Kabinenhotel CAB 20, Hamburg
Foto: Jakob Börner
Wie klein kann ein Hotelzimmer sein? Akzeptieren die Gäste den Gang im Bademantel in den gemeinsamen Sanitärbereich im Untergeschoss? Und lässt sich die Idee der asiatischen Kapselhotels europäisieren? Das waren die Fragen, die sich der Bauherr stellte, als es um das Konzept des CAB 20 in Hamburg ging. „Kapselhotels sind natürlich sehr effizient, verlangen von den Gästen aber auch ein hohes Maß an Disziplin, was auf dem japanischen Markt funktioniert. In Deutschland wird das schon schwieriger“, erklärt hierzu Lasse Lütjens von der Fährhaus Investment Group GmbH. „Es war nicht zuletzt das Grundstück mit dem Bestandsgebäude und dem daran gebundenen Baurecht, das die Idee der verschachtelten Kabinen vorangetrieben hat.“
Hinter den Außenmauern des CAB 20 in Hamburg, die exakt dort stehen, wo zuvor ein Autohaus aus den 50er-Jahren stand, lädt heute das Kabinenhotel nach japanischen Vorbild zum günstigen Übernachten ein
Foto: Jakob Börner
Das Gebäude
Das Grundstück befindet sich keine zehn Gehminuten vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt im trendigen Szenestadtteil St. Georg. Ende der 1950er-Jahre war hier ein Autohaus gebaut worden, das das vorhandene Grundstück komplett ausgenutzt hatte. Wenn auch letztendlich nicht nur die oberirdischen Geschosse abgetragen wurden, sondern auch das erste Untergeschoss eine neue Decke bekam sowie die tragenden Pilzstützen entfernt wurden, konnte das Projekt als Bestandsumbau genehmigt werden, bei dem die Außenwände nun an selber Position des Vorgängerbaus stehen. Das bedeutete allerdings auch, dass im Prinzip nur zur Straßenseite Fenster möglich waren. Zudem war zwar die Geschossigkeit mit drei Geschossen vorgegeben, nicht aber die Höhe der einzelnen Geschosse begrenzt. Etwa an diesem Punkt begann die Idee des CAB 20 Kabinenhotels und mit ihr die der verschachtelten, eingestellten und übereinander angeordneten Kabinen von CLIC-Design, Form anzunehmen. Die Schlafkabinen sind so konzipiert, dass sie keinen Bezug nach draußen haben, sodass die Idee wie geschaffen schien für die gegebene Situation.
Die Lounge im Dachgeschoss
Foto: Jakob Börner
Zunächst aber mussten die vorhandenen Untergeschosse statisch stark ertüchtigt werden. Da eine Verstärkung unterhalb der Sohle nur teilweise möglich war, wurden in großen Bereichen 80 cm hohe Aufbetonfundamente im zweiten Untergeschoss aufgebracht sowie in beiden Untergeschossen zusätzliche Stützen von innen vor der Fassade ergänzt. Diese Ertüchtigung war Teil der Ausführungsplanung des Büros A6-Architekten, das damit den ursprünglichen Entwurf des Architekturbüros SKAI baulich umsetzte. Statik, Brandschutz und vor allem die Haustechnik mussten hier auf den Entwurf abgestimmt werden und schlüssig funktionieren. Die Entrauchung der Untergeschosse beispielsweise wurde hierbei geschickt über zwei Schächte hinter einem der Aufzüge geführt. Komplex war die Lüftung der Kabinen, für die keine natürliche Lüftung in die Berechnung einbezogen werden konnte. Alle Kabinen werden durch die Lüftungsanlage be- und entlüftet.
Der Vor- und Wartebereich zu den Duschkabinen wird mit sportlichen Elementen bespielt: eine auf den Boden gemalte Rennstrecke, Boxsäcke, Turnpferde als Sitzgelegenheiten sowie große Spiegelflächen prägen den Raum
Foto: Jakob Börner
Die Kabinen
Jeweils zwei Doppel- oder zwei Einzelkabinen sind in der Höhe gestapelt, wobei es in jeder Kabine einen Stehbereich mit einer Höhe von 2,12 m und den Liegebereich mit 1,27 m gibt. Die beiden Formen greifen dabei so ineinander, dass immer ein Steh- und ein Liegebereich übereinandersitzen. Die gestapelten Kabinen haben dadurch nicht die doppelte, sondern nur die eineinhalbfache Höhe und passen so sehr gut in die lichte Raumhöhe von 4,45 m. Die Lüftung erfolgt je Kabine über ein eigenes schallgedämmtes Lüftungssystem.
