Sanierung und Erweiterung eines Gemeinschaftsschwimmbads, Saint-Méen-Le-Grand/FR
Ein Schwimmbad ist nicht nur eine Sporteinrichtung, sondern ein bedeutender sozialer Ort, der Menschen aller Altersgruppen zusammenbringt und gerade für kleine Ortschaften eine wichtige Institution darstellt, wie das Beispiel des am 1. April 2023 offiziell eröffneten, neuen und von Atelier Raum - Architekten realisierten Schwimmbads Acorus in Saint-Méen-Le-Grand zeigt.
nalysiert man das Projekt des Umbaus im Detail, wird deutlich, wie umfangreich die Bauarbeiten waren und wie eingreifend das ursprüngliche Bauwerk – mit viel Fingerspitzengefühl – verändert wurde.
Der Bau eines Schwimmbads ist eine große finanzielle Investition für eine Gemeinde mit gerade einmal 4 600 Einwohnern. Interessant ist allerdings, wenn das Schwimmbad, wie im Fall des Ortes Saint-Méen-Le-Grand in der Bretagne – ca. 50 km westlich der Hauptstadt Rennes – aus einer bereits bestehenden Struktur heraus entwickelt wird, weil damit der Bezug und die Identifikation mit dem Ort erhalten und fortgeführt werden kann.
Den vielfältige Dachformation verliehen die Architekten mit der Deckung aus Schieferplattten Einheitlichkeit
Foto: Charles Bouchaib
Die Architekten ließen sich beim Entwurf der neuen Anlage, wie Architekt Julien Perraud, Projektleiter und Partner bei RAUM, betont, von Elementen des ursprünglichen Bades leiten: „Charakteristiken, wie die Kleinteiligkeit, die Dachformen und die Materialien wollten wir auch beim Umbau und Ausbau wiederverwenden und weiterführen. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Anlage.“ Entstanden ist ein moderner, zweckdienlicher Bau mit verschiedenartigen räumlichen Atmosphären und einer eigenwilligen und spezifischen Architektursprache.
Im Herzen von Saint-Méen-Le Grand
Das Wassersportzentrum liegt im Herzen des Ortskerns von Saint-Méen-Le-Grand in unmittelbarer Nachbarschaft der örtlichen Mediathek, des Kulturzentrums Théodore Botrel, der denkmalgeschützten Abteikirche Saint-Méen aus dem 17. Jahrhundert und eingebettet zwischen verschiedensten Sporteinrichtungen wie dem Fußball-, Tennis und Basketballplatz, der Judohalle und dem Leichtathletikareal.
Während die Außenarchitektur ein schwarzes Holzkleid trägt, erstrahlen die Innenräume ganz in Weiß
Foto: Charles Bouchaib
Die privilegierte Lage auf einer leichten Anhöhe und neben der Kirche waren für die Architekten entscheidende Entwurfs-parameter, die nicht nur die Gebäudevolumen des ebenerdigen Bauwerks mit seiner facettenreichen Dachlandschaft, sondern auch die Materialwahl von Schiefer und Holz und die Komposition der Fenster mit Blick auf die umliegende Landschaft wesentlich beeinflussten.
Nicht nur die charakteristische Dachform des Bestands haben die Architekten in ihrer feinfühligen Sanierung und Erweiterung erhalten und aufgewertet
Foto: Charles Bouchaib
In die Jahre gekommen
Das ursprüngliche Bauwerk differenzierte sich trotz seiner spezifischen Funktion architektonisch und maßstäblich nicht von der lokal vorherrschenden Einfamilienhaustypologie: ein banaler, verputzter und gelb gestrichener oder mit dunkelbraunen Holzbrettern verschalter Baukörper aus Mauerwerk mit einem hölzernen Dachstuhl und einer Dachdeckung aus Schiefer.
Das Schwimmbad wurde 1994 errichtet und 2008, 2013 und 2015 mehrmals renoviert, um- und ausgebaut. Das einfache Hallenschwimmbad mit seiner rudimentären Ausstattung besaß ein Schwimmbecken – das heutige Planschbecken – einige Umkleidekabinen, Duschen, WCs, ein Büro und einen kleinen Kiosk. Die veraltete Einrichtung war, trotz ihrer zahlreichen Erweiterungen, über die Jahre unzureichend geworden.
Das neue Sportschwimmbecken wird von einem Holztragwerk überspannt, das eine Verkleidung aus schmalen Holzprofilen erhielt. Der Anbau bietet einen Panoramablick in die Landschaft
Foto: Charles Bouchaib
Daraufhin beschloss die Communauté de communes de Saint-Méen Montauban, ein Gemeindeverband, der die umliegenden Ortschaften zu einer administrativen Einheit zusammenfasst, 2019 einen Wettbewerb auszuschreiben, den RAUM für sich entscheiden konnte, mit dem Ziel, nicht nur das bestehende Schwimmbad zu vergrößern, sondern es zu einem Erlebnisbad mit Wasserspielen und einem großen Sportschwimmbecken zu erweitern. Damit einhergehend sollten die Technik- und Serviceräume erneuert, Umkleiden und Lager erweitert und die gesamte innere Organisation überdacht werden.
