Pionierarbeit. Krankenhausbau in Passivhausstandard

Krankenhäuser sind mit die größten Energieverbraucher unter den Bauwerken. Jedes Bett benötigt so viel Energie wie ein großes, altes Einfamilienhaus. Dass es auch anders geht, zeigt Frankfurt mit seinem derzeit größten Bauprojekt. Das Klinikum Frankfurt Höchst weist mit einem energiesparenden Neubau den Weg in die Zukunft des Krankenhausbaus. Welche Punkte beim energieeffizienten Krankenhausbau im Passivhausstandard besonders zu beachten sind, wird im Folgenden ausgeführt (hierzu gibt es auch einen instruktiven Film an dieser Stelle).

Erstes Krankenhaus in PH-Standard

Frankfurt hatte als erste Stadt vor Leipzig, München, Essen und Köln den Passivhausstandard für alle öffentlichen Gebäude festgeschrieben. Das Klinikum Frankfurt Höchst wird das erste komplett in Passivhausbauweise errichtete und auch als solches zertifizierte Krankenhaus Deutschlands werden. Damit will die Stadt Frankfurt mit dem ca. 200 Mio. € teuren Bauprojekt einen weiteren Meilenstein für energieeffizientes Bauen setzen. Auf acht Geschossen sollen 850 Betten und die dazugehörige medizinische Vollversorgung untergebracht werden. Der kompakte Rasterbau mit vielen kleinen Innenhöfen ist ein Entwurf des Architekturbüros woernerundpartner, das für die Planung die Passivhausspezialisten der FAAG Technik, Frankfurt, des Darmstädter Passivhaus-Instituts und des Instituts Bauen und Nachhaltigkeit, IBN, hinzugezogen hat. Der Baubeginn soll noch in diesem Jahr erfolgen, die Fertigstellung ist für 2015 geplant.

Passivhausstandard auf dem Vormarsch

Die Passivhausbauweise hat sich zum Standard entwickelt. Mit Wohnhäusern hatte vor ca. 20 Jahren alles angefangen, heute sind es Schulen, Verwaltungsbauten, Banken, Produktionsstätten, Pflegeheime. Selbstverständlich eignet sich dieser Baustandard auch für den Krankenhausbau. Neben den vier wesentlichen Passivhauskriterien – zusätzliches Wärmedämmpaket, 3-fach-Verglasungen, eine sehr luftdichte Gebäudehülle und natürlich das konsequente Vermeiden von Wärmebrücken – müssen betriebsbedingt allerdings andere Parameter berücksichtigt werden. Die für die Planung und Konzeption von Krankenhäusern geltenden Anforderungen unterscheiden sich vom Standard für den Wohnungsbau vor allem in zwei Punkten:

Für den Krankenhausbau gelten höhere hygienische Anforderungen und damit größere  Volumenströme, die höhere Wärmeverluste bedingen. Durch die medizinisch-technische Aus­stattung (Kernspintomographen, Röntgengeräte, Sterilisation, OP‘s) und die haustechni­sche Ausstattung (Lüftungsanlagen, Aufzüge, Großküche) entstehen höhere Wärmelasten, die gekühlt werden müssen.

Optimiertes Energiedesign

Daher liegt es gerade im Krankenhausbau nahe, nicht nur die Gebäudehülle, sondern auch das Energiedesign für Medizin- und Haustechnik im Passivhausstandard zu planen und so die thermischen Verluste auf ein wirtschaftliches Minimum zu senken und den Bedarf durch Verlagerung interner Wärmequellen zu internen Wärmesenken zu decken.

Die Optimierung der technischen Geräte führt ebenso wie die Berücksichtigung der technischen Kenndaten in der architektonischen Planung zu neuen Planungsmaßstäben. Zum Beispiel werden im Unterschied zur konservativen Krankenhausplanung zwar die Luftmengen reduziert, die Kanalquerschnitte vergrößern sich jedoch, weil der maximal zulässige Druckverlust in einem Lüftungssystem extern 350 Pa nicht überschreiten sollte. Die daraus folgenden geringen Strömungsgeschwindigkeiten verringern die Antriebsleistung der Ventilatoren, was eine minimale Veränderung der Werte von 10 % gegenüber konservativer Planung ausmacht. Allerdings führt die geringe Abwärme der Ventilatorenmotoren bei Passivhäusern auch nicht mehr zu einer Lufttemperaturerhöhung, die bei konservativer Planung Kühlbedarf erfordert. Solche Anlagenänderungen müssen im architektonischen Entwurf Berücksichtigung finden.

Die Energieklassifizierung der Aufzüge ist aus der VDI 4707 ersichtlich. Zudem ist eine Kabinenbeleuchtung mit LED empfehlenswert, die nur bei Fahrt anschaltbar ist und eine hohe Schaltlebensdauer bei geringem Strombedarf aufweist. Nachts werden die Aufzüge in den Sleep-Modus gesetzt, Türantriebe werden bei Stillstand ausgeschaltet. Maschinenraumlose Aufzüge sparen nicht nur Heiz- und Kühlenergie, sondern auch wertvollen Raum.

