Form follows FunctionBrückenkonstruktion und Trägerform
„Wahre Schönheit erschöpft sich nicht in gefälliger äußerer Form und hat mit Schmücken und Zieren nichts zu tun, ist nach dem Wort des Ästhetikers Friedrich Theodor Vischer nicht nur äußere Schale, sondern auch gesunder kraftvoller Kern, erblüht aus der Übereinstimmung von Form und Gehalt. Der Sinngehalt liegt nicht hinter der Form sondern in ihr. Augenfällig erkennen wir das an der Brücke, bei der Konstruktion und Form sich decken.“ (Dr. Ing. Karl Schaechterle 1937) Verkehrswegebrücken zeichnen sich im Allgemeinen als einen Verkehrsweg führende Struktur aus, welche natürliche oder künstliche Hindernisse überspannt. Da insbesondere im Brückenbau die Form üblicherweise der Funktion folgt, werden die Brückenbauwerke ihrer Haupttragwirkung entsprechend unterschieden. Neben diesem sind auch weitere Unterscheidungsmerkmale üblich, z.B. nach der Nutzungsart (Straßen-, Eisenbahn-, Fußgängerbrücken) oder Bauweise (Beton-, Stahl-, Verbund-, Holzbrücken).
Balkenbrücken
Als ursprünglichste Trägerform gilt die Balkenbrücke, mit einfachen Holzbalken über Bäche und Flüsse gelegt. Heute werden mit Balken aus Stahl, Stahlbeton und Spannbeton freie Spannweiten von über 200 m erreicht. Die Balkenbrücke zeichnet sich durch eine sichtbare Trennung des Überbaus vom Unterbau durch eine Lagerebene aus. Zur Minimierung der Herstellkosten wird die Querschnittsform des Überbaus wenn möglich über die Brückenlänge konstant gehalten. Der Überbau leitet die auftretenden Lasten über Balkentragwirkung an die Auflager weiter, wird also hauptsächlich auf Biegung beansprucht. Zur Aufnahme dieser Biegemomente muss die statische Höhe des Querschnitts so gewählt werden, dass die im Obergurt entstehenden Druckspannungen sowie die im Untergurt entstehenden Zugspannungen sicher vom Konstruktionsmaterial aufgenommen werden können. Besteht der Überbau aus Beton, verlangt insbesondere die Aufnahme der Zugspannungen spezielle Lösungen. Nicht vorgespannte, bewehrte Betonbalkenbrücken kommen daher hauptsächlich bei kleineren Spannweiten zum Einsatz. Die 1939 errichtete Seinebrücke bei Villeneuve ist mit 78 m Spannweite bis heute die am weitesten gespannte schlaff bewehrte Stahlbetonbalkenbrücke.
Zur Realisierung größerer Spannweiten empfiehlt es sich, den Beton in seiner Zug-zone extern oder intern vorzuspannen. Die Grundidee des Vorspannens geht bis ins Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Eine der ersten deutschen weitgespannten Balkenbrücken aus Spannbeton ist die Neckarkanalbrücke in Heilbronn-Böcking aus dem Jahre 1950.
Weiterhin bieten sich Stahl-Verbundbrücken an, wobei hier der Stahlträger die Zugspannungen aufnimmt. Der typische Einsatzbereich einer Verbundbrücke als Vollwand
brücke liegt beim Einfeldträger im mittleren Stützweitenbereich zwischen 20 m bis 60 m, bei Durchlaufträgern sind Stützweiten über 100 m möglich.
Im Vergleich zu Betonbalkenbrücken ermöglichen Stahlbalkenbrücken mit vollwandigen Trägern die Realisierung von größeren Stützweiten und Schlankheiten, was auf das verhältnismäßig geringe Eigengewicht des Baustoffes Stahl zurückzuführen ist. Generelle Aussagen lassen sich hier jedoch nicht treffen, da neben Stützweite und Schlankheit auch die Montageverhältnisse einen ent-scheidenden Kostenfaktor darstellen. Da bei zunehmender Stützweite das maximal aufzunehmende Feldmoment aus Eigengewicht quadratisch ansteigt, sind der Balkenbrücke hauptsächlich ästhetische Grenzen gesetzt, da die Höhe des Überbaus mit steigender Stützweite überproportional zu- und somit die Schlankheit des Bauwerks abnimmt.
