gewünschte Auftragsgegenstand recht schnell. Gleiches gilt für die meisten im Markt vertretenen Bekanntmachungsplattformen. Und von denen gibt es eine ganze Menge. Dem föderalen Aufbau Deutschlands geschuldet, gibt es neben Bund.de noch mindestens eine Bekanntmachungsplattform für jedes Bundesland. Oft stellen die Städte und Gemeinden ihre Bekanntmachungen zusätzlich auf der jeweiligen Homepage ein, um die regionalen Wirtschaftsteilnehmer, also die Planer­Innen und ArchitektInnen aus der Region zu erreichen. Die Vielfalt ist überwältigend. 

Zudem haben sich über die Zeit unterschiedliche Lösungen für die elektronische Vergabe entwickelt und am Markt etabliert  Das Problem:  Es entstand eine heterogene Welt mit unterschiedlichen Internetplattformen, die sich bezüglich ­Basistechnologie, Funktionstiefe und den eingesetzten Werkzeugen für die Bearbeitung stark unterscheiden. Ansätze wie die X-Vergabe, die die Interoperabilität zwischen den Systemen zum Ziel hatte, blieben bei der Bekanntmachung ­stehen. Zu komplex, zu unterschiedlich, zu föderal ist die Welt der eVergabe.

Die Planungsbüros stehen nun vor dem Dilemma, entweder selbst zu suchen oder jemanden mit der Suche zu beauftragen. Einer der bekannteren Anbieter ist die Vergabe24, ein bundesweites Angebot, an dem u. a. der Staatsanzeiger beteiligt ist. Hier können die PlanerInnen Suchprofile mit den für sie infrage kommenden Regionen und Auftragsgegenständen hinterlegen. Dies geschieht im Abonnement gegen ein Entgelt. Dann bekommen sie eine automatische Nachricht, wenn etwas Passendes für sie dabei ist. 

Doch vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt. Denn, wer sich seit dem 18. Oktober 2018 um öffentliche Aufträge bewirbt, der muss bei europaweiten und den meisten regionalen Verfahren ein elektronisches Angebot abgeben.

Daher enthält die gewünschte Bekanntmachung einen Link, der auf eine Internetseite verweist, in der die Vergabeunterlagen und alles Weitere zu finden sind. Bei dieser Seite handelt es sich meis­tens um eine so genannte Vergabeplattform. Diese ermöglicht die elektronische Teilnahme an der gewünschten Ausschreibung. Die BewerberInnen erhalten die Vergabeunterlagen und die Möglichkeit, sich anzumelden. Bei Interesse können sie zudem ihre Kontaktdaten an den jeweiligen Auftraggeber übermitteln. Gleichzeitig beschafft man sich so ein Postfach für die weitere Kommunikation im Verfahren und darüber hinaus. Zudem haben AuftraggeberInnen nun die Möglichkeit, die BewerberInnen künftig direkt zur Abgabe eines Angebots aufzufordern, da ihnen die Kontaktdaten nun vorliegen.

So erhalten die BewerberInnen Zugang zum ­regionaleren Markt. Und der ist durchaus interessant, denn die meisten Bauaufträge werden ca. 150 km um den Standort des Auftraggebers herum vergeben. Mit ein bisschen Eigeninitiative, z. B. durch intelligentes Nachfragen aus gegebenen Anlass, und schon könnte die Kontaktaufnahme erfolgreich sein. Dann gilt es den guten Eindruck zu verstärken, damit man bei künftigen Ausschreibungen direkt angefragt wird.

Weiterhin bietet eine Vergabeplattform die Möglichkeit, Angebotsdateien hochzuladen, Unterlagen (ggf. mit GAEB-Datei) herunterzuladen, Formulare elektronisch zu bearbeiten, Fragen an die Auftraggeber zu stellen, Antworten zu erhalten und schließlich Angebote sicher und rechtskonform abzugeben.

Ist die gewünschte Ausschreibung gefunden, gilt es also, sich gut vorzubereiten. Die detaillierte Beschreibung von Leistungen, Konzepte sowie Auszüge und Nachweise sind gefordert. Außerdem sind die technischen Voraussetzungen – von der Hardware bis hin zur notwendigen Bietersoftware und ggf. elektronischen Signaturen – zu beschaffen, damit die Teilnahme an der eVergabe gelingt.

Auch hier hilft das Vergabe24-Abo, mit diesem erhalten AbonnentInnen nämlich den Zugang zu verschieden Anleitungen, Checklisten und vielen nützlichen Informationen, die ihnen bei der Bearbeitung helfen sowie den inkludierten Zugang zum telefonischen Bieter-Support. Dieser unterstützt PlanerInnen bei der Einrichtung der notwendigen Infrastruktur und hilft, wenn die Angebotsabgabe nicht gleich gelingt. Er berät mit fundierten Wissen, muss aber scheitern, wenn der Hilferuf erst wenige Minuten vor dem eigentlichen Ablauf der Angebotsfrist erfolgt.

PlanerInnen sollten sich daher sorgfältig und frühzeitig vorbereiten: Vergabestellen und Anbieter offerieren zahlreiche Möglichkeiten dazu. Einige gehen sogar so weit, gemeinsam mit Kammern und kommunalen AuftraggeberInnen spezielle Videos und Schulungen zu konzipieren. Wichtig für BieterInnen: Sie sollten sich frühzeitig u. a. mit den eingesetzten Bieterwerkzeugen, deren Systemvoraussetzungen und der Notwendigkeit von elektronischen Signaturen auseinandersetzen. Das erspart Stress und Frust kurz vor dem Ziel. Denn eines ist sicher, die angebotenen Systeme funktionieren zu 99,99 % zuverlässig, mehrere zehntausendfach und teilweise schon seit fast 20 Jahren. 

Und noch eine gute Nachricht: Die Anforderungen bezüglich der elektronischen Signatur wurden in den vergangenen Jahren immer weiter reduziert. So war auf EU-Ebene lange der Besitz einer qualifizierten elektronische Signatur nach Signaturgesetz erforderlich, heute ist nur noch die sogenannte Textform, d. h. die Nennung des Namens in einem Formular notwendig.

Fazit: Der Schritt in die digitale Welt ist auch bei den Vergabeverfahren unausweichlich. Wer sich sorgfältig vorbereitet, hat jedoch gute Chancen, durch die eVergabe seinen Wirkunsgbereich zu erweitern – und einen Markt voller lukrativer Aufträge zu erschließen.

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