Den Mythos Bauakademie transferieren
Vor einem Jahr hat er sein Amt angetreten. Zeit für ein Gespräch mit Guido Spars, Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie in Berlin. Wir trafen uns dort, wo einst Schinkels Bauakademie stand und wohl demnächst wieder stehen wird, in welchem Kleid allerdings, ist noch offen. Klar wurde in dem Gespräch aber eins: Die Bauakademie versteht sich zuerst als Katalysator im zerfransten Diskurs über die drängenden Fragen zur Zukunft des Bauens.
Interview: Benedikt Kraft / DBZ
Prof. Dr. Guido Spars, Berlin
www.bundesstiftung-bauakademie.de
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Lieber Guido Spars, wie wird man Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie?
Guido Spars: Kein Hexenwerk! Hier geht es um ein öffentliches Amt, dem ein öffentliches Bewerbungsverfahren vorgeschaltet ist. Darauf habe ich mich beworben. Es gab mehrere Gesprächsrunden u. a. mit einer Findungskommission, die fachlich interdisziplinär besetzt war. Zudem waren Vertreter der verschiedenen beteiligten Stakeholder anwesend. Dort konnte ich mein Konzept vorstellen und hatte offenbar das nötige Glück. Ich kam über mehrere Runden weiter und am Ende hatte ich den Zuschlag.
Können Sie Ihr Konzept, mit dem Sie offenbar überzeugten, kurz erläutern?
Zuerst: Wir sind aktuell in einer ganz besonderen Situation, stehen vor großen Herausforderungen im Bereich Planen und Bauen. Also brauchen wir dringend eine Transformation in der Branche. Und da geht mein Fokus auf die Wertschöpfungskette Bau: also Planen, Bauen, Betreiben.
Spricht hier der Ökonom, der Sie ja auch sind?
Ja, aber ich bin ja auch ingenieurwissenschaftlich promoviert und habe mich immer auch um verwandte Themen gekümmert. Da ich schon länger in der Bauszene unterwegs bin, habe ich ein Verständnis dafür entwickeln können, wie man auf Planungs- und Bauthemen insgesamt auch anders schauen kann, als nur mit dem Blick des Ökonomen. Aber Wertschöpfungskette deshalb, weil ich glaube, dass wir in Zukunft das Niveau der integralen Zusammenarbeiten entlang der Wertschöpfungskette Bau deutlich heben können hier in Deutschland. Die Kette ist sehr fragmentiert, wir sind nicht sonderlich innovationsfreundlich, zu kleinteilig, was den Erfolg der Akteure in der Umsetzung ihrer Projekte häufig verhindert. Mein Konzept zielt auf mehr Nachhaltigkeitsinnovationen in der Praxis. Erkenntnisse sind ja vorhanden, aber sie müssen in die Praxis kommuniziert, sie müssen zur Verfügung gestellt werden. Also brauchen wir eine Institution, die katalytisch wirkt, die eine Innovationsdiffusion in Gang setzt. Das wäre so in etwa das Zentrale meiner Idee von einer Bauakademie.
Nun sind Sie Gründungsdirektor. Besitzen Sie so etwas wie Richtlinienkompetenz? Dürfen Sie Ihre Ideen so umsetzen, wie Sie Ihnen vorschweben?
Meine Aufgabe ist es – ganz allgemein gesprochen –, eine Stiftung zu leiten, zusammen mit einer Vizedirektorin. Ich kann über Ausstellungen, über Formate der Zusammenarbeit, über eine bestimmte Profilierung der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen Themen entwickeln und Angebote machen. Und ich kann ein Gebäude errichten im Herzen Berlins.
Sind Sie, mit Blick auf das genannte Gebäude, Bauherr oder Bauherrenvertreter?
