Einsteinturm in Potsdam wieder einmal saniert
Kennen Sie den Einsteinturm? Oder Mendelsohn-Turm in Potsdam? Letzterer Name ist nicht der korrekte, aber gerade Architektinnen verwenden diesen Namen häufiger. Ein gebauter Bauschaden, eine Ikone, ein Wunderwerk, eine Architektur auf dem Potsdamer Telegrafenberg, die bis heute das macht, wofür sie gebaut wurde: Sie dient als Sonnenteleskop. Ein Besuch der frisch sanierten Bauschadenskulptur.
Text: Benedikt Kraft / DBZ
Im zurückgeschnittenen Wald: der Einsteinturm
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Viele werden den Einsteinturm, der von 1920–1922 nach Entwürfen des Architekten Erich Mendelsohn errichtet wurde, von einer Skizze kennen, die wohl bekannter ist als der Turm selbst: Mit dickem Stift auf – mittlerweile – vergilbtes Papier geschwungen, ist die Skizze exakt das, was man heute sieht: ein organisch geformter, wunderbar plastisch wie zugleich in der Realisierung überraschend gedrungener Baukörper. Überrascht ist man – wenn man die letzte Sanierung 1997–99 nicht vor Augen hat – auch vom fehlenden Weiß: Der Turm steht in einem hellen Pastelllgelb vor den grünen Bäumen, die man nun, im Rahmen der zweiten großen Sanierung, auf mehr Distanz gebracht hat. Auch durch ihre Reduktion.
Warum nach 22 Jahren eine zweite Sanierung? Eine Frage, die wir auch dem Projektarchitekten, Gerald Kühn-von Kaehne stellten (S. 12f.). Hatte das, was 1997–99 gemacht wurde, nicht ausgereicht für einen längeren Zeitraum? Wurde das nach Albert Einstein, dem Nobelpreisträger für Physik von 1921, benannte Baudenkmal übergenutzt? Oder gar vernachlässigt? Die Wüstenrot Stiftung, die zahlreiche vergleichbar wichtige Bauten der jüngeren Architekturgeschichte im Sanierungsprogramm hatte und noch hat, macht ihre Beteiligung davon abhängig, dass das Bauwerk noch oder wieder genutzt werden muss. Eine rein museale Konservierung wird von ihr nicht unterstützt. Und wirklich diente der Turm ohne Unterbrechung und bis heute als Sonnenteleskop, das vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) betrieben wird.
Foyer mit eleganter Treppe
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Im Gespräch mit dem Projektarchitekten Gerald Kühn-von Kaehne antwortete dieser auf die Frage, ob es denn Sinn mache, ein Gebäude mit seinen wesentlichen Baufehlern erhalten zu wollen mit einem nachdrücklichen „Ja, unbedingt!“ Womit auch klar ist, dass selbst bei sorgfältiger Behandlung der Ikone entlang des gerade in Erstellung seienden Pflegeplans eine weitere Sanierung ansteht. Wann allerdings, ist weniger klar; der Architekt hofft auf 50 Jahre. Allerdings müssten die Fassaden jährlich gereinigt werden, kleine Schäden dort gleich ausgebessert, überhaupt der Turm in der ständigen Obacht der Nutzerinnen stehen.
Das Homogene ist nur Anschein
Hauptschäden (Risse) entstehen durch unterschiedliche Ausdehnungen der gegeneinander arbeitenden Materialien Ziegel und Beton. Zwar wirkt der Bau unter dem farbigen Putz als homogene Bauskulptur, als eine Form, die aus einem Material gearbeitet wurde, doch das Homogene ist eben nur der Anschein. Vor 100 Jahren war die Betonier-/Schal-/Rechenkunst noch nicht so weit, eine solche Freiform zu realisierten. Neben diesem Dauerschaden gibt es Flächen, deren Horizontalität ihr schnelles Abtrocknen verhindern: Staunässe. Hier wurde mit Putzen und Farben mit Mikrobewehrung gegengesteuert, also der Schadenseintritt hinausgeschoben. Leckagegefahr an bituminös gedichteten Dächern wurde durch neue (Zink-)Dächer mit zusätzlich unterlegter Dichtfolie reduziert. Der vorhandene Holzschaden in der motorisch drehbaren Dachkonstruktion über dem Zölostat – zwei bewegliche Spiegel, die das Sonnenlicht in das feststehende Turmteleskop lenken – hätte bei schnellerem Erkennen/Eingreifen minimiert werden können.
Wie vor 100 Jahren:
Öffnung der Turmkappe per Hand
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Dass der Einsteinturm saniert und damit für die kommenden Arbeiten am AIP als Großinstrument erhalten werden konnte, ist nicht nur aus architekturhistorischer Sicht eine gute Nachricht. Das AIP kann nun wieder von Lernenden genutzt werden, wie es zugleich große Forschungsprojekte am European Extremely Large Telescope (E-ELT) in Chile vorbereiten helfen kann.
Führungen im Haus sind möglich
Damit erhalten nicht nur der Bau, sondern mit ihm Ort und Geschichte ihre Bedeutung für die Wissenschaft, für den Wissenschaftsstandort. Wir können jetzt wieder dem Telegrafenberg einen Besuch abstatten, den Turm mit seiner Turm-in-Turm-Teleskop-Konstruktion erleben. Die URANIA Potsdam bietet noch bis April 2024 an jedem ersten Samstag im Monat um 10 Uhr eine Führung über den Wissenschaftspark inkl. Besuch Einsteinturm an (www.urania-potsdam.de). Wer nicht die Möglichkeit eines Besuchs hat, kann sich über die „Einsteinturm Revisited“ (www.einsteinturm.com) ebenfalls über das spannende Projekt informieren.
Im Spektographenraum steht neueste Technik am Ende des höchst effektiven Teleskoptubus mit 14 m Brennweite
Foto: Benedikt Kraft / DBZ