Kreativität ist nicht abhängig von der Bauweise!

Bauen ist eine komplexe Angelegenheit – viele Beteiligte, viele Anforderungen, Normen und Zwänge. Dazu schrumpfende Ressourcen und steigende Preise. So verwundert es nicht, dass die Produktivität im Baugewerbe deutlich hinter anderen Branchen hinterherhinkt. Laut Statistischem Bundesamt beträgt die Wachstumsrate seit 1991 gerade mal 0,09 %. Die Gesamtwirtschaft kommt im Vergleich auf 37 %, das verarbeitende Gewerbe sogar auf 65 %. Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, hat auch die Politik inzwischen erkannt. Inwieweit der Modulbau zu einer Verbesserung beitragen kann und welche Rolle dabei den Unternehmen wie den Architektinnen und Architekten zukommt, dazu sprachen wir mit Oliver Hartman, Geschäftsführer bei KLEUSBERG und Torsten Prauser, Geschäftsführer der ALHO Systembau GmbH.

Gemeinsames Gespräch in der neuen Uni Mensa in Siegen
Foto: Jan Ackerstaff
Gemeinsames Gespräch in der neuen Uni Mensa in Siegen
Foto: Jan Ackerstaff

Herr Hartmann, Herr Prauser, wir treffen uns zu diesem Gespräch in der neuen Uni-Mensa in Siegen. Vielleicht ein etwas ungewöhnlicher Ort für ein Interview. Aber ich glaube, da gibt es eine gemeinsame Vergangenheit …

Oliver Hartmann (OH): Ja, genau. Wir sitzen deshalb hier, weil sowohl Torsten Prauser als auch ich hier in Siegen Architektur studiert haben.

 

Das heißt, Sie kennen sich bereits seit dem Studium?

Torsten Prauser (TP): Tatsächlich haben wir uns damals noch nicht gekannt. Herr Hartmann ist ja ein paar Jahre jünger als ich (lacht). Aber wir haben uns dann später kennengelernt – in einem Architekturbüro hier in der Region. Wir haben im Bereich Gewerbe- und Industriebau als klassische Architekten zusammengearbeitet. Die Zeit hat uns dann über das Thema Modulbau wieder zusammengeführt.

  Oliver Hartmann, Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Oliver Hartmann, Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Haben Sie als Architekten seinerzeit denn auch schon modular geplant und gebaut?

TP: Ich war seit Anfang der 1990er-Jahre in verschiedenen Nutzungsbereichen tätig – anfangs im Wohnungsbau, später dann im Gewerbe- und Industriebau. Dort habe ich Projekte von der Entwurfsplanung bis zu Ausschreibung betreut und auch das Thema Bauleitung kennengelernt. Meine ersten Berührungspunkte zum Modulbau waren zu dieser Zeit schon die Planungen von Fassadenvarianten für die Firma ALHO. Ich fand es immer besonders spannend, wie sich modulare und konventionelle Bauweisen miteinander kombinieren lassen. Das hilft mir bis heute bei meiner Arbeit.

OH: Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Im Architekturbüro war ich hauptsächlich in den ers-ten Leistungsphasen, im Entwurfsbereich, für die Bauantrags- und teilweise auch Ausführungsplanung zuständig, bevor ich 2005 zu KLEUSBERG gewechselt habe. Anfangs war meine Tätigkeit dort sehr ähnlich zu der im Architekturbüro, ich habe mich neben Entwürfen auch mit Kalkulation und Vertrieb auseinandergesetzt. Und egal, in welchem Bereich des Bauens man unterwegs ist, die Kompetenz des Architekten ist gefragt!

TP: Wichtig finde ich zu erwähnen, dass man als Architekt immer auch eine soziale Verantwortung hat. Man muss über den Tellerrand schauen, muss überlegen, wo geht der Bedarf des Kunden in Zukunft hin. In diesem Kontext habe ich schon früh die Möglichkeiten der Modulbauweise erkannt. Das strukturierte Planen lag mir deshalb sehr nah, verbunden mit der Frage: Wie kann man mit dieser Bauweise attraktiv gestalten?

  Oliver Hartmann, Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Oliver Hartmann, Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Inzwischen sind Sie beide in der Geschäftsführung Ihrer jeweiligen Unternehmen. Was sind Ihre Strategien, was konnten Sie bereits realisieren und wo gibt es aktuell noch den größten Handlungsbedarf?

