Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Morgen baut vor meiner Haustür eine Spinne ihr Netz – unermüdlich baut sie dabei mit der Spinnenseide eine unglaublich stabile Konstruktion, den perfekten Leichtbau mit erstaunlicher Spannweite bei geringem Materialeinsatz. Die scheinbar doch so einfache Konstruktion hält allen Winden, großen Lasten und Erschütterungen erfolgreich stand. Und schnell gebaut ist so ein Netz auch.
Schon immer nimmt der Mensch die Natur zum Vorbild für seine eigenen Erfindungen, so auch beim Membranbau oder Brückenbau. Letzterem widmen wir uns in dieser Ausgabe.
Wo kann Material eingespart werden? Welcher Materialmix eignet sich besonders und welche Innovationen gibt es im Brückenbau? Diese Fragen beschäftigt auch das Ingenieurbüro „formTL ingenieure für tragwerk und leichtbau gmbh“ bei seiner täglichen Arbeit. Die Experten für Leichtbau aus Radolfzell am Bodensee haben als Heftpartner diese Ausgabe begleitet. Gemeinsam mit den Partnern Jürgen Trenkle und Bernd Stimpfle haben wir die Chancen, Herausforderungen und Grenzen des Leichtbaus bei der Konstruktion von Brücken erkundet.
Vier Brückenbauten unterschiedlicher Typologien stellen wir Ihnen in diesem Heft näher vor. Den Auftakt macht die Fuß- und Radwegbrücke in Varvsbron Helsingborg (Schweden), deren Komplexität die Ingenieure von form TL beeindruckte. Das Brückenwerk zeige, wozu Ingenieure im Brückenbau heute schon in der Lage sind (S. 24 ff.). Ein gutes Beispiel für einen effizienten Materialeinsatz im Brückenbau gibt die Fuß- und Radwegbrücke aus Balingen. Als hybride Konstruktion aus Holz und Stahl erzielt sie eine beeindruckende Spannweite, wobei die verwendeten Werkstoffe an die Grenzen der Belastbarkeit geführt wurden (S. 30 ff.). Dem Idealtypus einer Leichtbaubrücke kommt die Fußgängerbrücke „La Troche“ im französischen Saclay sehr nah. Aufgrund ihrer reduzierten Gestalt ähnelt sie einem temporären Bauwerk (S. 36 ff.). Die Stadtbahnbrücke in Stuttgart hat in vielerlei Hinsicht Vorbildcharakter – und das nicht nur, weil sie ein seltenes Beispiel eines Infrastrukturbaus in Leichtbauweise ist, sondern auch aufgrund der intelligenten Konstruktion, die auch visuell überzeugt (S. 42 ff.).
Diese vier Bauwerke zeigen, welches Innovationspotential im Brücken- wie im Leichtbau steckt. Nachdem wir uns nun vier Wochen intensiv mit dem Thema beschäftigt haben, sehe ich Brücken mit neuen Augen. Es war eine spannende Reise, bei der ich viel gelernt habe.
Seien Sie neugierig, was wir für Sie vorbereitet haben! Und bewundern Sie die effiziente Arbeit der Spinnen, wenn Sie das nächste Mal ihre perfekte Arbeit sehen.
Viel Freude beim Entdecken wünscht Ihnen
Heide Teschner, DBZ