Sehr gut passen die beleuchteten Kabinennummern in das Lichtkonzept, das sich mit dem Tageslichtverlauf ändert, um ein Gefühl der Enge zu mildern. Hierbei leuchten nicht nur die Ziffern selbst in ihrem schwarzen Metallkasten, sondern ein Spot wirft einen Lichtpunkt auf den Boden vor der Kabinentür und markiert so den „Haus“eingang
Foto: Jakob Börner
Lichtstimmungen können im Tagesverlauf wechseln. Dafür sorgt ein Schienensystem mit LED-Bändern,die unterschiedliche Lichtintsensitäten und - farbtemperaturen auf die Decke abstrahlen
Foto: Jakob Börner
Foto: Jakob Börner
Insgesamt konnten 122 Doppel- und 54 Einzelboxen auf vier Geschossen untergebracht werden. Die untere Kabine wird jeweils von vorne, direkt vom Gang aus, betreten, die obere über eine kurze Treppe zwischen den Kabinen, was an Häuser erinnert, die über sechs Stufen zum Hochparterre erschlossen werden. Die beiden oberen Kabinen sitzen also rechts und links der Stufen und werden entsprechend von der Seite erreicht. Die Grundfläche einer Doppelkabine beträgt 4,75 m2, so dass hier das Bett, das von Wand zu Wand reicht, mit einer Breite von 1,60 m und einer Länge von 2 m Platz findet. Vor dem Bett bleiben dann noch knapp 70 cm, um einzutreten und das Gepäck abzustellen. In der Einzelkabine wird es dann schon etwas schwierig mit der Logistik, da die Tür in den Stehbereich aufschlägt. Das Gepäckstück muss dann seitlich auf einem kleinen Ablagemöbel gestapelt oder an robuste Haken gehängt werden. Bei mehreren großen Gepäckstücken können zusätzliche Gepäckfächer in der Lobby angemietet werden. Fenster zum Hof oder zur Straße gibt es in den Kabinen nicht, aber es gibt ein kleines Fenster mit Sichtschutz zum internen Flur. Ein Spiegel vergrößert den Raum zudem optisch. Gegenüber einer Einzelkabine, die leichte Assoziationen mit einem Schlafwagenabteil weckt, in dem man eben nur schlafen kann und soll, wirkt das Doppelzimmer fast großzügig. Aber genau so ist das Hotelkonzept gedacht: Man spart an Fläche in den Zimmern und gleicht dies durch angenehme, coole, von allen nutzbare Flächen und Räume im Erdgeschoss und im Dachgeschoss aus und bietet so eine bezahlbare Unterkunft mit Einzel- und Doppelzimmern – Hostelpreise ohne Mehrbettzimmerstress.
Es sollten möglichst viele Kabinen auf der gegebenen Fläche untergebracht werden. Auf der anderen Seite waren die Außenwände fix, so dass die Architekt:innen Mühe hatten, nun die Treppenhäuser mit den notwendigen Breiten einzupassen. Erschwert wurde die Treppenplanung durch die große Geschosshöhe von 4,70 m
Foto: Jakob Börner
Die Kabinen stehen als mehrschalige, entkoppelte Holzbaukonstruktionen auf Dämmmatten. So ist in Verbindung mit dem gedämmten Lüftungssystem für einen sehr guten Schallschutz gesorgt
Foto: Fährhaus Investment Group GmbH
Konzept und Interior
Ein wesentlicher Teil dieses Konzeptes ist daher auch, dass weder Bad noch Dusche oder Waschtische in den Kabinen angeboten werden. Stattdessen gibt es im ersten Untergeschoss einen Sanitärbereich mit einzelnen Duschkabinen, Waschtischen und WCs, jeweils für Frauen und Männer getrennt. Im gemeinsamen Vor- und Wartebereich dominiert gestalterisch das Thema Sport mit einer aufgemalten Rennstrecke, Turnpferden mit Büffellederbezug als Sitzgelegenheiten sowie Boxsäcken, ebenfalls aus Leder und einer großen Spiegelfläche.