OH: Ich bin ja mittlerweile im 20. Jahr bei KLEUSBERG, habe einen Großteil der Entwicklung des modularen Bauens im Unternehmen mitgemacht. Als ich anfing waren wir 340 Mitarbeiter, mittlerweile sind wir 1 400. Das sagt, denke ich, auch einiges, nicht nur über unser Unternehmen, sondern auch über die Weiterentwicklung der Bauweise aus. Alle Modulbau-Anbieter haben hier viel Aufklärungsarbeit geleistet. Vor allem bei den Architekten war es zu Beginn nicht leicht, gegen die Vorurteile anzukommen. Aber im Laufe der Zeit hat man doch gemerkt, dass langsam das Eis bricht und dass mehr Architektenkollegen Interesse am Modulbau haben. In der neuen Rolle, in der ich jetzt seit einem knappen dreiviertel Jahr bin, gestaltet sich das Ganze natürlich noch mal anders. Der große Vorteil ist, dass man Unternehmenskultur mitgestalten kann. Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein, eine gute Atmosphäre im Unternehmen schaffen, in dem man Beruf und Familie vereinbaren kann, aber natürlich auch das Wachstum der letzten Jahre weiter fortsetzen. Dazu muss man am Ball bleiben, was die Leistungen und Produkte, aber auch was Methoden und vor allem die Digitalisierung angeht und sich stetig weiterentwickeln.

TP: Was Herr Hartmann sagt, das ist entscheidend. Der Modulbau hat noch nicht die Marktanteile erreicht, die wir beide gerne hätten. Wir liegen im Gesamtmarkt zwischen drei und fünf Prozent. Um hier zu wachsen ist es wesentlich, mehr Architektinnen und Architekten dazu zu animieren, in modularen Bauweisen zu denken. Dafür tun wir beide mit unseren Unternehmen sehr viel.

Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Das ist das Strategische. Wenn Sie mich persönlich nach meiner Rolle als Geschäftsführer fragen, muss ich sagen, dass es mir enorm wichtig ist, die Menschen mitzunehmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Erfolg von den Menschen abhängt, die in diesen Unternehmen arbeiten. Ich möchte an der Entwicklung von gemeinsamen Zielen und Werten teilhaben. Gerade der nächsten Generation wird es äußerst wichtig sein, zu wissen: Wofür arbeite ich? Da steht vor allem das Thema Nachhaltigkeit sehr stark im Vordergrund. Viele junge Mitarbeitende fragen in Bewerbungsgesprächen konkret danach. Unser Bestreben ist es, vom suchenden Unternehmen zum gesuchten Unternehmen zu werden. Strategisch habe ich mir zudem vorgenommen, regionaler zu werden. Ich habe im letzten Jahr die Standorte München und Heidelberg weiterentwickelt. Das macht Spaß und ist wichtig, um einen Kontakt zum regionalen Markt, aber auch zu den regionalen Architekturbüros aufzubauen und pflegen zu können.

  Oliver Hartmann und Torsten Prauser im Gespräch mit Katja Reich
Foto: Jan Ackerstaff

Oliver Hartmann und Torsten Prauser im Gespräch mit Katja Reich
Foto: Jan Ackerstaff

Stichwort Wachstum. Wäre es denn grundsätzlich möglich, Ihre Produktion weiter hochzufahren, um einem größeren Bedarf gerecht zu werden?

OH: Ich glaube, wir könnten tatsächlich beide unsere Kapazitäten noch weiter ausbauen. Die Methoden der Fertigung, des Engineerings, aller Prozesse im Unternehmen sind sehr fundiert aufgebaut. Und damit sind wir skalierbar. Von aktuell über etwa 5 000 Quadratmeter Gebäudefläche pro Woche planen wir in den kommenden Jahren, insbesondere auch durch weitere Rationalisierung und Automatisierung, unseren Output zu steigern, ohne dabei die hohe Qualität zu vernachlässigen.

 

Wo sehen Sie im Markt denn besonders große Wachstumspotenziale?

