Ein dickes Buch
Das Buch hat ein dezent längliches Format, ist gediegen dick und auf dem Umschlag seines Leineneinbands mit feingeschnittenen Versalien bedruckt, die ein leuchtendes Gelborange sind, wie auch die Buchdeckelinnenseiten. Die Farbe evoziert – vom Gestalter gewollt oder nicht – die 1970er-Jahre, also die Zeit, in welcher der Architekt Walter von Lom sein Büro in Köln gründete (1972). Der heute 85-jährige Architekt, gebürtig aus Krefeld, hat in seiner etwa vier Jahrzehnte umfassenden Schaffenszeit hunderte Bauten realisiert, einige davon längst unter Denkmalschutz, andere längst Stadtgeschichte, wieder andere vom Abriss bedroht oder schon verschwunden. Walter von Lom, geprägt von den beiden Schürmanns, ein Bewunderer Scarpas, hat eigentlich alles gebaut, was typologisch zu bauen ist: Büro, Konsumtempel, Wohnhäuser, Kirchen, Gewerbe, Museen, Verwaltung, Bibliotheken oder Seniorenresidenzen … So nannte man das damals noch. Stadtplätze hat er gestaltet, Sportbauten.
Warum ein dickes Buch über das Werk? Meist sind Arbeiten dieser Art eine Art Resümee, ein Strich unter alles, eine Sentimentalität, natürlich aus eigener Tasche finanziert; Verlage verdienen mit dem Machen, weniger mit dem Verkauf. Andererseits kann man sich fragen – muss man! –, was wäre, gäbe es dieses Buch nicht? Ich würde immer noch in Köln die Burgmauer langlaufen und mir bei dem Backsteinbau linkerhand (Dom im Rücken) sagen, dass das wohl eine Architektenarbeit sein muss … Dass das der katholischen Kirche zugehörige Wohnhaus ein Entwurf von Loms ist, weiß ich jetzt, nach der Lektüre.
Beim Blättern, dem Hineinlesen in das bildervolle Buch entdecke ich viele Bekannte (weil häufig im Köln-Bonner Raum reisend), wundere mich über deren Missachtung meinerseits bisher. Freue mich darüber, dass der viel zu früh verstorbene Andreas Denk – der vor diesem Buch bereits eine Ausstellung mit Arbeiten von Loms unter gleichem Titel 2019 gemacht hat – hier soviel Raum für seine Fragen und von Loms Antworten erhalten hat, welche die vielleicht zentralen Arbeiten des Büros lebendig werden lassen und trotz aller so wunderbar lebendiger Gesprächsatmosphäre beste Dokumentation sind.
Ob man dem Architekten sein Faible fürs Weiterbauen, für die Ergänzung und Einfügung als etwas Zentrales umhängen möchte oder lieber nicht, die gut gestaltete und sympathisch subjektive Dokumentation erschließt uns – gerade über die hier sehr präsenten Gespräche – eine entscheidende Zeit deutscher Architekturgeschichte, die doch die Grundlage ist für das Meiste von dem, was heute eher wie mechanisch reproduziert wirkt, wurzellos im Mainstream internationaler Baugeschäftigkeit und trotz aller Versprechungen so wenig nachhaltig, wie das Bauen von Neuem immer noch wenig nachhaltig ist.
So wird die Lektüre zur durchaus auch stimmungsvollen, atmosphärisch dichten Zeitreise, die weit davon entfernt ist, eine Sentimentalität zu sein. Eher das kleine Glück Wiederbegegnung und Erkenntniszugewinn. Mit Werkverzeichnis. Be. K.