Materialmix in leichter Schrägseilbrücke

In Metzdorf führt eine 66 m Schrägseilbrücke über die Sauer. Sie ermöglicht Fußgängern und Radfahrerinnen den Grenzübergang ins benachbarte Luxemburg. Ungewöhnlich für eine Fußgängerbrücke: Das Bauwerk musste für ein 12 t schweres Feuerwehrfahrzeug ausgelegt sein. Optisch sollte es an den hölzernen Vorgängerbau erinnern. Dementsprechend wurde es als eine an zwei Stahl-Pylonen abgespannte Schrägseilbrücke mit einem Fachwerk im Bereich des Überbaus geplant: Neben den Pylonen bestehen Zug­stäbe, Aussteifungsprofile und die Anschlussbauteile an den Überbau aus Stahl. Der Überbau selbst ist eine Aluminium-Konstruktion aus Querträgern, Sekundärträgern und Belagsplatten.

Verantwortlich für die Machbarkeitsstudie, Tragwerksplanung (Lph 3-5), Schwingungsberechnung, Werkplanung und Montageberechnung war das Ingenieurbüro formTL aus Radolfzell. Wir haben mit Stefan Fessel und Jürgen Trenkle von formTL über die Herausforderungen des Baus gesprochen.

Das Bauwerk wurde ­
als eine an zwei Stahl-Pylonen abgespannte Schrägseilbrücke geplant
Foto: Eike Dubois

Das Bauwerk wurde ­
als eine an zwei Stahl-Pylonen abgespannte Schrägseilbrücke geplant
Foto: Eike Dubois

Die 3,3 m breite Brücke überspannt die deutsch-luxemburgische Grenze. Welche Gemeinde war für das Bauwerk zuständig – Metzdorf oder das luxemburgische Moersdorf?

Fessel: Das wurde maßgeblich von deutscher Seite aus übernommen. Es gab ein ausschreibendes Büro, das auch die Bauüberwachung gemacht hat. Die Kosten wurden von beiden Kommunen getragen.

Wie kam die Beauftragung zustande? Und was sah die Ausschreibung vor?

Fessel: Wir sind über unseren Auftraggeber, die Firma PML aus Singen, dazu gekommen. Ziel war es, die ehemalige Holzbrücke, die in die Jahre gekommen war und nicht saniert werden konnte, zu ersetzen. Das ausschreibende Büro Zimmermann aus Trier hatte Kontakte zu PML und hatte dann die Idee, hier eine Aluminiumbrücke einzusetzen. Maßgabe war, dass die neue Brücke der alten ähnelt und eine Schrägseilbrücke wird.

Das Tragwerk wurde in Anlehnung an den hölzernen Vorgängerbau entwickelt. Wäre hierbei nicht auch eine hybride Konstruktion aus Holz und Stahl denkbar gewesen?

Fessel: Die Firma PML konnte die Gemeinde davon überzeugen, aufgrund der Korrosionsbeständigkeit Aluminiumprofile einzusetzen und von einer erneuten Holzbrücke Abstand zu nehmen, die pflegeintensiver gewesen wäre. Dafür kam eine wartungsarme Aluminiumkonstruktion zum Einsatz.

Neben den Pylonen bestehen auch ­Zugstäbe, Aussteifungsprofile und ­die Anschlussbauteile an den Überbau aus Stahl
Foto: Eike Dubois

Neben den Pylonen bestehen auch ­Zugstäbe, Aussteifungsprofile und ­die Anschlussbauteile an den Überbau aus Stahl
Foto: Eike Dubois

Entstanden ist ein Brückenbauwerk aus Aluminium und Stahl. An welchen Stellen kam der Stahl zum Einsatz?

Fessel: Das sind die stark druckbelasteten Bauteile, die Pylonen, und auf der Zugseite die Zugstäbe für die Schrägseile. So hatten wir von beiden Materialien die Vorteile: die Dauerhaftigkeit für den Brückenüberbau und die höhere Belastbarkeit durch den Stahl.

Kommen die beiden Materialien über ein feuchtes Medium in Kontakt, besteht jedoch die Gefahr von Korrosion. Wie wurde dem vorgebeugt?

Fessel: Die ursprüngliche Idee war, Edelstahl für die Elemente zu verwenden, die direkt mit Aluminium in Berührung kommen. Das wurde dann aber aus Kostengründen fallen gelassen. Nach einer Risikobewertung hatten wir gesagt, dass wir ohnehin eine Beschichtung auf der Stahlseite haben. Zusätzlich haben wir zur Vermeidung der Kontaktkorrosion noch eine Kunststofftrennlage zwischen Aluminium und Stahl gelegt. Es gibt also die Trennlage plus die Beschichtung der Stahlbauteile.

Seitenansicht, M 1 : 400

Seitenansicht, M 1 : 400

Trenkle: Zudem haben wir darauf geachtet, dass es möglichst wenige Berührungspunkte gibt.

Fessel: Genau, das sind nur die Querträger zwischen den Pylonen, an die die Brücke aufgelagert ist, und dann die Querträger, an denen die Schrägseile angeschlossen sind − das sind Stahlelemente. Der Rest vom Überbau ist aus Aluminium.