TP: Es gibt verschiedene Bauaufgaben, bei denen wir großes Potenzial sehen. Denken wir nur an den Wohnungsbau. Hier bremst uns aber leider gerade das Thema Förderung/Finanzierung etwas aus ... Viele Möglichkeiten sehe ich auch im Hybridbau. Interessant sind Projekte, bei denen sich verschiedene Bauweisen gut kombinieren lassen. Zudem gibt es in innerstädtischen Bereichen viele Bauaufgaben, bei denen wir mit kleiner Baustelleneinrichtung, emissionsarmen Baustellen und wenig Lieferverkehr punkten können.

Und die weitere Automatisierung sollten wir vorantreiben. Aber man muss auch sagen, dass wir ein mittelständisches Unternehmen sind und gesund wachsen wollen. Wir sind kein Konzern – und das ist auch gut so, um weiterhin flexibler auf die Anforderungen des Marktes reagieren zu können.

  Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Lohnen sich solche Volumina wie in der Nachverdichtung oder bei hybriden Bauweisen denn für eine modulare Fertigung?

TP: Unsere beiden Unternehmen haben in den letzten 20 Jahren den Wandel vom reinen Liefer­unternehmen zum Bauunternehmen mit Bravour geschafft. Als Bauunternehmen geht es uns um Projekte, um Nutzungen – und nicht immer nur darum, was wir alles seriell umsetzen können. Natürlich sollten die seriellen Lösungen überwiegen, um unsere Produktion auszulasten. Aber es ist schon sinnvoll, darüber nachzudenken, was sich für die Modulbauweise eignet und was wir ergänzen können. Würden wir nur auf Projekte schauen, die rein modular geplant und umsetzbar sind, dann würden wir das Wachstum nicht erreichen, das wir anstreben.

OH: Genau. Am Ende sind wir unserem Bauherrn verpflichtet. Und das muss man auch klar sagen. Das hat sich nicht geändert, seit Torsten Prauser und ich nicht mehr in der Rolle des klassischen Architekten sind, sondern in der des Bauunternehmers. Der Bauherr ist der wichtigste Player im Spiel. Ihm die bestmögliche Lösung zu bieten, darum geht es. Wir sprechen von seriellem ­Bauen und Automatisierung. Das Thema Automa­ti­sierung ist, ehrlich gesagt, im Hochbau noch ­ausbaufähig und daran arbeiten wir. Die hocheffizienten Prozesse in der Automobilindustrie sind nicht zu vergleichen mit dem, was wir tun. Aber es ist die Richtung, in die wir müssen in den nächsten Jahren. Unsere größte Herausforderung ist: Wir diskutieren die Losgröße eins. Der Automobilhersteller baut immer dasselbe Auto. Er hat zwar unterschiedliche Ausstattungsvarianten, die man sich sehr bequem im Internet auswählen kann, aber grundsätzlich baut er dasselbe Auto. Im Hochbau gibt es nach wie vor nahezu keine zwei Gebäude, die z. B. die Fenster immer an derselben Stelle haben. Wir bauen noch immer hauptsächlich Unikate. Und das macht das ganze Thema Automatisierung schwer. Aber, wie gesagt, es ist die Zukunft; auf diesem Feld müssen und werden wir uns bewegen.

  Oliver Hartmann, Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Oliver Hartmann, Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Automatisierung ist also eine Herausforderung, was noch?

TP: Neben den unterschiedlichen Grundstücksvoraussetzungen und individuellen Anforderungen des Bauherrn spielen natürlich auch die unterschiedlichen Genehmigungsverfahren auf Länderebene immer noch eine Rolle. Da gibt es nach wie vor keine Standardisierung. Allerdings sehe ich auch Nutzungen, die eine Automatisierung oder Standardisierung eher möglich machen, wie z. B. der Wohnungsbau. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass nur bestimmte Bereiche eines Bauvorhabens automatisiert werden können oder sogar auch nur bestimmte Bauteile in der Produktion. Aber im Moment ist das Bauen leider noch sehr stark von individuellen Parametern abhängig.

