Fuß- und Radwegbrücke, Balingen
Gartenschauen sind immer auch eine Gelegenheit, die Vorzüge und Besonderheiten einer Region in Szene zu setzen. In Balingen gehört dazu die Eyach, ein Nebenfluss des Neckars, der entlang der Altstadt fließt. Moxon Architects aus London und das Ingenieurbüro IB-Miebach aus Lohmar haben die Gelegenheit genutzt, um die Flusstopografie mit einer Holz-Hybrid-Brücke zu queren – und zu umschmeicheln.
Leicht und stabil: Für die neue Fußgängerbrücke über die Eyach entwickelten Moxon Architects und IB-Miebach eine Hybridkonstruktion aus Holz und Stahl
Foto: Moxon Architects Ltd
Architektonisch ist das Wahrzeichen Balingens schwer zu toppen: Über wehrhaften Mauern aus Feldsteinen, die sich über mehrere Etagen ziehen, thronen zwei schmuck herausgeputzte Fachwerkhäuschen mit roten Krüppelwalmdächern. Und zu Füßen des über einen Wehrgang erschlossenen Wasserturms im gleichen Kleid stürzt das Flüsschen Eyach pittoresk die Stautreppen herab. Zwar ist das heutige Ensemble lediglich eine Rekonstruktion mit Originalteilen aus den 1930er-Jahren der Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Stadtburg des Grafen Zollern-Schalcksburg – ihre Bedeutung als Wahrzeichen Balingens schmälert dieser Umstand jedoch nicht. Eine Art mittelalterliches „Fallingwater“. Die Geschichte der Stadt aus Holz und Steinen.
Konstruktiver Schutz: Durch Schindelbleche und die Neigung der Brüstung nach außen sind die konstruktiven Holzbauteile vor Regen geschützt
Foto: Moxon Architects Ltd
Die Gegenwart der Stadt aus Holz und Stahl findet sich dagegen etwa einen Kilometer nördlich des Zollernschlosses: Die neue Fußgänger- und Radbrücke von Moxon Architects und dem Ingenieurbüro IB-Miebach ist im Zuge der Gartenschau 2023 in Balingen entstanden. Der Vorgängerbau war den Anforderungen an den Hochwasserschutz nicht mehr gewachsen und musste weichen. Moxon und Miebach entschlossen sich mit ihrem Wettbewerbsbeitrag den Fluss und seine Topografie aufzunehmen, anstatt ihn lediglich als Hindernis zu betrachten. Das war ganz im Sinne der Veranstalter, die ihre Schau als grünes Band entlang der Eyach planten. Moxon und Miebach gewannen so nach mehreren Anläufen ihren ersten gemeinsamen Wettbewerb. „Es ging uns darum, mehrere Routen innerhalb des Parks elegant miteinander zu verbinden und die Brücke gleichzeitig möglichst behutsam in die Landschaft zu integrieren“, beschreibt Ezra Groskin den Designprozess, bei dem die Architekten gemeinsam mit den Bauingenieuren von IB-Miebach auf eine interessante Lösung kamen: „Einerseits wollten wir die Eyach möglichst hoch über dem Wasserspiegel queren, um maximale Flutsicherheit zu erhalten, andererseits wollten wir Rampen vermeiden, um den Fußverkehr barrierefrei zu halten und die organische Linienführung der Ufer nicht zu stören.“
Die dauerbelastete Holzbeplankung der Brücke kann nach Ende der Lebenszeit kostengünstig und ressourcenschonend ausgetauscht werden, ohne die tragenden Teile zu beeinflussen
Foto: Moxon Architects Ltd
Heraus kam dabei eine Tragkunstruktion, bei der die Brüstungen aus Brettschichtholz gleichzeitig den Hauptteil der Last tragen. Der Stahlrahmen bildet dabei die Klammer, welche die wuchtige Holzkonstruktion zusammenhält. Die Seitenteile der Stahlkonstruktion sind dabei mit 112,5 ° nach außen geneigt, was der Brücke eine einladende, großzügige Anmutung gibt, obgleich die Fußgängerinnen quasi innerhalb des statischen Betriebsraums der Brücke spazieren gehen. Die außenseitige Neigung von 30 ° hat aber auch noch eine andere Bewandnis: „Durch die Neigung war es uns möglich, die tragende Holzkonstruktion so durch die Brüstung zu überdecken, dass sie einem Minimum an Feuchtigkeit und Regenwasser ausgesetzt ist“, sagt Frank Miebach, Inhaber des Ingenieurbüros. Durch diesen kleinen konstruktiven Trick sei die Lebenszeit der Brücke vergleichbar mit einer aus Stahl oder Beton. Auch eine chemische Behandlung der Holzbauteile gegen Verrottung sei nicht nötig gewesen. Die habe meist ohnehin dazu geführt, dass Holzbrücken aus der jüngeren Vergangenheit nur wenige Jahrzehnte in Betrieb waren. „Für unsere Konstruktion gehen wir derzeit von einer Lebenszeit von etwa 100 Jahren aus, so, wie es auch der Eurocode für Holzbrücken, der im kommenden Jahr vorgestellt wird, fordert.“ Nur die Beplankung der Lauffläche, so Miebach, müsse in 20 bis 30 Jahren erneuert werden – mit vergleichsweise geringem Arbeits-, Kosten- und CO2-Aufwand.