Im gesamten übrigen Hotelbereich hat sich der Innenarchitekt bei seiner Gestaltung an der Zwischennutzung des Gebäudes orientiert. Von 2013 bis 2014 wurde nämlich das ehemalige Autohaus als Kulturprojekt B20 unter anderem von Streetartkünstler:innen für Ausstellungen genutzt. Abgesehen davon, dass nun die Treppenhäuser und die Erdgeschoss-
Lobby mit Graffiti designed wurden und die Lounge im Dachgeschoss sich grundsätzlich den Themen Streetart, Graffiti und HipHop widmet, basiert das gesamte Farbkonzept des Hotels auf dem Sprayfarben-Farbfächer der Firma Montana. „Die Farbauswahl unterscheidet sich von herkömmlichen Farbfächern wie zum Beispiel RAL durch besonders frische und moderne Farben, die in der Graffittiszene und auch von anderen Künstler:innen benutzt werden“, erläutert hierzu Innenarchitekt Christoph Janiesch. „Davon wurden sechs Farben ausgewählt und in einen herstellerunabhängigen NCS Farbcode umgerechnet, um dann an den verschiedensten Stellen und auf den unterschiedlichsten Materialien im Gebäude immer wieder aufzutauchen.“ So fallen bereits an der Fassade die bunten opaken Scheiben auf, die durch Hinterglaslackierung angefertigt wurden. Auch die Laibungsverkleidungen der Fenster, die Fahrstuhltüren, die WC-Räume oder die Teppiche in den Fluren setzen so immer wieder farbige Akzente ohne Unruhe oder eine übertriebene Buntheit zu erzeugen. Im Gegenteil, gerade in den Schlafbereichen herrscht durch die anthrazitgrauen Schichtplatten und die hölzernen Lamellenstäbe an den Außenseiten der Kabinen eine sehr ruhige Atmosphäre.
Waschtische, Duschkabinen und WCs befinden sich, für Frauen und Männer getrennt, im 1. Untergeschoss
Foto: Jakob Börner
Lichtplanung
Teil des Innenarchitekturkonzeptes war, die Kabinen entlang der relativ hohen, verbindenden Gänge als Straßenfassaden in „Gassen“ zu interpretieren. „Um diesen Effekt zu unterstützen und eine Außenraumatmosphäre zu schaffen, haben wir ein Lichtsystem entwickelt, das die Außenlichtsituation an der Decke abbildet“, erklärt Lichtdesignerin Katja Winkelmann vom Planungsbüro Licht01. „Die jeweilige Tageslichtsituation wird im Gebäude, insbesondere dort, wo kein Tageslicht hinkommt, abgebildet.“ Der erste Gedanke einer Lichtdecke wurde schnell wieder verworfen – auch, weil dies nur mit einem enormen energetischen und somit auch finanziellen Aufwand im Betrieb möglich gewesen wäre. Die nun umgesetzte Lösung hingegen bewirkt mit geringem Aufwand genau den gewünschten Effekt. In einem dezent mit Seilen von der Decke abgehängten Schienenprofil aus Aluminium verlaufen LED-Bänder unterschiedlicher Lichtstärke und Farbtemperaturen von 2 200 bis 4 000 Kelvin, die ihr Licht gegen die Decke werfen. Von einem leicht bläulichen Licht am Morgen über einen rötlich-violetten Farbton am Abend bis hin zum dunkelblauen Nachthimmel werden per automatisierter Lichtsteuerung die Himmelsfarben an die Decke „gemalt“.
Text: Nina Greve, Lübeck
Anordnung der Kabinen übereinander
Abb.:Fährhaus Investment Group GmbH
Grundriss 1. Obergeschoss, M 1:300
Einzelkabinen, M 1:20
Projektdaten
Objekt: CAB 20
Standort: Brennerstraße 20, Hamburg
Bauherr: Fährhaus Investment Group GmbH, Hamburg
Innenarchitektur: Janiesch Architektur, Hamburg, www.christophjaniesch.de (LP 3-8)
Entwurf Kojen: Clic, Hamburg (LP 2)
Lichtplanung: Licht01, Hamburg,
www.licht01.de (LP 3-5)
Entwurf Architektur: SKAI Siemer Kramer Architekten Ingenieure,
Hamburg, www.skaioffice.de, (LP1-3)
Ausführungsplanung Architektur: A6 Architekten, Hamburg,
www.a6architekten.de (LP 5)
Bauleitung Architektur: possehn voges ossenbrügge architekten,
Hamburg, www.pvo-architekten.de (LP 6-8)
Fertigstellung: 2021
Preis pro Nacht: ab 35€
www.cab20.de
Hersteller
Gussboden Biopolymere: Senso Dutch Design Deutschland GmbH,
www.sensoboden.de
Holzboden: Parkett Hinterseer GmbH, www.hinterseer.com
Teppich: Desso,
www.boden.objekt.tarkett.de
Deckensysteme: HERADESIGN®,
www.knausceilingsolution.com
Pendelleuchten Flur: Peters Leuchten, www.petersleuchten.de
Theke, Sondermöbel und Einbauten: HIMACS, www.himacs.eu
Trennwandsysteme: KEMMLIT TRENNWANDSYSTEM
Textilien: Kvadrat A/S, www.kvadrat.dk
Beschläge: FSB – Franz Schneider Brakel GmbH + Co KG, www.fsb.de
Sanitärkeramik: LAUFEN Deutschland, www.de.laufen.com
Armaturen: Herzbach,
www.herzbach.com
Lichtschalter: Gira Giersiepen GmbH & Co. KG, www.gira.de