Why not? Planungsideen für Spa und Wellnessbereiche in modernen Hotelkonzepten
„Wenn wir mit der Planung eines Wellnessbereichs beauftragt werden, erforschen und definieren wir zuerst die Bedeutung des Wortes „Wellbeing“ für das jeweilige Projekt. Durch eine mehr als 15-jährige Erfahrung im Hospitality Design wissen wir, dass das, was für den einen Wohlbefinden ist, für manch anderen etwas ganz Unterschiedliches sein kann.“ Studio NOA
Text: Lukas Rungger
Im Monastero Arx Vivendi bedeutet Wellness in erster Linie Abschalten und Isolierung vom Alltag
Foto: Alex Filz
Beim Spa-Design eröffnen sich unendlich viele Möglichkeiten. Vor allem dann, wenn die Frage im Vordergrund steht, in welchem Raum sich der Gast wohlfühlt. Denn dann verschiebt sich der Schwerpunkt von der Struktur des Gebäudes auf den Menschen und damit auf das Zielklientel (Target) des Hotels, für welches entworfen wird. Ein Beispiel: Im Hotel Monastero Arx Vivendi an der Nordspitze des Gardasees bedeutet Wellness Abschalten, vorübergehende Isolierung vom Alltagsleben, ganz im Sinne seiner ehemaligen Funktion als Klausurkloster aus dem 17. Jahrhundert. Wellness ist hier in erster Linie Stille, Entspannung der Rhythmen, eine sanfte Atmosphäre. Ganz anders ist es im Falkensteiner Family Resort Lido, einem 2022 neu eröffneten Familienhotel im Pustertal, bei dem Wellness in erster Linie auf Kinder ausgelegt ist und sich daher in Bewegung, Spaß und ständig wechselnden Stationen eines Freizeit-Parcours ausdrückt.
Wird also eine Unterscheidung auf Grundlage des Targets getroffen, so gibt es eine zweite Entscheidungsebene architektonischer Natur, welche die Gestaltung des Wellnessbereichs bestimmt. Der Wellnessbereich kann in ein bestehendes Gebäude eingebunden oder komplett neu gebaut werden. Im ersten Fall handelt es sich in der Regel um Hotels mit urbanem Charakter, teils geringen Erweiterungsmöglichkeiten und manchmal auch zusätzlichen Auflagen durch das Denkmalamt. Im zweiten Fall hingegen handelt es sich oft um sogenannte „Leisure Hotels“, wo es nicht an Platz mangelt und wo ein Design mit ausgeprägter Sensibilität für die Landschaft, in die es eingebettet wird, erforderlich ist.
Ganz anders das Target im Falkensteiner Family Resort Lido: Hier bedeutet Wellness Spaß und Erholung für die ganze Familie
Foto: Alex Filz
Studio NOA hat sich mit beiden Themen befasst. Das Hotel Goldene Rose ist ein Ensemble aus fünf historischen Gebäuden im Zentrum von Dinkelsbühl. Um den Spa-Bereich zu realisieren, mussten Räume, die ursprünglich als Abstell- oder Wirtschaftsräume genutzt wurden, „neu gedacht“ werden. Der neue Wellnessbereich erstreckt sich über die Dachlandschaft, zwischen freiliegenden Dachstühlen und Oberlichtern, und bringt den Charme eines einzigartigen Ortes mit einer höchst unerwarteten Funktion in eine besondere Symbiose (siehe auch Seite 18ff). Kontextuell anders ist dies im Naturresort Puradies inmitten der Salzburger Bergwelt oder im Apfelhotel in Südtirol: In beiden Fällen wurde ein Neubau für den Wellnessbereich geschaffen, der sich von Beginn an auf eine imposante Natur bezieht und sich mit dieser auf einen intensiven Raumdialog einlässt.
