Marienhospital, Herne
Wie kann man ein Krankenhaus-Hochhaus sanieren, ohne den laufenden Betrieb zu stören? Beim Marien Hospital in Herne machten Krampe Schmidt Architekten aus der Not eine Tugend und nutzten die Vorteile der statisch bedingten Stahlleichtbauweise für eine Fassadenerweiterung, die Baustellenlogistik und Haustechnik draußen ließ und damit beste Bedingungen für die Aufstockung und eine Step-by-Step-Sanierung von oben nach unten bot.
Text: Inga Schaefer, Bielefeld
Foto: Hans Jürgen Landes/ Krampe Schmdit Architekten
Krampe Schmidt Architekten sind seit 2013 mit dem Umbau des Marien Hospitals in Herne betraut. Im Rahmen eines Zielkonzepts wurden seither zahlreiche Baumaßnahmen umgesetzt, weitere stehen noch aus und sollen in den nächsten Jahren realisiert werden. In dem Gebäudekomplex aus den 1960er-Jahren wurde inzwischen das Bettenhaus aufgestockt und kernsaniert (2015-2020), auch der gesamte OP-Bereich wurde dabei erneuert und ergänzt. 2015 entstand ein Hörsaalzentrum, 2016 folgte ein Erweiterungsbau für die Urologie und Neurourologie mit einer Tagesklinik. Die 2018 abgeschlossenen Baumaßnahmen zum Umbau und der Erweiterung der Gynäkologieabteilung fanden ebenso wie der große Umbau des Bettenhauses im laufenden Betrieb statt. 2022 wurde ein neues Zentrallabor der St.Elisabeth Gruppe eröffnet.
Im Zuge der Gesamtsanierung der Universitätsklinik Marien Hospital Herne wurde das Foyer umstrukturiert und saniert. Die Möblierung bildet eine Passage zu
der erweiterten Aufzugsanlage
Foto: Hans Jürgen Landes/ Krampe Schmdit Architekten
In Herne ging es vor allem darum, den Standort zu sichern und das traditionsreiche Marien Hospital wieder fit für die Zukunft zu machen. Obwohl ein Neubau auf dem Krankenhausgrundstück möglich gewesen wäre, entschied sich der Träger für die Sanierung des Bettenhochhauses. „Man sollte immer zuerst untersuchen, ob die alte Struktur nicht weitergenutzt werden kann. Wir haben dem Bauherrn damals vorgerechnet, dass ein Neubau das Doppelte der veranschlagten Umbaukosten gekostet hätte und dass es nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus ökologischen Gründen Sinn macht, den Altbau zu sanieren“, erinnert sich Ulrich Krampe, Gesellschafter des Planungsbüros. Ein weiterer Aspekt des Bauherrn war die Imageverbesserung des Klinikums. Eine Musterstation im 1. Obergeschoss demonstrierte für alle sichtbar, wie das Haus nach der Sanierung aussehen wird. „Das war ein wichtiger Aspekt nicht nur für die Patienten, sondern auch für das Personal“, ergänzt Krampe.
Im laufendem Betrieb erhielt das
Gebäude zunächst zwei neue Geschosse, ermöglicht durch die
leichte Stahlskelettbauweise.
Die Erweiterung der Fassade nach
außen und eine Neuinstallation der Haustechnik ergaben schließlich
rund 3 600 m² neue Nutzfläche
Foto: Hans Jürgen Landes/ Krampe Schmdit Architekten
Infrastruktur draußen lassen
Dank eines statisch ausgeklügelten Stahlbauskeletts konnten die Architekten alle wirtschaftlich notwendigen Flächenerweiterungen umsetzen. Die schlanke Stahlrahmenkonstruktion erlaubte eine zweigeschossige Aufstockung mit Hohlkammerdecken sowie die Erweiterung der vorhandenen Geschossebenen nach außen, so dass nach dem Umbau insgesamt rund 3 600 m² mehr zur Verfügung standen. Dafür wurde die filigrane Konstruktion der Fassadenerweiterung von der Stahlkonstruktion der Aufstockung abgehängt und in jedem Geschoss an der Fassade verankert. Eine Fundamentierung wäre aus Platzgründen nicht möglich gewesen. An der Ostseite ergänzt eine neue Aufzugsanlage die innenliegende Erschließung durch zwei weitere Aufzüge. Der gesamte Klinikbau bekam passend zum neuen Gestaltungskonzept eine Fassade aus hellem Naturstein und erscheint jetzt wie aus einem Guss.