Der Bund gibt das Geld, der Bauherr ist die Stiftung, das Ganze im Zusammenspiel zwischen Bundesbauministerium und dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Letztere sind unser Dienstleister in Bezug auf das Bauprojekt. Meine „Richtlinienkompetenz“, wie Sie sagen, endet natürlich beim Stiftungsrat, der das Entscheidungsgremium in der Stiftung ist. Ich bereite als Direktor Entscheidungen vor, mache Vorschläge, kommentiere, aber das immer im Zusammenspiel mit dem auch politisch besetzten Stiftungsrat, dessen Vorsitzender der parlamentarische Staatssekretär Sören Bartol ist. Der deckt sowohl das Politische wie Fachliche ab.
Wo steht denn das Projekt Bundesstiftung Bauakademie heute?
Schön, dass Sie danach fragen. Viele Ihrer Kolleg:innen wollen häufig nur Auskünfte zur Bauakademie, also dem Gehäuse für die Stiftung. Dabei habe ich zwei Aufgaben vor mir: eine Institution im Aufbau und ein Gebäude im Aufbau. Und beides bedingt sich. Die Stiftung hat bisher einen guten Take-off gehabt. Klar, am Anfang gab es kleinere Turbolenzen, aber inzwischen sind wir im Steigflug. Wesentliche Dinge bauen wir jetzt nach und nach auf. Wir haben die ersten Mitarbeiter:innen. Die Stiftung selber wird sich in den nächsten Jahren dynamisch entwickeln, ein fragiler Prozess, den es jetzt einzuleiten gilt.
Für wie lange sind Sie ernannt?
Ich starte mit vier Jahren, das ist so üblich.
Sie können beliebig verlängern? Und Sie wollen auch noch?
Ich glaube, da gibt es keine Grenze. Außer natürlich irgendwann die Altersgrenze. Und der Stiftungsrat muss mich natürlich im Amt bestätigen.
Aber da Sie noch jung sind, haben Sie noch einiges vor sich. „Akademie der Akademien“, was heißt das?
Im Grunde genommen heißt das, dass die Stiftung eine Bündelungsfunktion übernehmen möchte. Es gibt doch unwahrscheinlich viele wunderbare Institutionen in Deutschland, die zum Thema Planen und Bauen arbeiten, forschen, die Themen oder Diskussionen nach vorne bringen. Aber es fehlt das Vernetzen dieser Aktivitäten, es fehlt die Bündelung. Gerade im Bereich Nachhaltigkeitsinnovation wollen wir Ergebnisse greifen, wollen sie bündeln und verwertbar machen für die Praxis. Also ganz konkret für Bauunternehmen, für Handwerker, für die Ausbildung.
Dabei haben Sie nicht das Gefühl, dass das anmaßend erscheint, wenn sich die Bauakademie als oberste, als führende Akademie versteht?
Das Bild mit dem „Oben“ haben Sie jetzt verwendet. Nein, Vernetzung meint auf Augenhöhe arbeiten und ich bin sicher, es macht keinen Sinn, in der vernetzten Welt und insbesondere in der vernetzten Forschungs- und Transformationswelt zu sagen, das ist der erste Akteur und dann gibt es die da unten. Das ist Quatsch. Und so funktioniert Vernetzung auch nicht. Und es kommt darauf an, welche Sichtweise, welche Ressourcen und welche Methodik man einsetzt. Ich glaube, wir bringen da neue Dinge ein. Es gibt Defizite, gerade auch im Bereich Transformationsmanagement. Und da haben wir eine clevere Position zwischen den Fachakteuren und der öffentlichen Hand, die, wie ich glaube, im Bereich Transformation der Baubranche ein Schlüsselfaktor ist.
Dann kommen wir mal so langsam zum Bauakademie-Gebäude.
Ja, gerne, aber ich würde das Gesagte um eine mir sehr wichtige Sache ergänzen. Wir sind aktuell dabei, eine digitale Plattform, eine Dialog- und Wissensplattform zu entwickeln, mit der wir den Gedanken des Vernetzens real werden lassen wollen. Mit dieser digitalen Plattform können wir dann zeigen, wie wir welche Akteur:innen einbinden. Ich kann mir vorstellen, dass sowohl Bauunternehmen, aber auch durchaus Verbände der Bauwirtschaft, der Immobilienwirtschaft, auch durchaus Handwerker:innen oder Student:innen dort fündig werden sollen, wenn sie beispielsweise zum Thema Digitalisierung recherchieren.
