Hotel Goldene Rose, Dinkelsbühl
Lukas Rungger, NOA Gründer
Die gesamte Dinkelsbühler Altstadt steht unter Ensembleschutz, weshalb die Fassaden erhalten bleiben mussten
Foto: Alex Filz
Die Stadt Dinkelsbühl mit ihren rund 12 000 Einwohnern durfte sich bereits vor der Eröffnung der Goldenen Rose mit zwei Superlativen schmücken: Laut Focus ist sie die „schönste Altstadt Deutschlands“ und der US-amerikanische Nachrichtensender CNN zählt sie zu den „Most Beautiful Towns In Europe“. Seit Dezember 2022 ist das Trio komplett, denn mit der Goldenen Rose eröffnete das erste 5-Sterne-Hotel der Stadt und damit einhergehend vermutlich auch der schönste und unvergleichlichste Hotelpool Deutschlands.
Wegen der Altstadtsatzung ebenfalls unter einem Dach versteckt befindet sich der Außenpool mit Blick auf das Münster Sankt Georg
Foto: Alex Filz
Außen kleinteilig, innen großzügig
Von außen reiht sich das giebelständige Fachwerkhaus, das 1450 erstmals als Hotel erwähnt wurde, harmonisch in die Nachbarschaft ein und ruft Gedanken an kleinteilige Grundrisse und niedrige Decken hervor. Doch mit seinem Innenarchitektur- und Designkonzept gelang es dem Bozener Studio NOA, ein großzügiges Raumgefühl zu schaffen, das man in einem solchen Haus nicht erwarten würde. Die Ausgangslage dafür war eine besondere: Nachdem der heutige Eigentümer zuerst nur die Goldene Rose erwerben konnte, standen wenig später auch die vier zur Turmgasse anschließenden Häuser zum Verkauf. Damit eröffneten sich gänzlich neue Möglichkeiten, verbunden mit großen Herausforderungen. Die Gebäude waren zum einen sehr unterschiedlich genutzt worden – als Kino und Tanzsaal, Brauereigasthof, Casino und Wohngebäude – und zum anderen verspringen die Geschosse von Haus zu Haus. Heute wirkt alles wie aus einem Guss und die vorhandenen Höhenversätze fügen sich wie selbstverständlich in das Konzept ein.
Die Dachfläche des Poolbereichs ist mit großen, eingeschnittenen Rauten gestaltet. Sie ermöglichen auch zu den Seiten hin schöne Ausblicke auf die Altstadt und bei Regenwetter fallen die Tropfen hindurch auf die Wasseroberfläche
Foto: Alex Filz
„Chiuso e non chiuso“
Gleich nach dem Betreten erlebt man die Kombination aus Weite und Geborgenheit, die die Gäste durch das gesamte Haus begleitet. Empfangen werden sie in einer vielfältig möblierten Lounge mit Kamin. Daran schließt sich als Raum im Raum die Queen Vicky Bar mit ihrem verspiegelten Tresen an. Linker Hand laden etwas erhöht angeordnete Nischen mit Polstermöbeln zum Verweilen ein. Erst danach und aus der Blickachse zurückversetzt findet sich die ebenfalls verspiegelte Rezeption, an der das Personal die Gäste begrüßt. Durch einen schmalen Durchgang erreicht man schließlich das Hauptrestaurant „Kantine Rosine“, in dem bayrische Spezialitäten anstatt in den sonst üblichen Riesenportionen als kleine, feine Tapas serviert werden.
In der ersten und zweiten Etage sind die „gewöhnlichen“ Doppelzimmer angeordnet – wobei in der Goldenen Rose eigentlich nichts „gewöhnlich“ ist –, jedes mit einem individuellen Grundriss, der aus dem Bestand resultiert. Denn allen Beteiligten war es ein großes Anliegen, die originale Bausubstanz bestmöglich zu erhalten und nur die grobschlächtigen Eingriffe der vergangenen Jahrzehnte rückgängig zu machen. In den Zimmern der dritten Etage prägt der Spitzgiebel die Atmosphäre: Auf der Eingangsebene finden die Gäste den Aufenthaltsbereich mit Hängesofa und das offene Badezimmer. Das Bett ist auf einer Galerie angeordnet, auf die man über eine hölzerne Treppe emporsteigt. Im letzten der fünf Häuser, der ehemaligen Brauerei, stehen 14 Studios mit zwei Schlafzimmern, zwei Bädern, einer Kitchenette und teilweise einem historischen Kaminofen für alle bereit, die mehr Platz benötigen.