Das zweifache gekrümmt Design der Brücke ergibt sich durch Spiegelung der Bauteile
Foto: Moxon Architects Ltd
Wie aber sieht es aus, wenn zunehmende Regenfälle höhere Fluten unter der Brücke durchleiten als bisher gedacht? „Das ist gar kein Problem. Die Holzteile sind so ausgelegt, dass sie bis zu zwei Monate im Jahr erhöhte Feuchtigkeit aufweisen dürfen“, erklärt Miebach. Die Höhenvorgaben für die Brücke seien zudem das Ergebnis eines hydrologischen Gutachtens, das auch den Klimawandel im Blick hatte und eine zusätzliche Toleranz von 100 cm gefordert habe. „Allerdings kommt mit mehr Regen auch mehr Treibgut und, wie bei den meisten Brücken, kann das auch hier zu unvorhersehbaren Schäden führen.“ Die verwendete Fichte sei jedoch widerstandsfähig genug, um erwartbare Stöße auszuhalten.
Die 40 m lange Brücke überspannt die Eyach mit undramatischer Eleganz und überlässt dem Fluss so das Rampenlicht
Foto: Moxon Architects Ltd
„Holz ist ein ideales Material für den Brückenbau und Moxon ist ein sehr erfahrenes Büro im Brückenbau“, sagt Frank Miebach. Gemeinsam habe man die Grenzen von Design und Konstruktion ausgelotet. „Die laminierten Hölzer lassen sich sehr einfach und präzise in Form biegen, dadurch konnten wir den eleganten Schwung der Brücke so ausbilden, wie von den Architekten gewünscht.“ Dabei sei das eine Teilstück ein Spiegelbild des Gegenüberliegenden, wodurch eine asymmetrische, fließende Geometrie entsteht, die sich dem Flussbett anpasst, anstatt es zu dominieren. Für das Material spräche aber noch mehr, als die einfache Bearbeitbarkeit: „Für unser Büro ist es eine Mission, die Qualitäten des Baustoffs zu erkunden“, sagt Miebach. „Es ist leicht, robust und hat eine ausgezeichnete CO₂-Billanz. Wir suchen daher permanent nach Wegen, alte Techniken im Holzbau mit modernen Anwendungen und Ansprüchen zu verbinden.“ Derzeit sei eine weitere gemeinsame Brücke in Planung, dieses Mal handele es sich um einen Holz-Beton-Hybriden. In beiden Fällen ermögliche es Holz, deutlich leichter, schneller und klimafreundlicher zu bauen als mit Stahl oder Beton allein.
„Es ist die Verbindung aus Handwerkskunst und Hightech, die das Projekt für uns so interessant gemacht hat“, sagt Ezra Groskin und ergänzt schmunzelnd, „dabei haben wir viel über Geometrie gelernt.“ Die Kombination aus dem ausführlichen Designprozess und dem Fachwissen der Ingenieure habe dabei zum Erfolg geführt. Und dass Holz das Potenzial hat, Geschichte zu schreiben, beweist das Zollernschloss den Balingerinnen und Balingern ja bereits seit Jahrhunderten.
Querschnitt, M 1 : 50
1 Geländerabschluss Rundrohr
2 Geländerpfosten
Flachstahl
3 Handlauf
Rundrohr
4 Trägerabdeckung
Aluminium mit CLIP-Haltern unterlegt, Stoßmaß
passend zu Geländerpfosten, Längskanten mit Tropfkanten, Oberfläche beschichtet
Unterkonstruktion aus Holzwerkstoffplatte und Belüftungsebene einschließlich Einflugschutz
5 Verschalung
vertikale Profilschalung mit Nut und Feder, zu Prüfzwecken demontierbar
6 Belagsbohlen
Bohlen aus glasfaserverstärktem Kunststoff mit wasserdichtem Schloss, rutschhemmend
7 Längsträger
Belagsunterkonstruktion aus Brettschichtholz, oberseitige Abdeckung mit EPDM-Streifen
8 Entwässerungsrinne
Längsrinne aus Edelstahl
9 Rahmen und Verband
Stiele QRo
10 Hauptträger
Blockverleimter Holzträger aus Brettschichtholz Gl30c, Holzart: Fichte
oberseitg mit diffusionsoffener Folie abgedeckt
11 Leerrohre
5 x Leerrohre für unterschiedliche Medien mit Zugdraht
⇥Jan Ahrenberg/DBZ
Projektdaten
Objekt: Parkufersteg Balingen
Standort: Balingen
Typologie: Geh- und Radwegbrücke, Dienstfahrzeug mit 5 t Gesamtgewicht
Bauherr/Bauherrin: Stadt Balingen
Architektur: Moxon Architects, London/GB, www.moxonarchitects.com.
Ingenieurbüro Miebach, Lohmar, www.ib-miebach.de.
Team: Moxon: Ezra Groskin, Ingenieurbüro Miebach: Lukas Osterloff, Fabian Wolf, Dominik Niewerth
Tiefbau: Gottlob Brodbeck GmbH Co. KG, Metzingen, www.g-brodbeck.de.
Brückenbau: Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG, Schwäbisch Hall,
www.schaffitzel.de
Bauzeit: Juni 2021 bis April 2023
Fachplanung
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Miebach, Lohmar
Objektdaten
Brückenlänge: 46,30 m
Stützweite: 40,83 m
Nutzbreite zwischen Geländer: 3,0 m mit Aufweitung zu den Widerlagern auf 5,0 m
Baukosten: 1,06 Mio. €