OH: Auch wenn der ein oder andere jetzt die Nase rümpfen wird, wir alle müssen von dieser extremen Individualisierung weg, schon allein um die Kosten in den Griff bekommen. Hier kann mehr Standardisierung auf jeden Fall helfen. Wir haben gerade den sogenannten Schulbaukasten entwickelt, indem wir eine Schule standardisiert haben. Diese Schule besteht aus 44 unterschiedlichen Modulsegmenten bzw. Funktionseinheiten, aus denen individuelle Schulgrundrisse konfiguriert werden können. Ich erinnere mich noch ans erste Semester an der Uni. Wir haben damals bereits gerasterte Grundrisssegmente erarbeitet und dann zu größeren Strukturen zusammengestellt. Das Ganze machen wir jetzt natürlich auf einer etwas anderen Ebene, mit Softwareunterstützung, mit 3D, und für den Planer und Bauherrn sehr schnell und einfach. Jedes dieser einzelnen Module ist zu hundert Prozent in jedem Gewerk ausgeplant und mit nahezu jedem anderen kombinierbar. So erreichen wir eine Kostensicherheit, im Prinzip von der Minute an, in der das Projekt aus dem Baukasten konfiguriert ist.

TP: Kostensicherheit ist bei allen Bauprojekten, gerade im öffentlichen Bereich, ein Riesenthema. Da müssen wir an einem Strang ziehen.

  Torsten Prauser und Oliver Hartmann ­im ­Gespräch mit Katja Reich
Foto: Jan Ackerstaff

Torsten Prauser und Oliver Hartmann ­im ­Gespräch mit Katja Reich
Foto: Jan Ackerstaff

Auf Architektenseite gibt es nach wie vor Vorbehalte gegenüber standardisierten Bauweisen – was raten Sie hier?

TP: Wir haben immer noch das Thema, dass Begrifflichkeiten nicht ganz klar sind. Es wird noch viel durcheinandergeworfen. Da sind auch wir gefordert, die Begriffe klarer voneinander zu trennen. Wenn wir z. B. vom „Bauen“ sprechen, dann meinen wir den Modulbau. Dabei geht es um dauerhafte Bauaufgaben – und nicht wie im Containerbereich um temporäre  Lösungen.

OH: Das ist richtig. Und beim Bauen kommt dem Architekten, der Architektin eine entscheidende Rolle zu. Sie bzw. er ist der Player, der alle Fäden in der Hand hält und das Ganze steuern muss – also auch, die für den Bauherrn richtige Bauweise herauszufiltern. Ich kann hier an alle Architektinnen und Architekten nur appellieren, sich frühzeitig Beratung zu holen, wenn sie eine Bauaufgabe haben, die prädestiniert für eine serielle bzw. modulare Realisierung ist. Das heißt ja nicht, dass das Gebäude am Ende auch tatsächlich modular gebaut werden muss, schließt aber diese Variante nicht von vorneherein aus. So kann man den Bauherrn bestmöglich beraten und ihm die Entscheidung erleichtern, je nachdem welche Kriterien für ihn letztendlich ausschlaggeben sind.

TP: Ich kann mich dem nur anschließen, muss aber auch sagen, dass sich das Verhalten der Architektinnen und Architekten wandelt. Mittlerweile kommen viele Architekturbüros auf uns zu, um sich über die Möglichkeiten im Modulbau zu informieren – auch weil das Thema in Politik und Gesellschaft inzwischen einen anderen Stellenwert eingenommen hat. Wir haben darüber hinaus bereits sehr gute Erfahrungen mit IPA-Verfahren im öffentlichen Bereich gemacht. Hier arbeitet man wirklich von der ersten Minute an Hand in Hand mit dem Architekturbüro, dem Fachplanungsbüro, dem Bauherrn und dem Nutzer zusammen. Die Projekte werden in einem gemeinsamen Budgetrahmen entwickelt, von dem letztendlich alle profitieren. Das ist eine tolle Form der Zusammenarbeit, bei der man den Architekten von der ersten Minute an mitnehmen und mit der Bauweise vertraut machen kann.

  Oliver Hartmann
Foto: Jan Ackerstaff

Oliver Hartmann
Foto: Jan Ackerstaff

Wie sieht es denn mit den Grundlagen an den Hochschulen und Universitäten aus?

OH: Also Holzbau war auch zu meiner Studienzeit schon ein Thema, aber nicht in der Tiefe, wie es heute gelehrt wird. Modulbau als vollwertige Bauweise sollte an den Universitäten viel stärker in den Fokus der Lehre rücken. Aber ohne zu priorisieren, jede Bauweise hat ihre Berechtigung. Und deshalb müssen wir die jungen Leute an den Universitäten aufklären, ihnen frühzeitig die Angst nehmen. Denn mal ehrlich – wir wissen, wie es ist; was ich an der Uni nicht gelernt habe, damit tue ich mich dann auch im Architekturbüro bzw. woanders im Berufsleben zunächst schwer, bewege mich lieber auf bekanntem Terrain.