Die modernisierten Caféterien und Aufenthaltsräume tragen zur Zufriedenheit der Patient:innen und Mitarbeitenden des Klinikums bei
Foto: Hans Jürgen Landes/ Krampe Schmdit Architekten
Vor allem aber konnte dank der Stahlkonstruktion der Krankenhausbetrieb während des gesamten Bauprozesses aufrechterhalten bleiben. Denn letztlich konnte nur durch die neue Fassadenkonstruktion ein wesentliches Prinzip von Krampe Schmidt Architekten umgesetzt werden – die Haustechnik draußen zu lassen. „Man versucht dabei, möglichst viel der Infrastruktur nach außen zu legen, sowohl die Versorgungs- wie auch die Entsorgungsleitungen, aber auch die Baulogistik. Das hat sich bewährt“, erläutert Ulrich Krampe. Zwischen den Erweiterungen für die Bettenzimmer blieb Platz für einen Haustechnik-Schacht. Hier wurden die neuen Leitungen für die Lüftung und die Entwässerung eingebaut; insgesamt 60 bis 70 % der neuen Leitungen konnten hier verlegt werden. Die umgebauten Etagen wurden sukzessive an die neue Technik angeschlossen. So versorgten zum Beispiel die neuen Lüftungsleitungen bereits die oberen Etagen, während unten noch die alte Lüftungsanlage in Betrieb war.
Im laufenden Betrieb wurde auch der zentrale OP-Bereich in mehreren Bauphasen saniert und erweitert. Dazu gehörte unter anderem ein Hybrid-OP und ein urologischer Operationssaal
Foto: Hans Jürgen Landes/ Krampe Schmdit Architekten
Der Zeitplan sah für jede der ca. 1 800 m² großen Etagen eine Bauzeit von fünf bis sechs Monaten vor. Jede Krankenstation mit ihren 64 Betten musste an einem Wochenende umgezogen sein, so war die Vorgabe. „Das war eine wirkliche Herausforderung, zumal immer nur die Etage leergezogen war, in der gebaut wurde,“ erinnert sich Krampe. „Also haben wir die Stationen in Quadranten aufgeteilt. Die wurden im Rotationsverfahren teilweise leergezogen und in der Zeit konnten wir die Haustechnik von oben und unten anschließen.“
Unsichtbarer Baubetrieb
Außerhalb des Gebäudes nahmen ein Baugerüst und zwei gut funktionierende Bauaufzüge sämtliche Handwerker- und Materialbewegungen auf. Von den Bauaktivitäten in der Vertikalen blieb der Klinikablauf daher weitgehend unberührt. Auch einer der beiden neuen Klinikaufzüge wurde temporär als Bauaufzug genutzt – zumeist von den Handwerker:innen, weil er schneller war. Der Aufzug war so programmiert, dass er nur in der jeweiligen Bauetage und im EG anhielt. Dort sorgte eine sauber lackierte Staubwand für die störungsfreie und hygienische Trennung vom Klinikverkehr. Für die Lärmreduzierung wurden Kernbohrungen statt Durchbrüche eingesetzt und der alte Estrich vorsichtig schollenweise mit der Baggergabel abgebaut.
