Die Schönheit des Materials

Text: Ina Lülfsmann/ DBZ




Für Roger Boltshauser war Anfang der 1990er-Jahre zunächst offen, ob er zukünftig Architekt oder Künstler sein würde. Heute ist der Kern seiner Arbeit zwar die Architektur, dennoch ist er seither auch als freier Künstler tätig. Nun ist eine umfangreiche Monografie im Triest Verlag erschienen, die beide Sphären zeigt. Das Buch veranschaulicht ausführlich die Vielfalt der gebauten Projekte Boltshausers. Ganzseitige Fotos zeigen nicht nur die fertigen Häuser, sondern stellen auch den Bauprozess und die verwendeten Baumaterialien in den Fokus. Große Schnittaxonometrien mit feinem Detailierungsgrad und Explosionszeichnungen veranschaulichen die Konstruktionen, die oft aus einem experimentellen Entwurfsprozess hervorgehen.

Bekannt wurde der Architekt 2002 mit den Gerätehäusern der Sportanlage Sihlhölzli. Sie zeigen bereits die Beschäftigung Boltshausers mit den Baumaterialien Erde und Glas. Stampflehmwände und Glasbausteine, aber auch Ziegel und Fliesen setzt er immer wieder und auf unterschiedliche Weise ein.

Das Case Study Steel House in Rapperswil-Jona, das Haus Rauch, das er für und mit Martin Rauch realisierte und der kürzlich fertiggestellte Ofenturm für das Ziegelei-Museum Cham sind Beispiele, wie Roger Boltshauser Bauen als Forschung begreift. Der Ofenturm in Cham basiert beispielsweise auf einer erstmals gebauten vorgespannten Lehm-Holz-Struktur. Er wurde von StudentInnen seiner Gastprofessur an der TU München entworfen und während einer Summer School der ETH Zürich gebaut. Die neuartige Konstruktion testete der Architekt zuvor, ebenfalls im Rahmen seiner Lehrtätigkeit mit einem Mock-up auf dem Gelände des Sitterwerks St. Gallen. Wer sich für Lehmbau interessiert, findet in diesem Buch zahlreiche Informationen und Erläuterungen zu den verschiedenen Konstruktionen, zudem ästhetisch veranschaulicht. Aber auch für alle, die gerne blättern, stöbern und sich von schönen Bildern inspirieren lassen, ist das Buch eine Empfehlung. Nicht nur die abstrakten Zeichnungen von Boltshauser, die jedes Projektkapitel einleiten, sind eine Freude für die BetrachterIn, ebenso das erstmals publizierte freie künstlerische Œuvre Boltshausers am Ende des Buches. Auch diese Werke zeigen sein Verständnis für die Schönheit der Proportionen. 

Roger Boltshauser 1996-2021. Hrsg. v. Martin Tschanz. Triest Verlag, Zürich 2021, 536 S., mehr als 1000 Abb. u. Pläne90€, ISBN 978-3-03863-057-9
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