Wärme

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Reduzierung des Energieverbrauchs ist neben der Reduzierung des Strombedarfs aller Verbraucher die Wahl des richtigen Energieversorgers zur Bereitstellung der Primärenergie. Im Fall des Klinikums Höchst wird Biogas vom örtlichen Versorger als Energieträger angeboten. Es steht für die Versorgung eines Blockheizkraftwerks (BHKW) zur Wärme- und Stromerzeugung und für die Küche zur Verfügung. Mit dem Temperaturniveau der BHKW’s kann die Warmwasserbereitung sichergestellt ­werden. Über Betonkernaktivierung – Rohrschlangen in den Betondecken – wird der Grundwärmebedarf (wie auch der Kühlbedarf) für das Krankenhaus bereitgestellt. Für die bedarfsorientierte Temperaturregelung entwickelte Mini-Einzelraum-Lufterhitzer beziehen ihr Heizwasser aus dem vorhandenen Heizungskreislauf und regeln mit einer Leistung von 400 W wirtschaftlich die individuelle Raumtemperatur.

Kühlung

Im Sommer kann man sich das Prinzip der adiabatischen Kühlung zu Nutze machen. Dabei nimmt gespeichertes Regenwasser (alternativ Grundwasser) durch Verdunstung Wärme auf. Durch den Prozess der Verdunstungskälte wird die Zuluft gekühlt. Die in die Decken eingebrachten Rohrschlangen, die die Räume im Winter auf Niedertemperaturniveau temperieren, dienen im Sommer zur Einbringung der Kühlenergie. Durch die umsichtige Wahl von medizinischen Geräten, die mit einer Kühlmitteltemperatur von nur 12 °C auskommen, kann auf Kompressionskälte verzichtet werden.

Lokale Wärmelasten durch Medizintechnik, Sterilisatoren oder Küchengerät werden über Wärmepumpen dorthin befördert, wo die Wärme verlangt wird. Dies verringert Kühl- und Wärmelasten gleichzeitig.

Temporär genutzte Räume lassen sich durch Latentwärmespeicher (Phase-Change-Materials, PCM) puffern, die ohne Hilfsenergie funktionieren. Dabei schmelzen die in die Putzoberflächen eingebundenen Paraffine bei einer Raumtemperatur von 24 °C, nehmen die Raumwärme auf und entziehen so der Raumluft die Temperatur. Die Raumtemperatur steigt nicht mehr, bis alle Paraffine flüssig sind. In der Nacht erhärten die Paraffine ­wieder, in dem sie die gespeicherte Wärme wieder an die kühlere Nachtluft abgeben. Auf diese Weise kann zum Beispiel für den Sterilisationsraum Kühlenergie für den Tag und Heizenergie für die Nacht eingespart werden.

Pumpen

Auf zentrale Heizungspumpen kann weitestgehend verzichtet werden: Im Zimmer positionierte 1 Watt-Minipumpen nehmen sich gradgenau die Wassermenge aus dem Heiznetz, die der Raum gerade benötigt. Bei z.B. 1000 Zimmern errechnen sich lediglich 1000 W = 1 kW für die gesamte Heizungswasserversorgung. Thermostatventile entfallen.

Fenster

Bodentiefe Verglasungen sind möglich und sinnvoll (Stichwort: Heilung durch Ausblick). Kaltluftströmungen treten durch die hohen Oberflächentemperaturen im Winter nicht mehr auf, daher können Heizkörper unter den Fenstern entfallen.

Luftdichtheit

Im Krankenhausbau sollte ein Wert von 0,1 h-1 angestrebt werden. Dieser hat, neben der Einsparung von etlichen t CO2 im Jahr, auch noch den Vorteil der Minimierung möglicher Bauschäden durch ggf. vorhandene Einzelleckagen.

Lüftung

Für den Heilerfolg in Krankenhäusern ist Hygiene das oberste Gebot. Im konservativen Krankenhausbau wird mit sehr hohen Luftwechselraten gearbeitet, die eine Wärmerückgewinnung von bestenfalls 60 % zulassen. Für das Hauptziel der Lüftungsanlagen, nämlich die Sicherung des hygienisch notwendigen Mindestluftwechsels, sind schon deutlich geringere Luftwechselraten ausreichend, die zudem mit einem verbesserten Wärmebereitstellungsgrad (85 % und mehr) einen erheblichen Teil des Heizwärmebedarfs einsparen helfen. Bis zu einer Außentemperatur von ca. 0 °C ist auch in einem Passiv(kranken)haus die Abwärme von Menschen und Maschinen zur Erwärmung der Innenräume ausreichend. Selbstverständlich sind alle Passivhauskriterien an die Gebäudeausrüstung zu erfüllen (maximale spezifische elektrische Leistung unter 0,45 Wh/m³, unter 350 Pa Gesamtdruck pro Lüftungsgerät, Hocheffizienzpumpen etc.)