Empfangen werden die Gäste in einer Lounge mit Kamin. Aus der Blickachse zurückversetzt findet sich die verspiegelte Rezeption
Foto: Alex Filz
Kulturelles Angebot für alle
Hoch anzurechnen ist dem Betreiber, für den jedes Zimmer weniger auch einen geringeren Umsatz bedeutet, dass er den Rosensaal als öffentlich zugänglichen Veranstaltungsort erhielt – mit vielfältigem Programm von Konzerten über Lesungen bis zu Kinovorstellungen. Zugute kommt dies auch filmbegeisterten Reisenden: Sie können die vermutlich einzige Kinosuite Deutschlands buchen, die sich über ein großes, mit einem Vorhang ausgestatteten Panoramafenster zur Leinwand hin öffnet.
Dank der vielen textilen Oberflächen, des Echtholzparketts und der Nischen ist die Akustik in Lounge und Bar angenehm
Foto: Alex Filz
Metamorphose einer Rumpelkammer
Das absolute Highlight ist das Spa mit seinem zehn Meter langen Infinitypool. Statt Wellnessbereich im Untergeschoss und Technik auf dem Dach, drehten die Planenden es einfach um und schufen unter dem Dach einen einzigartigen Sauna- und Poolbereich. Dafür ließen sie im historischen, dreigeschossigen Dachstuhl alle unnötigen Streben entfernen, die statisch notwendigen aufarbeiten und die Dachfläche dämmen. So kann der Blick heute gleich nach dem Betreten hinaufschweifen in die Höhe und den Platz ausmachen, an dem man sich nach dem Saunagang oder den Schwimmzügen im angenehm temperierten Nass entspannen möchte. Die Bandbreite reicht von sofaähnlichen, breiten Liegen im offenen Bereich und im Ruheraum über große Sitz-, ja eigentlich besser Liegesäcke auf der zweiten Ebene bis zu quergespannten Netzen und Hängeliegen ganz oben, in denen man sich fallen lassen kann. Die drei Saunen sind ebenfalls gekonnt ins alte Gebälk integriert, das hier komplett sichtbar blieb. Eine der Gauben wurde zur Fassade hin geöffnet und dient als kleiner Außenbereich.
Der Kubus mit der Rosensuite hängt über der Veranstaltungsfläche des Rosensaals und ist mit einem Steg
an den Hotelflur angedockt
Foto: Alex Filz
Wegen der Altstadtsatzung ebenfalls unter einem Dach versteckt, befindet sich der Außenpool mit Blick auf das Münster Sankt Georg und seinen majestätischen Turm. Der Kniestock ist komplett offen – feine Stahlseile dienen als Absturzsicherung –, die Dachfläche mit großen, eingeschnittenen Rauten gestaltet. Sie ermöglichen auch zu den Seiten hin schöne Ausblicke auf die Altstadt und bei Regenwetter fallen die Tropfen hindurch auf die Wasseroberfläche. Beheizt wird das Wasser ganzjährig auf 32 Grad Celsius und das sehr ökologisch: Acht Monate im Jahr reicht die Abwärme der Zentralkühlung vollständig aus, lediglich während vier Monaten muss zugeheizt werden.
Im Eingangsbereich des Spas positionierte das Team von NOA einen verspiegelten freistehenden Kubus, der mit Tee, Wasser und Knabbereien aufwartet
Foto: Alex Filz
Das Bauwerk wirken lassen
Das Interior Design überzeugt im gesamten Haus mit seinen gedeckten Grau- und Beigetönen, dem gekälkten Eichenparkett und dem Dunkelbraun der Fachwerkbalken. In der Kantine Rosine ziert eine Tapete mit floralem, eher etwas zu üppigem Muster Wände und Decken. Der Eyecatcher in den Zimmern ist das skulpturale Badmöbel, das aus unterschiedlich großen, aufeinander gestellten Kuben besteht. Die aus Mineralwerkstoff gefertigte Basis dient als Sockel für den Waschtisch. Ablagefläche und Stauraum gibt es dadurch reichlich und gleichzeitig wirkt alles luftig und leicht verspielt. Erfreulich ist, dass die Studios, die außerhalb des Auftrags von NOA lagen, mit dem Interior Design des restlichen Hauses harmonieren und dadurch alles aus einer Hand zu kommen scheint. So lässt sich nicht nur wegen des Komforts und des zuvorkommenden Personals ein durchweg positives Fazit ziehen. Auch die Architektur statuiert ein Exempel, wie man mit wenigen, gekonnten Eingriffen Bestandsbauten zum Leben erwecken und ihre Charakteristika herausarbeiten kann.