Bei so vielen Beteiligten wird das anspruchsvoll zu moderieren.
Ja, es ist eine breite Palette. Wir stehen noch ganz am Anfang und werden sehen, wie wir das Tool weiterentwickeln und anbieten. Damit wollen wir uns 2023 beschäftigen.
Werden in diesem Angebot auch die vier Linien gespielt, die sich das Projekt Bauakademie zur prozessualen Entwicklung vorgenommen hat?
Ganz sicher. Wir werden die Digitalisierung einbinden, die Nachhaltigkeitsinnovation im Bauwesen. Natürlich auch als drittes Stadtentwicklung und Zukunftsforschung. Und nicht zuletzt Circular Economy und Klimawandel. Die vier Leitthemen stehen für den Versuch, Breite, eine gewisse Interdisziplinarität anzubieten, ein „Nach vorne Schauen“. Und natürlich aktuelle Themen einbinden wie Kreislaufwirtschaft, die sich mit vielen anderen auf den Schnittfelder der zentralen Themen ansiedeln. Das ergibt sehr spannende Entwicklungsbereiche.
Fehlt hier das Soziale, das Baukulturelle? Oder ist dafür die Bundesstiftung Baukultur zuständig? Wurden hier Claims abgesteckt?
Prinzipiell ist es doch so, dass man die von uns lancierten Themen ohne sozialen und kulturellen Überbau gar nicht glaubhaft aufsetzen kann. Wir sind jetzt am Anfang, es gibt vier Profillinien, die sich weiterentwickeln. Ich kann Ihnen aber jetzt schon sagen, dass wir nicht bloß technisch, wirtschaftlich orientiert sind, wir werden in allen Diskursen die ganzheitliche Nachhaltigkeit hochhalten. Und dazu gehört auch die soziale Dimension.
Ich las – wortwörtlich – nirgendwo davon. Sollten Sie das nicht auch irgendwo aussprechen?
Aber wir haben auch Sozialwissenschaftler:innen an Bord, Expert:innen mit Doppelqualifikation. Und ich meine, dass das Thema Stadtentwicklung durchaus breiter als nur technisch zu fassen ist, Stichworte wären hier Bezahlbarkeit von Wohnraum, die Bodenfrage und so weiter. Die Abgrenzung zur Baukulturstiftung ist eher eine arbeitsteilige und ich sage mal: Man muss sich nicht ins Gehege kommen.
Jetzt kommen wir doch zum Gebäude. Zum Karl Friedrich Schinkel, einem sehr großen Namen. Nutzt, stört der Schinkel eigentllich?
Also erst einmal ist Karl Friedrich Schinkel nicht bloß ein großer Name, der steht sehr singulär für die Avantgarde seiner Zeit. Schinkel war Innovator und von daher sollten wir ihn als Ansporn nutzen, die Innovationen unserer Zeit zu leben. Die Bauakademie, hier der Bau, ist ein Mythos. Auch, weil sie nicht mehr da ist. Deswegen müssen wir uns die Frage stellen, wie wir hier anknüpfen können, wie wir den Mythos in die heutige Zeit transformieren.
Ich ahne, Sie werden es nicht sagen wollen/können, wie die Bauakademie in ein paar Jahren an diesem Ort hier aussehen wird. Aber vielleicht eine Andeutung?
Also ich bin kein Architekt und schon gar nicht ein Baumeister und ganz sicher träume ich nicht von meinem Wunschgebäude. An der Entwicklung, Vorbereitung, Justierung eines Realisierungswettbewerbs arbeiten wir mit einem Think Tank zusammen, den ich gegründet habe. Dieser interdisziplinär zusammengesetzte Think Tank hat intensiv gearbeitet und Leitplanken für den Wettbewerb definiert, der letztendlich darüber entscheiden wird, wie dieses Gebäude aussieht.