Rahmenbrücken
Werden Über- und Unterbau (Widerlager) der Brücke biegesteif miteinander verbunden, so spricht man von einer Rahmenbrücke. Der Rahmen hat gegenüber dem Balken den Vorteil, dass die biegesteifen Ecken die Feldmomente verringern, wodurch in den Feldern geringere Konstruktionshöhen und somit größere Schlankheiten möglich werden. Hierdurch kann insbesondere bei Autobahnquerungen der Mittelpfeiler entfallen, wodurch Eingriffe in den fließenden Verkehr in der Bauphase minimiert werden. Weiterhin fallen die wartungsintensiven Lager weg, wodurch die Lebenszykluskosten der Brücke weiter reduziert werden können. Auch bei der Rahmenbrücke kommen unterschiedliche Baustoffe zum Einsatz. Wurden die ersten Rahmenbrücken zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch als genietete bzw. geschweißte Vollgelenkrahmen mit Stützweiten bis zu 75 m ausgeführt, so setzte sich ab den 1960er Jahren die Spannbetonvariante durch. Rahmenbrücken in Verbundbauweise wurden in Deutschland erstmals zu Beginn der 1990er Jahre hauptsächlich zur Querung von Autobahnen durch die VFT®-Bauweise realisiert. Diese Fertigteilbauweise ermöglicht weite Spannweiten mit großen Schlankheiten und findet ihren Einsatz über bestehenden Verkehrswegen oder schwer zugänglichen Bereichen wie Kanälen, Flüssen oder Taleinschnitten.
Hängebrücken
Für sehr große Stützweiten, heute bis 2 000 m, werden Hängebrücken verwendet. Die Hängebrücke mit der größten Stützweite ist derzeit die Akashi-Kaikyoˉ -Brücke zwischen Kobe und der Awaji-Insel in Japan mit einer Gesamtlänge von 3911 m und einer mittleren Öffnung von 1991 m, deren Pylone rund 300 m hoch sind. Im Gegensatz zu Balken- und Rahmenbrücken werden die vertikalen Lasten beim Tragsystem Hängebrücke kontinuierlich über die Hänger an die Tragkabel abgetragen, der Überbau wird quasi elastisch gebettet. Ihrer Seiltragwirkung entsprechend entstehen in den Tragkabeln fast ausschließlich Zugkräfte. Durch Umlenkkräfte wird die Summe der Vertikallasten in die Pylone abgegeben, welche sie als Druckkraft gebündelt in den Boden ableiten. Aus Gleichgewichtsgründen müssen die Horizontalkomponenten der in den Kabeln vorhandenen Zugkraft von den Endauflagern aufgenommen werden. Zur Rückverankerung sind hier große Ankerblöcke erforderlich. Von einer unechten Hängebrücke spricht man dann, wenn die Horizontalkräfte in die Fahrbahnplatte zurückgeleitet werden und somit ein (kurz-)geschlossenes Tragsystem entsteht. Diese Konstruktion kommt jedoch heute kaum noch zur Anwendung, da der Brückenbalken als Teil des Tragsystems fertig gestellt werden muss, bevor die Kabelüberspannung zur Lastabtragung verwendet werden kann. Hierzu wird während der Montage eine zusätzliche Unterstützung des Brückenbalkens im Feld benötigt. Wegen der Tendenz zu Schwingungen und größeren Verformungen werden Eisenbahnbrücken in der Regel nicht als Hängebrücken ausgeführt. Um die geforderte aerodynamische Stabilität zu erreichen, ist darauf zu achten, dass der Fahrbahnträger ausreichend torsionssteif ausgebildet wird.
Schrägseilbrücken
Im Gegensatz zu den Hängebrücken wird bei Schrägseil- oder Schrägkabelbrücken die Fahrbahn immer zur Rückverankerung der Horizontalkräfte genutzt. Aufgrund der dadurch steifer auszubildenden Fahrbahnplatte ist sie auch für den Eisenbahnverkehr geeignet. Die ersten Brücken dieser Art hatten nur ein bis drei Kabel auf jeder Seite des Pylons. Im Gegensatz zur Hängebrücke ist der Balken damit an nur wenigen Punkten zwischen den Pylonen zusätzlich gestützt und hat noch große Biegemomente aufzunehmen, die eine entsprechende Balkenhöhe bedingen. Im Laufe der Entwicklung zeigte sich jedoch, dass viele Schrägkabel sowohl für die Bauausführung als auch für die fertige Brücke günstiger sind . Diese Entwicklung erlaubt, sehr weit gespannte Brücken (300 bis 1800 m) mit ungewöhnlich geringer Bauhöhe der längs liegenden Träger zu bauen. Die erste große Schrägseilbrücke Deutschlands ist die 1957 eröffnete Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf, von Fritz Leonhardt entworfen, mit einer Spannweite von 260 m und einer Gesamtlänge von 914 m. Nach den Worten Fritz Leonhardts sei die Hängebrücke mit dünner Fahrbahntafel in ihrer schönheitlichen Qualität der Schrägseilbrücke zwar überlegen, allerdings sei die Schrägkabelbrücke oftmals so viel billiger und steifer, dass sie die Hängebrücke mehr und mehr verdrängt hat.