Der Kontext spielt eine wesentliche Rolle für die Ausrichtung eines Hotels. Im Naturressort Puradis bezieht sich alles auf die umgebende Natur
Foto: Alex Filz
Die Variablen sind unterschiedlich, deshalb hat NOA sieben Leitlinien als Orientierungshilfe für die Planung von Wellnessbereichen erarbeitet:
1. Mut zur Nische
Die freischwebende Spa-Anlage „Hub of Huts“ ist mit sehr kompakten 200 m2 Fläche zum Wahrzeichen des Hotels Hubertus im Pustertal geworden. Die Essenz des Entwurfs liegt in einer faszinierenden und unerwarteten Interpretation eines auf den Kopf gestellten, abstrahierten Bergdorfes und dem Schaffen einzelner „Hütten“. Im Konglomerat wirken sie wie ein Schwarm von Mikroräumen, die alternierend eine spannende Raumkonstellation bilden: intim, gemütlich, eingenistet – „cocooning“ in Reinkultur.
Der Ansatz „think big, plan small“ sollte hingegen besonders in größeren Spa-Bereichen umgesetzt werden. Vor allem in den Ruheräumen versuchen wir, ein Volumen in intimere Bereiche zu unterteilen, die für bis zu max. zehn Personen ausgelegt sind. Ein Beispiel dafür ist das Projekt Mohrlife, das in Lermoos, Österreich, realisiert wurde. Die Modularität lässt sich bereits an der Fassade ablesen, die aus 25 Boxen für jeweils zwei Personen besteht. Darin findet man eine Vielzahl von intimen Nischen: Kleinere Räume vollziehen einen gewagten Maßstabssprung innerhalb eines größeren Baukörpers, konzeptionell verstärkt durch den Kontrast von rigidem Sichtbeton außen und weichen Stoffen im Inneren. Die Juxtaposition dieser beiden Gestaltungsansätze resultiert in einem besonderen räumlichen Spannungsfeld diverser dualer Intimitätsniveaus: offen–geschlossen, kalt–warm, hart–weich, oben–unten …
Ein markantes Zeichen zu setzen, das auch mal für Irritation sorgt, gelang NOA mit der freischwebenden Spa-Anlage Hub of Huts im Pustertal
Foto: Alex Filz
2. Blur the Boundaries
Den Kontext in den Raum zu bringen, ist eine Form der Szenografie. Es ist eine Aufführung, die fast unabhängig von dem ist, was im Inneren des Wellnessbereichs passiert, und die an jedem Ort anders ist. In dem bereits erwähnten Mohrlife-Projekt wird die Raumwahrnehmung in den Mittelpunkt gestellt. Die Zugspitze ist aufgrund ihrer Schönheit und Imposanz zweifellos das inspirierende Element und indirekt auch der Protagonist des Bauvorhabens. Die Wellnessoase ist vergleichbar mit der Bühne eines Theaters, von dem sich das außergewöhnliche Schauspiel der Natur bewundern lässt. Das Gleiche gilt für das Projekt Hub of Huts: eine Architektur, in der die Öffnungen nach außen zur umgebenden Landschaft zu einer Inszenierung der sich ständig verändernden Natur werden. In beiden Projekten sind Räume entstanden, denen es gelingt, die räumliche Wahrnehmung zu erweitern, zu intensivieren, zu schärfen.
Ein orientalisches Hammam am Alpenrand? Why not! Den Gast in andere Welten zu entführen, ist ein wesentlicher Aspekt bei der Planung von Wellnessbereichen
Foto: Alex Filz
Ein besonders interessanter Bereich sind dabei stets die „Schwellen“, an denen Innen und Außen aufeinandertreffen. NOA versucht, diese Übergänge durch architektonische Stilmittel wie Fenster, Schiebeelemente und Pergolen so zu artikulieren, dass sie zu einzigartigen Filtern der Wahrnehmung werden, um die Architektur als Schauspiel zu zelebrieren: Verwischen, Verzerren, Spiegeln, Transzendieren… Die vertikale Begrünung des Apfelhotels Torgglerhof, insbesondere der Kletterjasmin, fügt dieser Schwelle zwei besondere sensorische Komponenten hinzu: Duft und Schatten. Die Verknüpfung von Innen- und Außenräumen schafft stimmungsvolle und behagliche Bereiche und dies nicht nur in Bezug auf die Ausblicke, sondern auch im Hinblick auf das Klima. Die Möglichkeit für den Gast, sich schnell zwischen heiß und kalt zu bewegen, macht das Wellness-Erlebnis vielseitiger und naturverbundener.
