Die Welt ist nicht genug
DBZ Heftpartner:innen Stefanie Weidner und Roland Bechmann, Werner Sobek AG, Stuttgart/Koppenhagen
Stefanie Weidner,
Roland Bechmann
Werner Sobek AG, Stuttgart
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Unser aller Handeln ist geprägt vom Streben nach Mehr: Mehr Konsumgüter, Komfort, Mobilität. Unsere jetzige Art zu leben ist aber nicht mit den Kapazitäten unseres Planeten kompatibel. Würden alle Menschen so leben wie wir in Deutschland, bräuchten wir die Erde mehr als 2,5mal. Zum Ressourcenverbrauch kommen das Müllaufkommen und die Treibhausgase, beides Aspekte, die direkt mit dem Ressourcenverbrauch korrelieren. In Deutschland konnten die Emissionen im vergangenen Jahr nur um knapp zwei Prozent gesenkt werden – viel zu wenig, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens auch nur annähernd einhalten wollen. Noch ist dies möglich. Doch wir müssen als globale Gemeinschaft handeln. Und zwar jetzt, und sehr viel radikaler als bisher. Dem Bauwesen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Jedes Jahr entnehmen wir der Erde knapp 100 Mrd. t Biomasse, fossile Brennstoffe, Metalle und Mineralien – ca. die Hälfte davon ist dem Bauwesen geschuldet. Innerhalb der letzten drei Jahrzehnte wurde so laut WWF mehr als ein Drittel der globalen natürlichen Ressourcen verbraucht. Bereits jetzt verursachen wir also einen unglaublichen Raubbau an der Natur. Eine Anpassung des Lebensstandards einer Mehrheit der Weltbevölkerung an unser eigenes Niveau würde diese Situation weiter verschärfen. Eine Welt ist definitiv nicht genug. Was sind die Alternativen?
Die Einführung einer möglichst geschlossenen Kreislaufwirtschaft ist wichtiger Bestandteil der Lösung. Wir dürfen nicht die Fehler der vergangenen Jahrzehnte wiederholen und reihenweise Gebäude abbrechen und entsorgen. Unsere Gebäude müssen vollständig in technische oder biologische Kreisläufe rückführbar sein und möglichst ohne Primärrohstoffe auskommen. Bauteile und -produkte müssen reversibel gefügt werden, sämtliche Inhaltsstoffe langfristig für Mensch und Natur unbedenklich sein. Aber woher kommen die Baustoffe, die all diese Anforderungen erfüllen, wer plant und verbaut sie – und wer stellt sicher, dass sie später wieder in den Kreislauf zurückfließen? Kurz: Wie gelingt die Transformation des Bauwesens?
Wiederverwendung und -verwertung sind wichtig. Sie können aber nur bedingt Abhilfe schaffen. Zum einen: Jeder Verwertungsprozess ist mit einer Verlustrate verbunden. Zum anderen: Es gibt momentan viel zu wenige Sekundär- bzw. nachwachsende Rohstoffe, um den weltweiten Bedarf für Neubauten zu decken. Was bedeutet das nun für uns als Planende? Einfach weitermachen wie bisher? Sicher nicht!
Architekt:innen und Ingenieur:innen können einen zentralen Beitrag leisten. Unsere Kreativität und die Fähigkeit zum multidimensionalen, interdisziplinären Denken sind gefragter denn je. Gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass die Transformation des Bauwesens nur dann gelingen kann, wenn sie Teil eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses ist. Jeder Schritt in die richtige Richtung zählt. Es ist aber unmöglich, alles sofort und im Alleingang zu erreichen. Für spür- und sichtbare Änderungen brauchen wir alle Beteiligten im gleichen Boot: die politischen Entscheidungsträger:innen ebenso wie Bauherrschaften, Produktindustrie und ausführende Firmen. CO2-reduzierte bzw. rezyklierte Materialien müssen ebenso wie Emissions- und Gebäuderessourcenausweise verpflichtend werden. Der Abbruch funktionierender Bausubstanz muss künftig die Ausnahme sein, nicht länger die Regel.
Das Wichtigste ist und bleibt aber: Wir müssen in Zukunft wesentlich effizienter und leichter bauen als bisher – nicht nur, indem wir unsere Bauwerke kreislauffähig machen, sondern auch, indem wir die Menge der verbauten Ressourcen drastisch reduzieren. Masseneinsparungen von 50 Prozent und mehr sind schon jetzt technisch möglich. Die Zeit drängt, lasst uns also gemeinsam vorangehen, Wissen miteinander teilen und so die Vision einer lebenswerten Umwelt erhalten. Wir freuen uns auf die Zukunft!