Insgesamt empfohlen
Text: Ina Lülfsmann/ DBZ
Der Bautyp Hochhaus wird meist als eine „architektonische Blackbox“ wahrgenommen, so die These von Falk Schneemann, Autor des Buches „Das Hochhaus als Gewebe von Gestaltung und Technik“. Die (wissenschaftliche) Beschäftigung mit dem Hochhaus beschränke sich meist auf die äußere Erscheinung oder auf die Wechselwirkungen mit Stadt und Umwelt. Die so entstandene Forschungslücke über die innere Logik, Struktur und Typologie des Hochhauses schließt der Autor mit einer systematischen und ausführlichen Analyse mit Schwerpunkt auf den Bauten und Projekten in Westdeutschland zwischen 1945 und 1980. Er greift dabei sieben Entwicklungslinien des Bautyps auf (Schneemann nennt sie „Genesepfade“ unter Bezug auf Gilbert Simondons Untersuchung zur „Existenzweise technischer Objekte“), anhand derer er die Entstehung des Hochhauses von seinen frühen Anfängen Ende des 19. Jahrhunderts (als beinahe willkürliche Struktur ohne innere Logik) bis zum Ende des Betrachtungszeitraums 1980 darstellt.
Das Hängehochhaus und die brutale Konstruktion führten beispielsweise zu Verbesserungen der inneren Logik des Hochhauses, wie Schneemann erläutert, haben aber als Bauform an sich später kaum noch Relevanz. Den Verbundkern dagegen, der die Funktionen der Aussteifung, der vertikalen Erschließung und Verteilung der Haustechnik sowie der Fluchtwege vereint (und aus heutiger Sicht zwingend logisch erscheinen mag), sieht Schneemann als am bedeutsamsten für die Entwicklung des Hochhauses an. Die umfangreichen Ausführungen über die Entstehung des „Gewebes“ Hochhaus aus Gestaltung und Technik – auch dies ein Bezug auf Simondon, demzufolge ein technisches Objekt erst völlig ausgereift ist, wenn sich Technik und Gestaltung gegenseitig befruchten und ein stimmiges Gewebe bilden – vermitteln den Leser:innen nicht nur Erkenntnisse zur Geschichte des Hochhauses und seiner inneren Struktur, sondern auch über die systematische Analyse dieser Bautypologie.
Das Buch ist auf der Grundlage der Dissertation von Falk Schneemann am Karlsruher Institut für Technologie entstanden und hat eine klare, der wissenschaftlichen Argumentation folgende Struktur. Die ausgewählten Bauten werden im Projektkatalog am Ende des Buches gezeigt – je Gebäude eine Seite mit Grundriss, einem Foto und Eckdaten. Das macht das Lesen der Texte zuweilen mühsam, da zwischen Text- und Bildteil hin und her geblättert werden muss. Ansonsten achteten die Gestalter:innen des Buches auf Lesekomfort – Serifenschrift in angenehmer Größe, Zwischenüberschriften, ein Einband, der das Aufschlagen und Blättern unterstützt.
Insgesamt sei das Buch für alle Planer:innen von Hochhäusern als Grundlagenlektüre empfohlen sowie für alle, die sich für die Geschichte und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Hochhauses an sich sowie die Entwicklung einzelner Hochhaustypologien interessieren.