Klar gezeichnete Konstruktion
Donaubrücke, Günzburg
Seit dem Sommer 2011 fügt sich ein neues Verkehrsbauwerk in die idyllische Donaulandschaft ein. Wer am Abend aus Richtung Dillingen kommend auf der B16 die Donau quert, erlebt wie die neue Brücke in Günzburg in farbiges Licht taucht. Farbspiel hin oder her – die Brücke ist auch bei Tageslicht ein „Hingucker“. Dann zeigt sich die Konstruktion in all ihrer Klarheit. Jürgen Schmidt und Peter Radl von den SSF Ingenieuren gewannen den Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013 in der Kategorie Brückenbau.
Die verkehrsgünstige Lage der heute etwa 20 000 Einwohner zählenden Stadt Günzburg, 30 km östlich von Ulm gelegen, erkannten schon die Römer, die hier ein Kastell errichteten, um den Donauübergang zu sichern. Um 1760 verlief die Poststraße von Wien nach Paris über den Marktplatz. Heute ist die Autobahn A8 von Stuttgart nach München die entscheidende Anbindung. Die SSF Ingenieure aus München untersuchten 2008 einen Ersatzneubau für die bestehende Fachwerk-Brücke von 1948, die dem wachsenden Verkehrsaufkommen der B16 nicht mehr gerecht wurde. Aus mehreren Varianten kristallisierte sich ein überzeugendes Tragsystem mit zwei schräg gestellten Bogenscheiben und Querträgern heraus, das eine prägnante Tordurchfahrt in Stadt bildet.
Die Stabbogenbrücke ruht als Einfeldträger mit einer Spannweite von 83,50 m auf Pfahlkopfplatten. Vorbereitend wurde der Überbau der bestehenden Brücke um 19 m auf Behelfsunterbauten seitlich verschoben und der Verkehr umgelegt. Zunächst wurden die Versteifungsträger mit dem Bogenkämpfer ausgelegt und die Querträger für die Fahrbahnplatte montiert. Die Bögen wurden in drei Abschnitten, den so genannten Schüssen, justiert und verschweißt. Die weiteren Querträger und die Fahrbahnplatte wurden eingebracht. Die Querträger oben in den Drittelspunkten der Bögen sorgen für die Aussteifung und unterstützen die Torwirkung. Die einhüftigen Stahlbetonrahmen der Vorlandbrücken lagern auf den Pfeilern zwischen den Bogenscheiben auf. Abschließend wurde die Verkehrsführung angepasst und die alte Brücke rückgebaut.
Klar gezeichnete Konstruktion
Die Bogenebene besteht aus Hohlkästen, die eine höhere Torsionssteifigkeit aufweisen als offene Profile, was bei der Schrägstellung zu beachten ist. Die Außenflächen der Stege ergeben eine homogene Fläche. Die leicht vorstehenden Ober- und Untergurte zeichnen über Licht und Schatten eine leichte und saubere Linie um die Konstruktion.
Die Hänger sind über Kreuz angeordnet. Was einfach und ausgewogen aussieht, hat es in sich. „Die Gestaltung ergibt sich aus statischen Gesichtpunkten“, erklärt Jürgen Schmidt. Die Nachweisführung erfolgte durch aufwändige dynamische Berechnungen, die das statische System in seiner Weichheit berücksichtigen und es wirklichkeitsgetreuer abbilden als die herkömmlichen Berechnungen. Die halbseitige Verkehrsbelastung verursacht in einigen Hängern neben Zug auch Druck, dem eine Vorspannung entgegen wirkt. Hierzu werden Stahlschuhe montiert, die erforderliche Vorspannkraft mittels Behelfszugbändern auf das System aufgebracht und die druckbelasteten Hänger eingebaut. Nach dem Lösen der Pressen geht der Bogen in seine Ausgangsposition zurück und spannt dadurch die Hänger vor.
Außerdem sind geneigte Hänger anfälliger für Regen-Wind-induzierte Schwingungen, die entstehen, wenn das Niederschlagswasser am Hänger durch die hohe Oberflächenspannung einen ovalen Querschnitt bildet. Diese Form ähnelt einem Flügel, der Schwingungen verursacht, wenn Wind daran vorbei streicht. Als i-Tüpfelchen rückt ein Beleuchtungskonzept mit moderner LED-Technik die Brücke am Abend ins rechte Licht, indem fünf Programme die Lichtfarben inein-ander fließen lassen. Für den Stahlbaupreis aber war die konsequente Durchgestaltung der Brücke ausschlaggebend, die nicht vor den Unterbauten und den Betonbauteilen Halt machte. Das gute Projektklima ermöglichte die Herstellung des Brückenbauwerkes inklusive aller Baubehelfe in nur 16 Monaten.
Christiane Niemann, Nürnberg