Mit seiner Jurastein-Fassade orientiert sich der zweigeschossige Erweiterungsbau am Haupthaus und fügt sich harmonisch in das Gesamtbild der Klinik ein
Foto: Hans Jürgen Landes/ Krampe Schmdit Architekten
Beim Umbau des OP-Bereichs kamen abgedichtete Staubschutzwände zum Einsatz, deren Dichtheit mit einem BlowerDoor-Test überprüft wurde. „Staub und Schmutz von der Baustelle dürfen auf keinen Fall in die OP‘s dringen. Dafür halten wir den OP-Bereich im Überdruck und den Baustellenbereich im Unterdruck oder zumindest unter normalen atmosphärischen Bedingungen. Ein leichter Unterdruck reicht aus, damit die Nachströmung nicht in die zu schützenden OP-Bereiche gelangt“, erläutert Jürgen Schmid, Geschäftsführender Gesellschafter bei Krampe Schmidt. Die OP-Bereiche waren teilweise auch infrastrukturell miteinander verbunden. Dafür wurden die Kanäle akribisch abgeschottet.
Alle Patientenzimmer verfügen über bodentiefe Fenster
Foto: Hans Jürgen Landes/ Krampe Schmdit Architekten
Kommunikation mit Baufachleuten und Laien
Umbaumaßnahmen, besonders im Krankenhaus, erfordern immer eine gute Kommunikation mit den Nutzer:innen. Im Krankenhaus sind das Ärzte, Pflegedienstleitung und Pflegepersonal sowie Patient:innen – aber auch die Technikabteilung und die Belegschaft aus der Verwaltung. Auf einem wöchentlichen Jour Fixe wurden sämtliche Zeitpläne und lärmintensiven Maßnahmen abgestimmt. „Die Kommunikation muss im Krankenhaus immer mit den Nutzer:innen stattfinden, die sind die eigentlichen „Auftraggeber“, auf deren Perspektive kommt es an. Da versuchen wir immer, uns hinein zu versetzen und zu vermitteln, was Bauen heißt, was Planen heißt, und einen gegenseitigen Austausch zu fördern. Das macht den Krankenhausbau so besonders“, erklärt Schmidt.
Einen wesentlichen Erfolg der Baumaßnahmen am Marien Hospital sehen Krampe und Schmidt denn auch in dem guten Team aus Ärzteschaft und Nutzer:innen, Handwerkerschaft, Fachingenieur:innen und der eigenen Bauüberwachung. Während der Baumaßnahmen arbeiteten immer drei bis vier Mitarbeiter:innen des Büros vor Ort in einem Baucontainer. „Anders kann man solche Projekte überhaupt nicht realisieren. Die Bauüberwachung muss sofort reagieren können und die Dinge vor Ort in Augenschein nehmen. Solche komplexen Projekte gelingen nur, wenn man laufend vor Ort ist“, betont Jürgen Schmidt.
Krampe Schmidt Architekten
Ulrich Krampe, Gesellschafter,
Jürgen Schmidt, Geschäftsführender Gesellschafter
www.krampe-schmidt.de
Hans Jürgen Landes Fotografie
Hans Jürgen Landes Fotografie
Baudaten
Objekt: Marien Hospital Herne, Aufstockung, Erweiterung und Sanierung
Standort: Hölkeskampring 40, 44625 Herne
Typologie: Krankenhaus der Maximalversorgung, Universitätsklinikum
Bauherr:in: St. Elisabeth Gruppe GmbH, Herne,
www.elisabethgruppe.de
Nutzer:in: St. Elisabeth Gruppe GmbH
Architektur: Krampe Schmidt Architekten, Bochum,
www.krampe-schmidt.de
Team: Ulrich Krampe, Jürgen Schmidt
