Liebe Leserinnen und Leser,

„Experimentelles Bauen“ als Thema einer DBZ-Ausgabe zu wählen, könnte man bereits als Experiment bezeichnen. Denn: Können wir das Experimentelle, dem wesentlich das Prozessuale, das Übergangshafte inne liegt, als gebautes Ergebnis zeigen? Jedem Experiment liegt ein Wagnis zugrunde, denn das, was ausprobiert wird, wurde vorher noch nicht so gemacht. Sicher, wir müssen heute keine Prototypen mehr bauen, um diese dann im Gebrauch zu testen – und meist ist dafür ohnehin kein Budget vorhanden. Simulationen sparen Zeit und Kosten und mindern das Risiko des Scheiterns und die Notwendigkeit einer Wiederholung, dann aber anders.

Das Bauen beruhte allerdings immer schon auf dem Experiment, das immer auf vorangegangenen Experimenten aufbaute, deren Summe den Erfahrungsschatz ausmacht. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik fußen genau auf dieser Geschichte, sie sind heute noch (auch juristisch) relevant. Dass wir unsere Experimentiergeschichte irgendwann gegen die Effizienzanforderungen tauschten, könnte durchaus ein Fehler gewesen sein. Heute am Bauen Forschende jedenfalls greifen für das zukünftige Bauen mehr und mehr auf den großen und teils schon verschütteten Erfahrungsschatz der Generationen vor uns zurück. Dabei entdecken sie das Handwerk neu, die Gemeinschaft, eine weniger auf das perfekte, also normengerechte Produkt Haus zielende Haltung.

Wir haben lange gesucht, um aus Bastelarbeiten und vorgeblich experimentellen Ansätzen tatsächlich Projekte zu identifizieren, die im Ansatz – denn mehr geht nicht – das Experimentelle in eine Praxis überführt haben. Dass wir bei dieser ­Suche von ZRS Architekten Inge­nieure, Berlin, namentlich Andrea Klinge, Eike Roswag-Klinge und Uwe Seiler, beratend begleitet wurden, hat sicherlich zur Fokussierung auf bestimmte Aspekte des Experimentellen geführt, aber auch dazu, dass Sie hier unterschiedlichste Varianten des Erforschens, Ausprobierens etc. nachvollziehen können.

So haben die Architekten von Florian Nagler mit Druckfestigkeit von Lehmsteinen ge­arbeitet und mit der Kombination verschiedener Materialien in eher ungewöhnlichen Verbünden (S. 22ff.). Die Frankfurter DGJ Architekten, wie Nagler ebenfalls in der Forschung aktiv, probierten mit dem Studierenden-Wohnheim den Holzbau einmal konsequent anders und waren in einem Team unterwegs, das bereits das Projektwerden und die Projektnutzung komplett und komplex neu dachte (S. 38ff.). Beim Holzcampus ­Diemerstein, einem Research-Design-Build-Projekt wurde neben neuen Knotenpunkten und reversiblen Verbindungsmitteln auch die Einbindung der Studierenden gewagt, vom Entwurf über die Planung bis zum Aufbau (S. 44ff.). Dass Hochregallager keine Blechkisten sein müssen, zeigt das Projekt der Architekten Michelgroup aus Ulm, die das Material der Baugrube (Lehm) für eine rund 240 m lange und 8 m hohe Lehmwand verwendeten, die zudem noch mit dem Regalsystem aus Holz zusammen funktionieren muss (S. 30ff.).

Experimentelles Bauen? Unbedingt, denn wo keine Experimente, da kein Fortschritt. Dass sich dieser nicht über Leistungsfähigkeit und Stückzahlen definieren muss, zeigen wir Ihnen in diesem Heft.

Seien Sie herzlich gegrüßt, bleiben Sie neugierig,

Ihr

Benedikt Kraft

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