TP: Ich muss hier noch was ergänzen, das mir wichtig ist: Ich vermeide zu betonen, dass es eine vollwertige Bauweise ist. Es ist eine Bauweise - Punkt. Wir müssen uns hier nicht rechtfertigen. Wesentlich ist die Bauaufgabe, der Bedarf des Bauherrn – das muss man sich anschauen und entscheiden, welche Bauweise für die Umsetzung geeignet ist. Das Entwerfen in der Modulbauweise ist nicht so kompliziert, wie man sich das landläufig vorstellt. Das Arbeiten mit einem Raster ist auch keine Besonderheit der Modulbauweise, das gibt es genauso im Holzbau, im Betonbau, im Stahlbau.

Aufgabe der Architektinnen und Architekten ist es, mit einem Modulbau-Raster kreativ umzugehen. Uns hilft natürlich die lange Berufserfahrung. Anhand der Bauaufgabe erkennen wir recht schnell die verschiedenen Möglichkeiten. Aber ich betone: Kreativität ist nicht abhängig von der Bauweise.

Wie steht es denn um die Nachhaltigkeit der Bauweise? Sie hatten zu Anfang schon erwähnt, dass gerade jüngere Bewerberinnen und Bewerber gezielt danach fragen.

OH: Ich glaube, Nachhaltigkeit ist das am meisten genannte Wort in 2023 (lacht). Ich war vor einigen Wochen in Aachen auf einer Veranstaltung. Da wurde nochmals betont, „Nachhaltigkeit wird in nicht allzu langer Zeit die neue Währung sein“. Das ist jetzt ein bisschen überspitzt formuliert, aber es geht schon in diese Richtung. Und natürlich steht das in unseren beiden Unternehmen ganz oben auf der Agenda. Auf der Produktebene kann ich hier den Holzhybridbau erwähnen. Im Rohbau ist das Holzhybridmodul, so wie wir es bauen, bereits CO2-neutral. Im Vergleich mit einem reinen Holzmodul ist es jedoch wirtschaftlicher. Dadurch, dass die tragenden Elemente aus Stahl sind, kann die Konstruktion sehr schlank bleiben und es kann grüner, und wie bei uns üblich, recycelter Stahl verwendet werden, der mittlerweile gang und gäbe auf dem Markt ist. Für alle flächigen Bauteile wird Holz verwendet, so sind wir in der Bilanz CO2-neutral. Auf der Unternehmensseite gibt es zahlreiche Dinge, die wir bereits heute machen: E-Mobilität, Photovoltaik auf all unseren großen Dachflächen und somit die konsequente Nutzung regenerativer Energieressourcen für alle unsere Produktionsprozesse.

TP: Ja, das stimmt. Und zum Thema Green Steel muss ich auch nochmal einhaken: Das Thema Nachhaltigkeit muss immer zu Ende gedacht werden. Stahl ist der Recycling-Weltmeister unter den Baustoffen. Wir setzen fast zu hundert Prozent Stahl ein, der aus Schrott hergestellt wird. Wie alle Herstellungsprozesse muss natürlich auch die Stahlerzeugung in Zukunft CO2-neutraler werden. Da ist man mittlerweile schon recht weit beim Green Steel. Wir haben grünen Stahl bei einem Objekt in Dortmund, einer Cluster-Schule, eingesetzt und liegen in der CO2-Bilanz bei der Errichtung des Gebäudes um 30 % unter einem Massivbau. Wenn diese Entwicklung weiter anhält, dann sind wir auch im Bereich Stahl sehr gut aufgestellt. Denn eins muss man ja auch ehrlicherweise sagen: Der Bedarf im Bauen wird allein durch Holz nicht gedeckt werden können.

  Oliver Hartmann, Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Oliver Hartmann, Torsten Prauser
Foto: Jan Ackerstaff

Wie relevant ist in diesem Kontext der Aspekt Rückbaubarkeit?