Beim Planschen und Schwimmen bieten sich Ausblicke in die Natur
Foto: Charles Bouchaib
Architektonischer Ansatz
„Die zeitgenössische Forderung nach ressourcenschonendem Bauen führte uns zur Idee, den Bestand in die neue Komposition zu integrieren“, erläutert Perraud. Von diesem Ansatz ausgehend definierten die Architekten drei weitere Prioritäten:
Zum einen die Entwicklung einer zeitgenössischen Architektursprache, die a priori nicht dem gängigen Bild von Schwimmbad-Architektur entsprechen muss. Zum zweiten den Entwurf einer starken räumlichen und visuellen Beziehung zwischen dem Gebäudeinneren und der Umgebung durch die Organisation der Innenräume, die Ausrichtung und die Gestaltung der Ausblicke auf die umliegende Landschaft. Zum dritten den Entwurf einer kohärenten und der Einrichtung entsprechenden Tragwerksstruktur, sowie einer effizienten, dichten und gut isolierten Gebäudehülle.
Im Bereich zwischen dem bestehenden Becken und dem neuen Sportschwimmbecken konnte ein Kinderbecken eingerichtet werden
Foto: Charles Bouchaib
Stärkung der volumetrischen Heterogenität
Auf diesen Entwurfsprinzipien basierend ist ein Bauwerk mit einer starken plastischen Ausstrahlung und einer facettenreichen Dachlandschaft entstanden. Das Bauwerk scheint auf den ersten Blick aus einem Block herausgearbeitet worden zu sein. In logischer Fortführung der bestehenden und gereinig-ten Dächer wurden die verschiedenartig ausgerichteten, sich überschneidenden und zum Teil erweiterten Giebel- und Pultdächer alle mit Schieferplatten gedeckt.
Verstärkt wird die monolithische und kompakte Erscheinung durch die schwarze Douglasien-Holzschalung, die alle isolierten Fassaden einhüllt. Einzig das langgestreckte Volumen des neuen Sportschwimmbeckens mit seinem hohen Dach, das durch die völlig verglasten Wände scheinbar über dem Boden zu schweben scheint, bricht aus diesem Gebäudeblock aus. Das dunkle, kompakte Äußere kontrastiert ganz bewusst mit den hellen, weiß verfliesten und lichtdurchfluteten Innenräumen.
Der Bestandsbau des Hallenschwimmbads von 1994 war trotz mehrerer Sanierungen in die Jahre gekommen
Foto: RAUM
Übersichtlichkeit und Funktionalität
Im Inneren wurde das Schwimmbad völlig neu organisiert: Das Schwimmbad dient allen Bewohnern und Schulen der Communauté de communes. Dementsprechend wurde der neue Eingang an der Nordwestseite, in unmittelbarer Nähe zum etwas tiefer gelegenen Parkplatz eingerichtet. Die Verwaltungsräume wurden zentral in einem hinzugefügten Volumen an der Südwestkante untergebracht, mit Blick auf den Eingangsbereich, das benachbarte Sportareal und in das Schwimmbad. Die Umkleidekabinen, Schließfächer und Sanitäranlagen wurden an der Nordostseite, hinter dem Empfang beibehalten, umstrukturiert, modernisiert und erweitert. Der Empfang öffnet sich mit großen Glasfronten in den Badebereich und ermöglicht einen guten Überblick über die drei Badebecken.
Im neu hinzugekommenen Verbindungsbereich zwischen dem bestehenden Becken und dem neuen Sportbecken konnte ein Kinderplanschbecken organisiert werden. Das ebenfalls in diesem Gebäudeteil angesiedelte Büro der Rettungsschwimmer und die Krankenstation profitieren von einem sekundären Servicezugang für Notfälle.
Lageplan M 1 : 10 000
Lageplan M 1:10000
Rundumsanierung
Um den Um- und Zubau überhaupt realisieren und das Bauwerk den technischen und räumlichen Anforderungen anpassen zu können, mussten in einem ersten Arbeitsschritt die Fundamente unter dem Bestandsgebäude verstärkt und die im Hang verborgen liegenden, unterirdischen Gänge, die die Verbindung zwischen Alt und Neu bilden, für die neuen technischen Installationen erneuert und erweitert werden. Die darüber aufgebaute Dachtragstruktur besteht aus zwei Teilen: Während der Dachstuhl über dem bestehenden Becken verstärkt und das System der Giebeldächer über den hinzugefügten Volumen fortgesetzt wurde, spannt sich über dem neuen Sportschwimmbecken ein teilweise zugängliches Holzfachwerk, das auf kaum wahrnehmbaren, schlanken und x 12 cm starken Stahlsäulen auflagert wurde. Im Gegensatz zum alten Gebäudeteil, in dem der Dachstuhl vielerorts sichtbar belassen wurde, verbirgt sich die mächtige Holzkonstruktion über dem Sportbecken hinter einem schallabsorbierenden Lattenplafond, mit dem die Architekten bewusst das hohe Dachvolumen visuell auf einen menschlichen Maßstab herabbrechen konnten.