Wie wartungsintensiv sind solcherart Beschichtungen an den Schnittstellen?

Fessel: Die 0,5 mm dicke Trennlage ist zwischen den Bauteilen vor Witterung und UV-Bestrahlung geschützt und wartungsfrei. Einmal eingebaut ist ein Austausch nicht möglich, aber auch nicht nötig.

Trenkle: Da hat Aluminium den Vorteil, dass es seine eigene Oxidschicht aufbaut.

Fessel: Genau, zudem wird das Aluminium eloxiert und bekommt damit eine Oberflächenveredelung. Das macht die oberen Schichten ein kleines bisschen härter und haltbarer.

Schnitt C-C, M 1:33
1 Brückengeländer
2 Brückenbelag, t=40 mm
3 Schubblech, t=8 mm

Schnitt C-C, M 1:33
1 Brückengeländer
2 Brückenbelag, t=40 mm
3 Schubblech, t=8 mm
Anschluss Zugstäbe am Pylonkopf, M 1 : 15
1 Anschlussblech t=25 mm
2 Scheiben beidseitig t=5 mm
3 Blechdicke auf t=22 mm reduziert
4 Anschlussblech
5 Scheiben beidseitig, t=15 mm
6 Riegel RO d=168,3x8,0 mm
7 M20-8,8 feuerverzinkt
8 Pylon QRO 250x250x16 mm
9 Blech, t=25 mm
10 Anschlussscheibe, beidseitig, t=5 mm
11 Deckel, t=10 mm
12 Besista-Zugstab d=60 mm
13 Besista-Zugstab, d=27 mm
14 Besista-Zugstab, d=39 mm
15 Anschlussblech, in das Pylonprofil eingeschlitzt und verschweißt
Anschluss Zugstäbe am Pylonkopf, M 1 : 15
1 Anschlussblech t=25 mm
2 Scheiben beidseitig t=5 mm
3 Blechdicke auf t=22 mm reduziert
4 Anschlussblech
5 Scheiben beidseitig, t=15 mm
6 Riegel RO d=168,3x8,0 mm
7 M20-8,8 feuerverzinkt
8 Pylon QRO 250x250x16 mm
9 Blech, t=25 mm
10 Anschlussscheibe, beidseitig, t=5 mm
11 Deckel, t=10 mm
12 Besista-Zugstab d=60 mm
13 Besista-Zugstab, d=27 mm
14 Besista-Zugstab, d=39 mm
15 Anschlussblech, in das Pylonprofil eingeschlitzt und verschweißt

Wie wurde der Stahl behandelt?

Fessel: Der Stahl ist feuerverzinkt und beschichtet.

Mit über 60 m hat die Brücke eine stattliche Länge – was waren die Herausforderungen in der Entwicklung des Tragwerks?

Fessel: Es gab das bestehende Fundament der Holzbrücke, das begutachtet wurde, ob es wiederverwendet werden könnte. Das musste man dann aber ausschließen. Das waren ausbetonierte Stahlbetonringe, da konnte man nicht mehr die Standsicherheit sicherstellen. Die wurden abgebaut und durch Pfahlköpfe mit 16 Mikropfählen erneuert. Wir haben zwei Auflagersituationen: am Ufer die Widerlager, das sind konventionell betonierte Konstruktionen, und eben die hochbelas-teten Pylonauflager. Da kamen die Mikropfähle zum Einsatz mit 150 mm Durchmesser und bis zu 10 m Länge. Je Auflager waren es 16 Stück, die einen gemeinsamen Pfahlkopf haben. Der Pfahlkopf stellt quasi das Auflager für die Pylone dar.

Das Bauwerk wurde sektionsweise vorgefertigt. Wie und in welcher Reihenfolge wurden die einzelnen Komponenten vor Ort zusammengefügt?

Fessel: Die 66 m lange Brücke wurde in drei Teilen am Bodensee vorgefertigt und per Schwer-transport zum Bauort gebracht. Wir hatten schon recht früh die Idee, die Brücke im Gesamten einzuheben. Da kommt wieder der Vorteil von dem Baustoff Aluminium zum Tragen, der ein Drittel leichter ist als Stahl. Zum Einheben hatten wir auf Luxemburger Seite eine Straße gesperrt und dort die drei Teile zusammengeschraubt und eingehängt. Die Pylone waren schon vorbereitet. Wir haben dann die Brücke mithilfe eines Mobilkrans zwischen die Pylone eingefädelt und abgelegt. Im Anschluss kamen die Schrägseile dran. Die Schwierigkeit war, an dem Aufbauort zwischen den Bäumen die lange Brücke einzuschwenken.

Eine Schrägseilbrücke ist relativ resistent gegenüber Querkräften. Aber bei der Spannweite besteht trotzdem die Gefahr einer Beeinträchtigung aufgrund von Wind und Verkehrslasten. Ist das der Grund, weshalb in der Bauwerksmitte ein Schwingungsdämpfer eingebaut wurde?

