Liebe Leserinnen und Leser,

ich möchte hier gar nicht bei den Römern anfangen, die immer herhalten müssen, wenn etwas ganz grundsätzlich erläutert werden soll. Tatsächlich aber könnte man den Verdacht haben, dass wir mit dem Heftthema „Fassade“ genau dort anknüpfen könnten: beim Monolithischen der ersten Fassaden vor 2 000 Jahren.

Ich möchte auch nicht bei Vitruv anfangen, dessen in die Welt gesetzter Dreiklang gelungenen Bauens noch immer unsere Argumente zu bestimmen scheint, wenn es ums richtige Bauen geht. Vergessen wir also einmal die Römer – insbesondere den Marcus Vitruvius Pollio – und schauen auf gegenwärtige Fassaden, die längst hinterlüftet, medienaktiviert oder zumindest doch als Energieerzeuger, Quartierskühler, Lärmsenker, Luftreiniger  oder im zweitbesten Fall als Adresse funktionieren. Mit unseren Heftpartnern von Sauerbruch Hutton, die wie kaum ein zweites deutsches Büro das Thema „Fassade“ in auch ästhetischer Gestaltungsabsicht behandelt haben und behandeln, mit diesen Expertinnen zum Thema also sprachen wir… über das Material! Ob Holz, Stein, Ziegel oder Beton, ob ein- oder mehrschalig, ob mit oder ohne Farbe und wenn mit, mit welcher?

Im Gespräch mit den Architektinnen wurde uns, die wir zuerst auf die Leis-tungsfähigkeit einer Gebäudehülle schauen, anschaulich gemacht, dass das Gebäudekleid mehr können muss. Denn – da bin ich doch irgendwie wieder bei Vitruv und damit im Allgemeinen – Fassaden müssen auch schön sein, wollen sie auf Dauer im Stadtraum positive Wirkung entfallten. Alleine auf firmitas und utilitas zu setzen, reiche nicht aus, so jedenfalls die Architekten, mit denen wir am Ende vier Projekte diskutierten, die ins Heft gekommen sind: ein hölzern gläsernes (Fassaden)Schmuckstück in Kassel, eine elegante, den Bestand respektierende, großflächige Transformation, eine Geschichte der Entwicklung diverser Räume innen mit Wirkung auf die Fassadenansicht außen und nicht zuletzt der radikale Zusammenschluss von Tragwerk und Fassade, der in einen sowohl edlen wie robusten Mehrzweckbau mündete und dessen Flexibilität eine Gebrauchsdauer verspricht, die den Sichtbetonneubau am Ende vielleicht sogar klimaneutral erscheinen lässt, Beton hin oder her (immer davon ausgegangen, dass wir Neubauten tatsächlich auch brauchen).

Fassade ist – und das zeigt die Auswahl in diesem Heft – also auch venustas, ohne die wir am Ende Ödnis produzieren, die das Gebaute nicht selten zum Wegwerf- und Verbrauchsgut deklariert. Schönheit, was immer wir uns darunter vorstellen, ist dann doch mehr als eine reine Leistungsschau, ist mehr als ein Dämmwert oder mehr als die Präsentation eines noch einmal ganz neuen Produkts. Alle Planer haben in diesen vier Architekturen am großen Ganzen wie auch am Detail gearbeitet, Materialien probiert, mit Fachplanerinnen getüftelt und am Ende daraus Architektur gemacht. Fassade? Ja, die auch, aber auch Stadtraum, Anziehungspunkt, Adresse, Heimat gar?

Seien Sie herzlich gegrüßt, bleiben Sie beweglich,

Ihr

 

Benedikt Kraft

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