TP: Ziemlich, denn gerade der Modulbau punktet am Ende seiner Nutzungsdauer immer noch mit den Themen Rückbau, Versetzbarkeit und Recycling. Das kommt auch bei den Planern so an, insbesondere wenn sie das erste Mal sehen, in welcher Qualität ein Modulbau auf die Baustelle kommt. Hier gilt es, weitere Referenzprojekten im Markt zu etablieren.

OH: Das sehe ich ähnlich. Natürlich wird ein Gebäude nachhaltiger, das ich nicht nur einmal, sondern mehrfach nutzen kann. Wir haben aktuell zwei Beispiele in München, setzen zwei Schulen an neue Standorte um. Dieses Prinzip verfolgen wir ohnehin seit Jahrzehnten z. B. auch mit unseren Mietgebäudelösungen.

 

Weiß man das denn in der Planungsphase schon?

OH: Ja, schon. Gerade im Schul- oder Kitabau sollte man eine mögliche oder geplante Trans­lozierbarkeit den ausführenden Unternehmen ­direkt am Anfang kommunizieren. Wenn man hier demografisch denkt, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Schule, die jetzt gebaut wird, zu einem späteren Zeitpunkt an einem anderen Standort benötigt und/oder einer geänderten Nachnutzung zugeführt wird. So können, im Sinne der Nachhaltigkeit, Gebäude entsprechend konzipiert werden, damit sie später problemlos versetzt oder auch angepasst werden können.

TP: Ja, der demografische Wandel ist das eine, auf der anderen Seite ändern sich auch Konzepte. Gerade im Schulbau haben wir das in den letzten Jahren gut beobachten können. Auch hier können wir leicht umbauen. Das ist ganz entscheidend. Oder man plant von vorneherein in mehreren Bauabschnitten. Diese können dann ohne Störung des laufenden Betriebs, z. B. in den Ferien, zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden. Das sind eindeutige Vorteile des modularen Bauens.

 

Zu vielen der Themen, die wir jetzt besprochen haben, haben Sie fast wie aus einem Mund gesprochen – wie grenzen Sie sich denn voneinander ab?

TP: Ich glaube, das hat viel mit unseren sehr ähnlichen Werdegängen zu tun. Im Großen und Ganzen tun wir uns keinen Gefallen damit, wenn wir gegeneinander arbeiten und versuchen, unsere Unternehmen gegeneinander auszuspielen. Im Gegenteil, wir ziehen an einem Strang, wenn es darum geht, den Modulbau immer weiter nach vorne zu bringen. Da haben wir beide den gleichen Qualitätsanspruch. Aber aufgrund der Erfahrungen, die wir mit unterschiedlichen Bauvorhaben und in der Weiterentwicklung unserer Fertigung gemacht haben, haben sich auch kleine Unterschiede herauskristallisiert. Am Ende geht es nicht nur um Technik, es geht um Kompetenz. Der Bauherr entscheidet sich immer für das Gesamtpaket. Da geht es auch viel um die Menschen im Unternehmen. Passt das zu mir, passt das zu meinen Bauaufgaben? Da arbeiten wir absolut im Wettbewerb.

OH: Dem kann ich nur zustimmen. Wir arbeiten am selben Thema. Dennoch sind wir zwei unterschiedliche Unternehmen, Familienunternehmen, mit langer Bautradition. Bei uns in diesem Jahr immerhin bereits 75 Jahre. Und wir haben uns über die Jahre, vielleicht auch durch die räumliche Nähe, einen Wettlauf um die Marktführerschaft geliefert, sowohl was die Technologie, aber auch was die Größe angeht. Dies hat dazu beigetragen, dass wir uns gegenseitig gepusht haben. Sozusagen ein Konkurrenzkampf zum Wohle des Bauherrn und der Architekten. Ich glaube, wenn es nur ein Unternehmen gegeben hätte, wären wir technologisch nicht so weit, wie wir es heute sind. Dieser sportliche, aber faire Wettbewerb ist schon wichtig, und wird auch bestehen bleiben. Der treibt uns beide an, weiterhin passende und vor allem immer bessere werdende Baulösungen für Architekten und Bauherrn zu bieten. Das ist unser gemeinsames Ziel.

 

 Das Gespräch mit Oliver Hartmann und Torsten Prauser führte DBZ Redakteurin Katja Reich am 12. Oktober 2023  in der Uni-Mensa in Siegen.

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