Modulbau im Bestand –
Studierendenwohnen, Mannheim
Dass modulares Bauen eine spannende Option auch im Gebäudebestand darstellen kann, die gleichzeitig die Bauzeit verkürzt, zeigt ein aktuell im Bau befindliches studentisches Wohngebäude in Mannheim. Auf einem innerstädtischen Grundstück mit beengten Platzverhältnissen planten blocher partners modularen Wohnraum rund um ein denkmalgeschütztes und zu sanierendes Bestandsgebäude.
Für ein im Herzen von Mannheim gelegenes Grundstück lobte das Studierendenwerk Mannheim 2020 einen Wettbewerb aus, aus dem der Entwurf von blocher partners als Sieger hervorging. Der Bauherr entschied sich damit bewusst für eine nachhaltige und zukunftsweisende Bautechnik sowie für eine gegenüber der klassischen Massivbauweise deutlich kürzere Bauzeit. Das Besondere der Bauaufgabe war dabei nicht nur eine Baulücke mit beengten Platzverhältnissen, sondern auch die notwendige Integration eines auf dem Grundstück verbleibenden, denkmalgeschützten Bestandsgebäudes. Die Architekten reagierten hierauf mit einer Ergänzung in Holzmodulbauweise, die das gründerzeitliche Gebäude in der Mitte des Grundstücks einrahmt und sich mit ihm verzahnt. Von den 92 Wohnräumen sind 18 Zimmer in neun Wohngemeinschaften im Bestandsgebäude und 74 in den Holzmodulen untergebracht. Sechs Zimmer sind behindertengerecht ausgebildet. Neben den Wohneinheiten für die Studierenden umfasst das Raumprogramm ein auch für Externe zugängliches Café, einen Co-Working-Space, Parkflächen unter dem aufgeständerten Gebäudeteil und im Hof sowie eine gemeinschaftliche Lounge für die Bewohnerinnen und Bewohner unter dem Dach.
Vollständig ausgestattete Raummodule
Um den Montage- und Ausbau-Aufwand möglichst gering zu halten, konzipierten die Architekten vorgefertigte, teils sehr individuelle Module, die jedoch als drei verschiedene Alternativen in Serie produziert werden können. Das bedeutet: Trotz einer anfänglich individuellen Entwicklung und wenigen Varianten ist die industrielle Fertigung durch die digitale Planung in der Lage, kostenoptimiert zu produzieren.
Unterschiedlich hohe Zwischenrahmen dienen als Ausgleichselemente der Geschosshöhe zum Bestand. So kann trotz der vorgegebenen unterschiedlichen Raumhöhen eine ebenerdige Verbindung in allen Geschossen gewährleistet werden. Neben den Modulen für die einzelnen Geschossebenen wurden auch zwei verschiedene Dachmodule entworfen. Die einzelnen Module bilden jeweils ein studentisches Apartment aus, das bereits mit vollständiger Technikinstallation und einem Innenausbau mit Bett, Tisch, Schrank, Pantry und Duschbad auf die Baustelle geliefert wird. Die Anbindung der Technik an die Gebäudeinfrastruktur erfolgt über die flurseitigen vertikalen Installationsschächte. Damit liegen alle Leitungen außerhalb des Raummoduls und es kann Lärm vermieden werden.
Konstruktive Besonderheiten
Bis auf die Außenwand, die aus energetischen und schallschutztechnischen Gründen als Holzrahmenbau konstruiert ist, ist das gesamte Raummodul aus Brettsperrholz in Massivholzbauweise gefertigt. Vertikal lasten die einzelnen Module aufeinander auf. In horizontaler Ebene sind sie über Knaggen mit der Geschossdecke des Flurs aus Stahlbeton verbunden und bilden eine sogenannte Scheibenwirkung. Die Längswände der Module sind zusätzlich miteinander durch Schraubverbindungen mittels Gewindestangen verbunden. Bereits frühzeitig haben die Architekten mit ihrer Kompetenz im Holzbau die neuralgischen Punkte definiert und die Details dazu bereits in der Leistungsphase 2 gemeinsam mit der Tragwerksplanung, dem Brandschutz und der Bauphysik entwickelt. Auch an eine zusätzliche Schallentkopplung wurde gedacht. Der Brandschutz der holzsichtigen tragenden Wände in den Raummodulen wurde durch eine Bemessung der Wandstärken nach Abbrand in F90 erreicht. Eine Besonderheit bei der Erstellung ist die parallele Errichtung der siebengeschossigen Brandwände mittels Halbfertigteilen und der Aufstellung der Holzmodule. Dies kann nicht unabhängig voneinander erfolgen, da die hohen Brandwände nicht vorgefertigt und auch nicht freistehend ausgebildet werden können. Die Fassaden werden an den freistehenden Wandflächen der Brandwände zum Nachbargrundstück als WDVS ausgebildet, die übrigen Fassaden sind als vorgehängte hinterlüftete Fassaden mit Bekleidungen aus Faserzementplatten vorgesehen. Darüber hinaus sind vertikale Fassadenbegrünungen denkbar.
Aspekte der Nachhaltigkeit
Der hohe Vorfertigungsgrad hat viele Vorteile: zum einen kann eine hohe handwerkliche Präzision und gleichbleibende Qualität garantiert werden, zum anderen wird die Bauzeit in der beengten Innenstadtlage merklich reduziert. Mit dem Einsatz von Holz entschied sich der Bauherr für einen nachwachsenden Rohstoff, der dank seiner Natürlichkeit eine angenehme Raumatmosphäre sowie eine hohe Raumluftqualität erzeugt. Studien belegen, dass in Kitas, Schulen und Studierendenwohnheimen weniger Krankheitstage bei Personal und Nutzern registriert werden, als das in Massiv- und Stahlbetonbauten der Fall ist.
Eine nahezu vollständige Rückbaubarkeit ist zudem gegeben. Die Energieversorgung gewährleis-ten u. a. die PV-Anlagen inkl. Stromspeicher auf den Flachdächern. Kleiner Wermutstropfen: die angestrebte DGBN-Zertifizierung konnte leider nicht erreicht werden, da sich die Anforderungen an die Barrierefreiheit nicht vollständig erfüllen ließen. Aufgrund des beengten Grundstücks konnten nicht ausreichend viele Zimmer nach Musterbauordnung untergebracht werden und auch die vollständig schwellenlose Erschließung aller Zimmer ließ sich nicht erreichen. ⇥KR
Projektdaten
Architektur: blocher partners,
www.blocherpartners.com
Bauherr: Studierendenwerk Mannheim
Fertigstellung: 2024
Hersteller: in Abstimmung