Leitplanken können die Straße weit oder eng fassen …
Klar, aber ohne ginge es natürlich nicht. Natürlich lassen wir Spielräume zu, die auch auf die Zielkonflikte reagieren, historische Eins-zu-eins-Rekonstruktion der Fassade und ihr CO2- Fußabdruck beispielsweise, der sich heute ja darstellt in der Produktion, dem Transport, Aufbau und späterem Rückbau. Was in der Diskussion klar wurde, ist, dass wir mit diesem Gebäude ein überzeugender Teil des 1,5-Grad-Ziels sein wollen. Also ein klimagerechtes Gebäude. Dann wollen wir auch ein offenes Haus, das mit dem Quartier verwoben ist, in das jeder kommen kann und gerne kommt. Das sind hehre Ziele, denen wir uns stellen. Und natürlich wollen wir auch dem historischen Ort gerecht werden. Den Wettbewerbs-teilnehmer:innen ist es aufgegeben, mit ihrem Vorschlag den bestmöglichen Konsens aus diesen ganzen unterschiedlichen Anforderungen zu finden, mit einer kreativen Lösung, die einerseits Schinkel gerecht wird und andererseits auch den Anforderungen der heutigen Zeit, die aus dem anstehenden Klimawandel resultieren.
Aber wenn Sie die Augen zu machen, was sehen Sie dann für ein Gebäude? Jetzt sagen Sie nicht, Sie sind keine Entwerfer.
Ich bin kein Entwerfer. Was ich in meinem Leben gelernt habe ist, dem kreativen Prozess von Architekt:innen zu vertrauen. Insofern werde ich jetzt kein konkretes Bild vor Ihren Augen malen.
Zum Schluss: Haben Sie mit Ihren Expert:innen auch über die Möglichkeit diskutiert, die gebaute Bauakademie als einen Prozess zu definieren, der Entwicklung und Bewegung zulässt? Eine Architektur, die nicht fertig ist und in der wir dann alle sitzen und „fertig“ denken?
Ja, das Prozesshafte war definitiv ein wichtiges Thema, auch im Think Tank. Vielleicht nicht so radikal, wie Sie es hier andeuten. Doch, es gab – auch in den Bürgerworkshops – das Thema des Weiterbauens, des temporären Bauens, der maximalen Anpassungsfähigkeit. Jetzt definieren wir aber ein Nutzungs- und Raumprogramm, das umfangreich ist. Wir wollen so viele spannende und für unsere Arbeit relevante Bausteine in dem Volumen unterbringen. Und natürlich gibt es Geld, das bewilligt wurde, mit dem wir umgehen müssen. Tatsächlich wurde im Think Tank auch darüber diskutiert, ob wir denn heute überhaupt noch bauen können? Hierzu war meine Haltung klar, denn ich bin davon überzeugt, wenn die Institution, die in diesem Gebäude ihre Arbeit aufnimmt, ihre hochgesteckten Ziele erreicht, nämlich einzuwirken auf diejenigen, die die Strukturen und Prozesse des Planens und Bauens in Deutschland in Richtung Nachhaltigkeit verändern, dann lohnt sich auch diese Investition in den vielleicht negativen CO2-Fußabdruck, weil eben der Effekt sehr viel größer sein wird entlang der Breite der Wertschöpfungskette.
Aber die Frage des Prozesshaften ist eine interessante Option, die uns in unserer Arbeit begleiten wird, auch für den Wettbewerb.
Dann wünsche ich in dieser Thematik Mut für Ihre Unternehmung, die Sie stark auf Zukunft und auf neues Denken in unserer Branche ausrichten. Danke für das Gespräch!
Ich danke Ihnen.
Guido Spars
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Mit Prof. Dr. Guido Spars unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 8. November 2022 im „Roten Saal“ am Bauort der ehemaligen wie zukünftigen Bauakademie