Selen Aykaner, Raphael Büsing, Tatjana Cuzinova, Gabriela Espinoza, Helge Faust, Quynh Ha-Phuoc, Katrin Hollender, Lisa Hübbers, Michael Köcke, Oliver Koschmieder, Aytunc Kozak, Florian Krampe, Sandra Lange, Marina Morinc, Fabian Moritz, Marthe Helene Niendorf, Timo Pauly, Jutta Schafsteller, Achim Schlafke, Inga Sörensen, Bernd Vogelpohl
Bauleitung: Krampe Schmidt Architekten
Generalunternehmung: Einzelvergabe
Rohbau/Stahlbau: Beton- und Monierbau GmbH, Nordhorn,
www.bum.info
Fassade Naturstein: Zeidler & Wimmel Natursteinindustrie GmbH & Co. KG, www.zeidler-wimmel.de
Fassade Fenster/Glas: Schreinerei Gerwens, Gronau,
www.schreiner-tischler.de; LM Metallbau, Vreden,
www.lm-metallbau.com
Bauzeit: 10.2014 (Beginn Vorabmaßnahmen) – 12.2019
Projektdaten
Grundstücksgröße: 34 507 m²
Aufstockung und Sanierung Bettenhaus (2. bis 10. OG):
Nutzfläche: 8 360 m²
Technikfläche: 810 m²
Verkehrsfläche: 4 069 m²
Brutto-Grundfläche: 15 183 m²
Brutto-Rauminhalt: 52 865 m³
Erweiterung:
Nutzfläche: 2 020 m²
Technikfläche: 209 m²
Verkehrsfläche: 981 m²
Brutto-Grundfläche: 3 724 m²
Brutto-Rauminhalt: 14 935 m³
Baukosten (nach DIN 276):
gesamt Brutto 160 000 000 €
Fachplanung
Tragwerksplanung: Planungsgruppe Lärchenberg, Hannover,
www.planungsgruppe-laerchenberg.de
TGA-Planung: ITB GmbH, Senden-Bösensell,
www.itb-online.de
Fassadentechnik: Zeidler und Wimmel, Planungs- und Konstruktionsbüro Dipl.-Ing. Siegfried Liehr GmbH
Lichtplanung: ITB GmbH, Senden-Bösensell
Innenarchitektur: Krampe Schmidt Architekten, Bochum
Akustik: ib-hartung GmbH, Bochum,
www.ib-hartung.de
Landschaftsarchitektur: Krampe Schmidt Architekten
Energieplanung: Werner Bauingenieure, Unna, www.ing-werner.de
Brandschutz: Werner Bauingenieure, Unna
Energie
Bezogen auf die Aufstockung und Fassadenerweiterung:
Primärenergiebedarf: 204,06 kWh/m²a nach EnEV 2009 (nur Aufstockung)
Endenergiebedarf: 159,80 kWh/m²a nach EnEV 2009 (nur Aufstockung)
Haustechnik: Gas-Niedertemperaturkessel mit BHKW
U-Werte Gebäudehülle:
Außenwand = 0,219 W/(m²K)
Dach = 0,16 W/(m²K)
Fenster (Uw) = 1,30 W/(m²K)
Verglasung (Ug) = 1,1 W/(m²K)
Ug-total (mit Sonnenschutz) = W/(m²K)
Luftwechselrate n50 = /h
Hersteller
Beleuchtung: Zumtobel, www.zumtobel.com, Lightnet, www.lightnet-group.com, Doxis, www.doxis.be
Bodenbeläge: Gerflor, www.gerflor.de
Dach: Hoesch Isorock, wwwkingspan.com
Decken: Brespa-Hohldielen/DW Systembau,
www.dw-systembau.de
Fassade/Außenwand: Zeidler und Wimmel (Naturstein), Schüco (Pfosten-Riegel), www.schueco.com
Hoesch Isorock, Knauf (Aquapaneel), www.knauf.de
Fenster: Gutmann (Aluminium-Holzfenster),
www.gutmann.de
Innenwände/Trockenbau: Object Stone (Wandschutz u. Microflexx – Riflexx S – Pearl),
www.object-stone.com, Knauf, Promat,
www.promat.com
Möbel: Brunner (Foyer), www.brunner-group.com, Kvadrat Softcells (Akustikelemente Foyer),
www.kvadrat.dk
Sanitär: Villeroy & Boch, www.villeroy-boch.de, Alape, www.alape.com, www.alape.com, Dallmer, www.dallmer.de, Erlen (Steckbeckenspülen Patientenbäder), www.erlenmed.de
Sonnenschutz: Roma, www.roma.de
Türen: Forster (Stahlrahmen-Innentüren),
www.forster-profile.ch, Jeld-Wen (Innentüren),
www.jeld-wen.de, Record (Karusseltür),
www.record.de, Geze, www.geze.de
Deckensystem Aufstockung: Peikko Deltabeam,
www.peikko.de