Detail M 1 : 20
1 Blech für die Isolierung
2 Isolierung Foamglas
3 Holzsparren
4 Dachschindeln, auf Latten genagelt
5 Holzplatte als Träger der Dämmung
6 Dämmstoff Foamglas
7 Holzstütze für den Dachüberstand, am Rahmen befestigt
8 Schwarze Holzverkleidungsplatten
9 Vorhangfassade mit extraflachem Abdeckprofil und Verbindungen aus eloxiertem Aluminium, auf Metallunterkonstruktion befestigt
10 pulverbeschichtete Säule aus verzinktem Stahl
11 Drainagerohr + Geotextil
12 Regenwasserauffangrinne: Kies 40/80
13 Rinne
14 Schotterstreifen
15 unterirdische Isolierung und Abdichtung
16 eloxierte Aluminiumabdeckungen
17 emaillierte Feinsteinzeugfliesen
18 eloxiertes Aluminium-Lüftungsgitter
19 bündige Dachrinne
20 schwarze Holzverkleidungsplatten u. Isolierung
21 Rahmen aus Schichtholz
22 Verkleidungsplatten aus Naturholz u. Isolierung
Detail M 1:20
Grundriss 1. OG M 1 : 500↓
1 Büros
2 Eingang
3 Schließfächer
4 Erholungsschwimmbecken
5 Außenterrasse
6 Kinderschwimmbecken
7 Sportschwimmbecken
8 Aufbewahrung
Schnitt A M 1 : 500
Schnitt A M 1:500
Zwischen Drinnen und Draußen
„Die Beziehung zwischen Innen und Außen ist das primäre Werkzeug in all unseren Projekten“, betont Perraud, wobei es sich für den Architekten hierbei nicht alleine um die richtige Positionierung und Gestaltung der Fenster dreht. Beim Blick vom Beckenrand des Sportbeckens auf die geruhsame Umgebung wird deutlich, dass es sich hierbei vor allem auch um die Ausrichtung des Bauwerks, dessen Positionierung in der Landschaft und der materiellen Gestaltung der dünnen Grenze zwischen dem heimelig warmen und beschützendem Inneren und der mitunter schroffen und kalten Außenwelt der Bretagne, handelt. ⇥Michael Koller
Projektdaten
Objekt: Sanierung und Erweiterung eines öffentlichen Schwimmbades und Spa in der Bretagne/FR
Standort: Montauban-de-Bretagne/FR
Typologie: Gemeinschaftsschwimmbad
Bauherr: Gemeindeverband von Saint-Méen Montauban, Manoir de la Ville Cotterel
Architektur: Atelier Raum - architectes, Nantes/FR, www.raum.fr
Team: Julien Perraud, Benjamin Boré, Thomas Durand, Quentin Trouvé
Bauzeit: Studien 2019, Realisierung 2021 – 2022
Grundstücksgröße: 3 650 m2
Fachplaner
Tragwerksplanung: Leicht, Paris, www.leichtfrance.com
Gebäudetechnik: Tual, Bouguenais, FR, www.patricktual.fr
Planung, Steuerung, Koordination (OPC): CMB35, Le Mans, FR,
www.cmb-eco.fr
Akustik: Vicent Hédont, Bordeaux, FR, www.hedont.fr
Hersteller
Wand- und Bodenfliesen: Buchtal, www.agrob-buchtal.de
Wand-und Deckenfarben: Axe Décors, www.axedecors.fr
Farben für Holzelemente: Seigneurie, www.seigneurie.com
Glaswände: TECHNAL, www.technal.com
Holzverkleidung: (schwarz und natur) innen an der Decke, außen an der Unterseite des Überstands: Laudescher, www.laudescher.com
Anstrich der Holzfassade: Rubio Monocoat,
www.rubiomonocoat.de
Akustikelemente aus Holzwolle: Knauf, www.knauf.de
Akustikplatten aus Steinwolle: Rockfon, www.rockfon.de
Beleuchtung: ACTiLED, www.actiled.com, Philips Lighting,
www.lighting.philips.de, Xelium, www.xelium.fr, Performance In Lighting, www.performanceinlighting.com, Zangra, www.zangra.com
Sanitär: Geberit, www.geberit.de, Delabie, www.delabie.de