Die Bausubtanz möglichst umfassend zu erhalten, wie bei der Goldenen Rose geschehen, erfordert eine baubegleitende Planung. Fast 40 Prozent des Vorhandenen wich von den Plänen ab
Foto: Alex Filz
Das Spa liegt im ausgebauten Dach, wo es sich herrlich entspannen lässt - auf sofaähnlichen, breiten Liegen, großen Sitzsäcken oder quergespannten Netzen und Hängeliegen ganz oben
Foto: Alex Filz
Statt über zugige Klimaanlagen wird
die Raumluft in der Goldenen Rose
an heißen Sommertagen über eine
Fußbodenkühlung mit 17 Grad kaltem
Wasser temperiert
Foto: Alex Filz
Standardzimmer gibt es in der Goldenen Rose eigentlich nicht. Jedes hat einen individuellen Grundriss, der aus dem Bestand resultiert. Offene Badzimmer und gemütliche Hängesofas nutzen den Platz der Räumlichkeiten optimal aus
Foto: Alex Filz
In den Zimmern der dritten Etage prägt der Spitzgiebel die Atmosphäre. Das Bett ist auf einer Galerie angeordnet, auf die man über eine hölzerne Treppe emporsteigt
Foto: Alex Filz
Grundriss EG, M 1 : 750
1 Lounge
2 Bar “Vicky”
3 Historisches Stiegenhaus
4 Rezeption
5 Lounge
6 Bartische
7 Restaurant “Kantine Rosine”
8 Zimmer und Suiten
9 Lager
10 Kinosaal „Rosensaal“
11 Spabereich/Ruheraum
12 Pool
14 Saunabereich
Projektdaten
Objekt: Hotel Goldene Rose
Standort: Dinkelsbühl, Deutschland
Bauherr: ICV GmbH
Betreiber: Hezelhof GmbH
Architekt: Simpert Hoelzl,
www.simpert-hoelzl.de;
Projektsteuerung Häberlein,
www.projektsteuerung-haeberlein.de
Innenarchitekt: NOA,
www.noa.network
Mitarbeiter (NOA): Lukas Rungger, Patrick Gürtler
Saunaplanung und -bau: Devine Wellness & Spa international,
www.devine.at
Schwimmbadplanung: Plan4D - Pools in Perfektion, www.plan4d.at
Küchenplanung: FHE Gastro,
www.fhe.at
Lichtplanung: LICHTSTUDIO,
www.lichtstudio.com
Eröffnung: Dezember 2022
Anzahl der Zimmer: 57
Preis pro Übernachtung: ab 222 €, www.hotelgoldenerose.de
Hersteller
Beleuchtung: Lodes, www.lodes.com; Marset, www.marset.com; Aromas, www.aromasdelcampo.com; Carpyen, www.carpyen.com; Tooy, www.tooy.it; Contardi, www.contardi-italia.it; Pomax, www.pomax.com
Möbel: Weiltinger Möbelwerkstatt – martin maag, www.weiltingermoebelwerkstatt.de; Gampenrieder GmbH, www.gampenrieder.com; Grattoni, www.grattonisedie.it; Mobitec, www.mobitec.be; By Boo, www.by-boo.com; Ferm Living,
www.femliving.de; TineKHome,
www.tinekhome.com; Roolf Living, www.roolf-living.com
Sanitär: Grohe, www.grohe.de;
Geberit, www.geberit.de; GSI
Ceramica, www.gsiceramica.it; Stelrad, www.stelrad.eu
Bodenbeläge: Marazzi,
www.marazzi.de; Casalgrande Padana, www.casalgrandepadana.com; Kährs, www.kahrs.com