„Mut zur Nische“ zeigt auch das Projekt Mohr-life mit seinem modularen Aufbau, der sich im Inneren in einer Vielzahl von intimen Nischen
widerspiegelt
Foto: Alex Filz
3. Designing a Parcour
Wenn man ein ganzes Grundstück inmitten der Natur hat, ist es interessant, das ganze Projekt, also Gebautes sowie Ungebautes, mitsamt der Natur als Wellnessbereich zu betrachten.
Ein Beispiel dafür ist die Sauna, die NOA kürzlich für das Olympic Hotel in Val di Fassa entworfen hat: Um sie zu erreichen, muss man einen Weg im Freien entlang gehen, egal zu welcher Jahreszeit. Der Gast spaziert inmitten eines Laubwaldes und – in den Wintermonaten – inmitten von Schnee: eine bewusste Entscheidung, um ihm ein noch authentischeres Gefühl der Verbundenheit mit der Natur zu vermitteln. Weitere interessante Elemente des Wellnessparks sind Stege, Feuerstellen im Freien und Naturteiche. Den Entwurf des Lake House Völs, einer Seehütte in Völs am Schlern mit Service- und Umkleideräumen, stellen wir gerne als eine neue Art von Wellness-Gebäude dar. Mit seinen in den See ragenden Stegen und der Bergkulisse im Hintergrund ist es ein Ort für Geist und Seele. Unserer Meinung nach sollte die Wellness-Funktion nicht auf einen einzigen Bereich des Hotels beschränkt werden. Der Spa-Bereich kann in die Zimmer integriert werden, sich im Wald ausbreiten, unter Wasser entstehen… dabei achten die Architektinnen und Architekten darauf, dass sich die verschiedenen Bereiche gegenseitig nicht stören. Deutlich gegensätzliche Funktionen müssen weit voneinander entfernt oder sauber getrennt sein, wie z. B. Ruhezonen von Lärmzonen (Kinderbereich), Nacktbereiche vom Rest des Spa-Bereichs, Hoch- von Niedertemperaturzonen.
Die Inszenierung der Landschaft, vor allem
im Kontext mit einem
Infinity-Pool, schafft
Kino-Atmosphäre
Foto: Alex Filz
4. Think exclusive but be inclusive
„Die besten Orte müssen für alle Gäste gleichermaßen zugänglich sein, und nicht nur für die, welche die Suite bezahlen“. Kein Zweifel: Der Wellnessbereich sollte sich immer am attraktivsten Ort des Hotels befinden, was oft mit dem Dachgeschoss und all seinen Qualitäten wie maximaler Belichtung, Belüftung und Panorama zusammenfällt. Die gemeinsame Nutzung von Wellnessbereichen stützt sich auf eine typisch skandinavische Kultur, in der Wellness als Ort für soziale Treffpunkte verstanden wird – in Finnland kann die Bedeutung der Sauna mit der italienischen Piazza gleichgesetzt werden. Der gesellschaftliche und inklusive Aspekt wertet jeden Wellnessbereich immens auf und eröffnet ganze neue Möglichkeiten der funktionalen Bespielung von Räumen: z. B. eine Buchpräsentation in einer Sauna: Why not?