 

Luftfeuchte

In allen pflege- und heilintensiven Räumen ist eine Luftfeuchtigkeit von 35–60 % vorzuhalten. Die bekannten Befeuchtungssysteme sind entweder hygienisch bedenklich (Düsenkammerbefeuchtung) oder energetisch nicht haltbar (Dampfbefeuchter). Die Planung der Feuchte-Performance geht von den zwei Eckpfeilern des Energiedesigns aus: Vermeidung von Verlusten sowie Speicherung und Phasenverschiebung. Verluste durch undichte Gebäudehüllen, überhöhte Luftmengen und Verzicht auf Feuchtrückgewinnung werden durch die konsequente Umsetzung der Passivhauskriterien vermieden.

Die Nutzung des Gebäudes als Feuchtespeicher ist ein wesentlicher Beitrag einer guten Feuchte-Performance. Krankenhäuser sind am Sommerende über 1 000 t schwerer als am Ende des Winters, weil das Gebäude Tausende von Litern Wasser speichert. Für die Feuchte-Performance können also die Feuchteabgabe von Personen etc. (1 000–3 000 l/d) und vor allem die Feuchteübertragung aus der Abluft in die Zuluft genutzt werden. Die Vorteile der Feuchteübertragung liegen in der schnelleren Genesung von bettlägerigen Patienten (geringerer Austrocknungsgrad) sowie in einer Verbesserung der Atemluft und damit der Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal und Ärzte. Sozusagen als Nebeneffekt wirkt sich die annähernd gleichbleibende Luftfeuchte positiv auf die Baukonstruktion aus, denn Rissbildungen durch Schwinden und Deckeln werden minimiert. Zudem wird die in der Feuchtigkeit enthaltene Energie im Haus gelassen (vergleichbar mit einem Brennwertkessel, wo die Kondensationswärme zu einem ca. 10 bis 15 % höheren Wirkungsgrad führt).

Die Feuchteübertragung kann durch zwei unterschiedliche Systeme erfolgen: Rotationswärmetauscher mit hygroskopischer Beschichtung oder Feuchteübertragung durch semipermeable Wärmetauscheroberflächen. Rotationswärmetauscher sind in vielen Bereichen unkritisch einzusetzen, da moderne Lüftungsgeräte über eine Spülkammer verfügen, so dass keine Luftmoleküle von der Abluft in die Zuluft übertragen werden können. Zur Sicherheit können Aktivsauerstoffsysteme nachgeschaltet werden. Die feuchteübertragenden Membrantauscher machen sich die unterschiedliche Molekülgröße von Luft- und Wassermolekülen zu Nutze. Die signifikant kleineren Wassermoleküle durchdringen die kleinen Poren der Wärmetauscher-Membranen, die größeren Luftmoleküle hingegen bleiben auf der Abluftseite.

Stromversorgung

Für die Deckung der Grundlast dient die Eigenstromerzeugung der BHKW’s. Gezieltes Lastmanagement verringert die Problematik von Spitzenlasten. Der Einsatz der Biogas betriebenen Küche verringert die Lastspitze. Durch kurzfristige Reduzierungen des Luftvolumenstroms in den Bettenzimmern kann bei Hochbelastungen durch den hohen Verbrauch von Sterilisationsgeräten, MRT, CT o.ä. ein Teil der Stromspitze gekappt werden.

Ein optimiertes Energiedesign kann im Idealfall einen Betriebshof mit eigenen Elektrofahrzeugen vorsehen, der über eine gebäudeintegrierte Photovoltaikanlage gespeist wird. Dieser dient als Stromspeicher in sonnenreichen Phasen und als Spitzenlastpuffer. Alternativ kann eine Big-Bloc-Batterie (BBB) auftretende Spitzenlasten bedienen.

Ein Gleichspannungsnetz kann Hunderte von verlustbehafteten Netzteilen ersetzen. Auch ist die Umwandlung von Gleichspannung aus der BBB zu Gleichspannung nur mit geringen Verlusten behaftet. Im 24 V-Netz haben viele technische Geräte einen erheblich geringeren Verbrauch, zum Beispiel verbraucht ein netzoptimierter Bewegungsmelder nur noch 0,01 W – dies ist ein Fünfzigstel eines konventionellen Verbrauchers gleicher Bauart.

Thin Client bezeichnet die Methode, auf lokale Rechner am Arbeitsplatz zu verzichten. Externe Rechenzentren liefern die gesamte Rechenleistung, – so dass Serverräume (und deren Kühlung) durch die Auslagerung entfallen. Übrig bleibt ein Thin Client mit einer lokalen Leistung von 10 bis 15 W/Arbeitsplatz. Demgegenüber stehen Leistungen lokaler EDV-Systeme von 200 bis 300 Watt, die natürlich auch Kühlleistungen fordern.

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