Fessel: Der Schwingungsdämpfer wurde recht früh in die Planung mit aufgenommen, nicht allein aufgrund der Windanregung, sondern auch wegen der durch Personen. Wenn man bei Fußgängerbrücken von Schwingung redet, dann ist das oft nicht ein tragwerkstechnisches Problem, sondern eine Frage des Komforts. Wenn eine Brücke zu sehr schwingt, dann haben die Menschen ein Unsicherheitsgefühl. Um da Vorkehrungen zu treffen, wurde ein 380 kg schwerer Schwingungstilger eingesetzt. Die Größe wurde von der Firma Gerb aus Berlin mithilfe unserer Berechnungen ermittelt. In Metzdorf gibt es einen jährlich stattfindenden Volkslauf – diese Veranstaltung war die maßgebliche Belastung. Da sollten keine Schwingungen auftreten.

Trenkle: Wir betrachten natürlich auch die windinduzierten Schwingungen. Die bedeuten aber bei kleineren Brücken meist keine Gefahr.

Anschluss Zugstab d = 39 mm (li.) und d = 27 mm an Überbau (r.), M 1 : 15
1 Besista-Zugstab, d=39 mm
2 U-Scheibe beidseitig, t=10 mm
3 Anschlussblech, t=15 mm
4 Besista-Zugstab, d=27 mm
5 Blech, Stahl S355, t=8 mm
6 Anschlussblech, Stahl S355, t=12 mm
7 U-Scheibe beidseitig, t=5 mm
8 Diagonale, Aluminium, RRO 100x70x8 mm
9 Anschlussblech, Stahl S355, t=12 mm
10 Querträger, Stahl S355, QRO, 160x160x16 mm
11 Anschlussblech, Stahl S355, t=15 mm

Anschluss Zugstab d = 39 mm (li.) und d = 27 mm an Überbau (r.), M 1 : 15
1 Besista-Zugstab, d=39 mm
2 U-Scheibe beidseitig, t=10 mm
3 Anschlussblech, t=15 mm
4 Besista-Zugstab, d=27 mm
5 Blech, Stahl S355, t=8 mm
6 Anschlussblech, Stahl S355, t=12 mm
7 U-Scheibe beidseitig, t=5 mm
8 Diagonale, Aluminium, RRO 100x70x8 mm
9 Anschlussblech, Stahl S355, t=12 mm
10 Querträger, Stahl S355, QRO, 160x160x16 mm
11 Anschlussblech, Stahl S355, t=15 mm

Neben Fußgängern muss die Brücke auch Feuerwehrfahrzeugen mit bis zu 12 t Gewicht standhalten. In welchen Bereichen galt es, die Leistung des Tragwerks zu erhöhen?

Fessel: Das ist für eine Fußgängerbrücke schon eine außerordentliche Last. Fußgängerbrücken werden selten für solche Lasten ausgelegt, höchs­tens einmal für 4 bis 7,5 t schwere Wartungs- oder Räumfahrzeuge. Aber hier war eben die grenz­überschreitende Aushilfe der Feuerwehr ein wesentliches Kriterium für die Planung der Brücke. Das ist kein Regellastfall, aber dennoch ein maßgebender Einzellastfall. Ansonsten ist das Bauwerk nicht für den Autoverkehr zugelassen. Durch entsprechende Wahl einer hochfesten Legierung und Konstruktionsart hat Aluminium die Möglichkeit, solche Lasten aufzunehmen. So haben wir eine zusätzliche Reihe von Trägern in die Fahrspur des Fahrzeugs gelegt. Man hat also nicht allein über den Aluminiumbelag die Last auf die Querträger abgeleitet, sondern zusätzlich Trägerlagen in der Breite der Fahrspur über die gesamte Brückenlänge gelegt, um diese Last zu verteilen.

Aluminium ist kein sehr ressourcenschonender Werkstoff – hat das in Bezug auf die zu erfüllenden Nachhaltigkeitseigenschaften eine Rolle gespielt?

Fessel: Tatsächlich ist Aluminium in der Erstproduktion sehr energieaufwändig. Wenn es aber einmal produziert ist, hat es eine hohe Recycling-Fähigkeit und Langlebigkeit. Diese Brücke könnte nach der Lebensstandzeit in eine neue Form gebracht werden oder die Profile könnten weiterverwendet werden. Von verschiedenen Herstellern wurde außerdem darauf geachtet, dass Aluminium aus z. B. skandinavischen Ländern genommen wird, die ein hohes Maß an regenerativer Energie zur Produktion von Aluminium nutzen.

Würden Sie heute etwas anders machen?

Fessel: Ich würde vielleicht versuchen, auch die Stützen aus Aluminium zu machen. Dann hätte man auch das Thema der Kontaktkorrosion umgangen. Bei den Schrägseilen ist Stahl alternativlos, da kommt Aluminium nicht heran.

Trenkle: Für den Belag könnte man sich vielleicht etwas Moderneres überlegen. Aber wegen der Belastung durch die Feuerwehr hatten wir damals Parameter, die nicht so viel Spielraum zuließen.

Heide Teschner, Yoko Rödel, beide DBZ

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