Bogenbrücken
Für den Werkstoff Naturstein stellt die Bogenbrücke schon seit dem Altertum das prädestinierte System dar. Die Bogentragwirkung ist eine Umkehrung der Seiltragwirkung: die Seillinie wird zur Bogenstützlinie, in der hauptsächlich Druckkräfte entstehen. Dies erfordert jedoch Bogenformen, die weitgehend der Stützlinie entsprechen. Weicht der Bogen von dieser Form ab, muss er in der Lage sein, auch Biegemomente aufzunehmen, was erst durch den Einsatz von Stahl- oder Stahlbetonbögen möglich wurde. Wie bei der Hängebrücke werden die Vertikallasten aus der Fahrbahn direkt in den Bogen eingeleitet. Geschah dies bei Natursteinbrücken noch über massive Wandscheiben, so übernehmen heute bei Brücken mit untenliegender, angehängter Fahrbahn Zugelemente, bei Brücken mit obenliegender, aufgeständerter Fahrbahn Druckelemente diese Aufgabe. Allerdings müssen ähnlich wie bei der Hängebrücke die horizontalen Bogenschubkräfte in den Boden eingeleitet werden. Wird die Fahrbahn zur Rückverankerung der Kräfte genutzt, spricht man von einem „unechten Bogen“. Laut Angaben aus der Literatur hat sich die hieraus ergebende Form der Stabbogenbrücke als Stahlkonstruktion mit orthotroper (als orthotrop bezeichnet man Werkstoffe mit richtungsabhängiger Elastizität) Stahlfahrbahn oder mit Stahlbetonverbundplatte in den letzten Jahren besonders für Straßenbrücken im Bereich der Spannweiten zwischen 60 und 100 m durchgesetzt. Obwohl stählerne Bogenbrücken von der Frühzeit des Stahlbaus an gebaut wurden und bis heute mit Stützweiten bis über 500 m (Chongqing Chaotianmen Yangtze Brücke mit 552 m Stützweite) gebaut werden, nimmt ihre Bedeutung gegenüber den Schrägseilbrücken ab.
Zugbandbrücken
Bei Zugbandbrücken bilden die Tragseile, die Versteifungsträger sowie die Fahrbahn eine Einheit, weswegen dieser Brückentyp wesentlich flexibler und verformungsanfälliger reagiert. Der Anwendungsbereich beschränkt sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen - auf Fußgängerbrücken. Neben Holzlösungen kommen bei dieser Brückenbauart auch Fahrbahnen aus Beton zum Einsatz. Im Gegensatz zu üblichen Überbaukonstruktionen hat dieser hier allerdings keine primäre Tragfunktion.
Ausblick
Neben Aspekten der Standsicherheit, Dauerhaftigkeit und Ästhetik werden in Zukunft auch im Brückenbau zunehmend Fragen der Nachhaltigkeit zu klären sein. Dies beinhaltet z.B. eine Lebenszyklusbetrachtung unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen und Kosten unter Einbeziehung von Erstellung, Nutzung, Rückbau und Entsorgung des Bauwerks. Sicherlich werden diese Aspekte in Zukunft die unterschiedlichen Brückenkonstruktionen und deren Einsatzgebiete wesentlich beeinflussen.
Als Beispiel seien hier Balken- und Rahmenbrücke zur Querung einer Autobahn genannt. Die Herstellungskosten werden projektbezogen im Vorfeld relativ genau ermittelt und sind zurzeit ausschlaggebend für die Wahl des Brückensystems bzw. des Baustoffs. Auch Fragen der Ästhetik finden seit Ende der 1970er Jahre Berücksichtigung. Um den Bau wenig ansprechender Brücken zu vermeiden, werden bei der Ausschreibung oft nicht nur die Grunddaten, sondern auch das Erscheinungsbild bestimmende Faktoren festgelegt, wie z. B. Voutung und Schlankheit des Überbaus sowie die Pfeilerform.
Aspekte des nachhaltigen Bauens, wie Lebenszykluskosten, ökologische Bewertung sowie sozioökonomische Aspekte haben bisher noch keinen entscheidenden Einfluss auf die Systemwahl. Beim Bau einer Rahmenbrücke kann etwa auf den Mittelpfeiler verzichtet werden, was die volkswirtschaftlichen Kosten minimiert, die durch die temporäre Sperrung von Fahrstreifen entstehen. Auch die Folgekosten, die im Laufe der Lebensdauer einer Brücke anfallen, müssen Berücksichtigung finden. Dies sind z. B. Ausgaben für Reinigung, Instandhaltung, Rückbau und Entsorgung des Bauwerks. In diesem Zusammenhang seien z. B. die finanziellen Aufwendungen für den Austausch defekter Lager zu nennen. Diese Lager fallen bei Rahmenbrücken weg.
Auch eine ökologische Bewertung sollte in den Planungsprozess verstärkt mit einbezogen werden. Die hierzu notwendigen Daten sind zu großen Teilen bereits vorhanden. In die Bewertung fließen die benötigte Energie beziehungsweise die freiwerdende Emissionen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zum Abbruch, Recycling und der Entsorgung des Bauwerks mit ein.
Weiterhin müssen schon bei der Planung der Brücken Fragen bezüglich ihrer Anpassungsfähigkeit an veränderte Umnutzungsanforderungen geklärt werden, um künftige Brücken hinsichtlich möglicher oder zu erwartender Veränderungen der Verkehrsbelastung flexibel und damit zukunftsfähig und somit nachhaltig zu gestalten.