Großer BDA-Preis 2023 für Inken Baller und Hinrich Baller

Inken Baller und Hinrich Baller erhalten den Großen BDA-Preis 2023 für ihr gemeinsames Werk. Dies entschied eine unabhängige Jury unter dem Vorsitz der BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck. Die Geehrten haben bis 1989 gemeinsam technisch innovative und sozial­ vorbildliche Lösungen im Geschosswohnungsbau mit einer ganz eigenen Formensprache verbunden. Der Preis wird am 15. September 2023 um 19 Uhr im Museum für Angewandte Kunst MAKK in Köln öffentlich verliehen.

Die beiden sind längst eine Legende, eine, die von den älteren Architekt:innen unter uns gerne mit Geschichten, Geraune und Kolportagen ausgeschmückt wird. Den jüngeren Architekt:innen unter uns sind die Ballers eben diese von Geschichten vernebelte Legende: Ein Architekt:innenpaar, das einmal und vor allem in Berlin, die Architektur und das, was man heute immer noch gerne Diskurs nennt, wesentlich beeinflussten. Inken und Hinrich gehören zur Berliner und ganz sicher auch zur deutschen Architekturgeschichte wie kaum ein zweites Architekt:innenpaar. Vielleicht, weil ihr Werk umstritten ist, sie selbst so wunderbar streitbar waren und immer noch sind. Vielleicht, weil sie als Lehrende jahrzehntelang ­Einfluss nahmen und ganz sicher, weil die Eigenständigkeit und zarte Widerspenstigkeit ihrer Arbeiten bis heute Staunen und bausachverständige Verzweiflung auslösen. 2022 wurde ihren Arbeiten und der hinter der Architektur stehenden Gedankenwelt im DAZ Berlin eine Ausstellung gewidmet. Unter dem vielsagenden Titel „Visiting Inken Baller und Hinrich Baller“ inszenierten die Kurator:innen – das Berliner Kollektiv ufoufo und urban fragment observatory – einen Wieder-Besuch heute immer noch gerne bewohnter Räume mit aktuellen Innenaufnahmen. Viele dieser Fotografien, Projekttexte, Gespräche finden sich in dem längst vergriffenen Katalog (die englische Ausgabe ist noch erhältlich, bei Walther König erschienen, eine Rezension in der DBZ 05|2023). Wir schauen dort auf die dem Werk immanente Filigranität, ihre Durchlässigkeit, die wie nebenbei geplanten und doch so funktionalen Gemeinschaftsflächen in den Wohngebäuden und deren immer noch und immer wieder ungewöhnliche Grundrisslösungen. Die Ausstellungsmacher:innen stellten dabei auch die Frage, was der heutige Wohnungsbau von diesem offenen Raumverständnis lernen kann?

Die Alleinstellung, das immerwährende Engagement in Fragen des Bauens, der Gestaltung von Stadträumen hat den BDA nun veranlasst, dem Paar, das von 1967 bis 1989 zusammen ein Berliner Büro hatte und zig Bauten zusammen realisierte, den Großen BDA-Preis zu verleihen. Der Preis ist die bedeutendste personenbezogene Ehrung des BDA. Mit ihm würdigt der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten in einem dreijährigen Turnus bedeutende Leistungen oder ein außergewöhnliches Werk von Architekt:innen und Stadtplaner:innen des In- und Auslands.

Erstmals wurde mit dem Preis 1964 Hans Scharoun geehrt, nachfolgend unter anderem Ludwig Mies van der Rohe, Egon Eiermann, Günter Behnisch oder Oswald Mathias Ungers. Zuletzt wurden Peter Zumthor (2017) sowie Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal (2020) ausgezeichnet.

Als ich 2016 Hinrich Ballers 80. Geburtstag zum Anlass eines Besuchs mit Gespräch (DBZ 10|2016) nahm und ihn fragte, wer ihm denn schon gratuliert habe, kam eher verhalten, dass er sich jetzt gerade nicht erinnern könne, „von den so genannten Wichtigen gar keiner.“ Und als ich mich verwundert über die allgemeine Zurückhaltung zeigte, weil er doch eine lebende Legende der deutschen Nachkriegsarchitekturgeschichte sei, wehrte er wiederum ab: „Legende ... das hat für mich zuviel von Vergangenheit, Abschluss. So fühle ich mich aber nicht. Im Gegenteil nehme ich noch an vielen aktuellen Bewegungen teil. Ich fühle mich immer noch stark verbunden mit den Menschen hier in dieser Stadt. So saß ich in fünf oder sechs Bürgerinitiativen, in denen es um städtischen Raum und Architektur geht.“ Tatsächlich mag das verwundern, aber dann kam doch noch ein Satz, der die jetzige große Ehrung wie einen logischen Abschluss einer „Baller-Dynamik“ erscheinen lässt: „Ich habe eher das Gefühl – so komisch das klingen mag – dass wir stark im Kommen sind. Die neue Romantik, die überhaupt gar nichts mit unserer Architektur zu tun hat – der das aber immer unterstellt wird – die ist in der ganzen Kulturszene zu spüren. Dieser Weg nach Innen, der Rückzug an heile Orte.“

Das scheint sieben Jahre später noch aktueller zu sein. Rückzug ins Private und eine imaginierte Idylle ist zur Zeit höchst angesagt, die schlechten Nachrichten und Katastrophen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind, schreien geradezu nach Alternativen, nach Aufhellern und auch nach heilen Orten, was immer das ist.

Die Arbeiten, die ganze Haltung dazu hatte ­damals nicht nur Zuspruch gefunden im Kolleg:innenkreis, so durchaus selbstkritisch die Jury, die den beiden den BDA-Preis zuerkannte. Sie spricht in ihrer Begründung von einer „eigenständigen und ökologisch geprägten Entwurfshaltung, die unter den Bedingungen des sozialen Wohnungsbaus zu erstaunlichen Lösungen jenseits des Mainstreams führte. […] Die daraus resultierende eigenständige Ästhetik war im Berufsstand nicht unumstritten, wurde in weiten Teilen der Bevölkerung aber als überaus populäres Markenzeichen der West-Berliner Szene wahrgenommen.“

Nun also die späte Ehrung, vielleicht auch eine Art von Wiedergutmachung? Dass beide in ihrer Suche nach einer menschlichen Architektur immer davon geleitet waren, „nach dem glücklich Machenden [zu] suchen“, macht sie vorbildlich und bis heute auch auf der Folie ihrer Arbeiten zu sympathischen Arbeiter:innen an der Weiterentwicklung unserer gebauten Lebensräume. Gratulation! Benedikt Kraft / DBZ

www.bda-bund.de/awardpage/preise
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