Auch der Übergang zwischen innen und außen lässt sich inszenieren, z. B. mit einer Fassadenbegrünung wie eim Apfelhotel Torgglerhof
Foto: Alex Filz
5. Szenen am Pool
Die Rolle von Pools hat sich im Laufe der letzten Jahre stark verändert: weg vom traditionellen Schwimmbecken für sportliche Aktivitäten hin zu vielfältigen „Wasserobjekten“. Ob als Wasserfall, als Quelle oder Brunnen – inmitten der natürlichen oder urbanen Landschaft laden sie zum Verweilen, Meditieren oder Staunen ein. Ein Beispiel dafür ist das Schwimmbad in der obersten Etage des Hotels Silena in Südtirol: Der wie Lava-Stein anmutende schwarze Zement prägt mit seinen blockartigen Abtreppungen eine starke optische Inszenierung und lässt das Wasser in einer Kaskade über den Infinity-Rand laufen.
Bei der Konzeption eines Schwimmbads spielen die Wasseroberflächen eine entscheidende Rolle, da sie oft die umgebende Landschaft widerspiegeln und einen starken Bezug zum Kontext herstellen. Infinity-Pools sind dabei ein spannendes Instrument, um die Grenzen zwischen dem Gebauten und der Natur bewusst zu verwischen. Wenn sie sich optisch stark zurücknehmen, weil das Wasser an allen Kanten abfließt, machen sie damit etwa die umliegende Natur zum Hauptdarsteller auf der architektonischen Bühne: Willkommen im Kino/Theater.
NOA findet es unglaublich spannend, wie die Thematik von Pools in anderen Bereichen gelesen und kreativ bespielt wird. Man denke an die Pool Paintings von David Hockney, wo Tausende von aquamarinfarbenen Punkten den amerikanischen Traum in den Weiten von Los Angeles symbolisieren. Oder an den Film „La Piscine“ mit Alain Delon und Romy Schneider, in dem der Pool im Garten mit Noir-Akzenten und düsteren Atmosphären aufgeladen ist.
Wellnessoasen, die sich außerhalb des Hotels befinden, schaffen zusätzliche Erlebnisse in der umgebenden Natur
Foto: Alex Filz
6. Insert unexpected Functions
Eine Bibliothek im Wellnessbereich, ein Kinosaal in der Sauna, eine Lesung im Pool: Why not? Nicht nur im Wellnessbereich, sondern im gesamten Designkonzept eines Hotels gibt es eine kontinuierliche Hybridisierung und Suche nach Flexibilität der Räume. Und so ist auch der Spa-Bereich gefordert, seinen Horizont zu erweitern. Manchmal kann ein Wellnessbereich auch eine kleine Reise durch ein anderes Land bieten. Im Monastero Arx Vivendi haben wir für das Hammam-Ritual Räume geschaffen, die den Gast in eine ganz andere Dimension versetzen.
Vom klassischen Schwimmbecken haben sich Hotel-Pools immer mehr zu vielfältigen Wasserobjekten entwickelt, die eindruckvoll in die Landschaft übergehen
Foto: Alex Filz
7. Create immersive Spaces
Möglicherweise ist es eines der ehrgeizigsten Ziele von Architektur und Innenarchitektur, Räume zu gestalten, die Gefühle beeinflussen und Emotionen wecken können. Durch die Wahl der Materialien, das Spiel von Licht, Farben und Formen muss der Gast in der Lage sein, eine neue Welt zu betreten. Dazu gehört auch die Erforschung der Entspannungsfähigkeit des menschlichen Körpers, die für die Gestaltung von Wellnessbereichen grundlegend ist. Stehen, sitzen, liegen, hängen, schweben, baumeln… es gilt einen immersiven Raum zu schaffen, der den Gast in eine eigene Dimension des Wohlbefindens führt und ihn physische sowie haptische Horizonte neu erfahren lässt.
Autor Lukas Rungger studierte Architektur an der TU Graz und arbeitete in vielen international renommierten Büros, bevor er 2011 gemeinsam mit Stefan Rier NOA gründete. Das preisgekrönte Kollektiv aus Architekten und Innenarchitekten zählt mittlerweile über 30 Mitglieder und hat seinen Hauptsitz ist in Bozen, drei weitere Büros unterhält NOA in Berlin,
Mailand und Turin.
Foto: Alex Filz