Sporthalle Pierre Chevet, Croissy Beaubourg/FR
Die Pierre Chevet Sporthalle, ein öffentliches Gebäude aus Hanfbeton, ist eine neue Einrichtung für die Vorstadtgemeinde von Croissy-Beaubourg. Das Ergebnis der engen Zusammenarbeit zwischen Hersteller:in, Architekt:innen, Fachplaner:innen und Unternehmer:innen vor Ort war eine Gelegenheit, mit einer innovativen und nachhaltigen Umsetzung zu experimentieren.
Text: Susanne Stacher, Paris/FR
Die Pariser Vorstadtgemeinde Croissy-Beaubourg ist eine dieser monotonen Einfamilienhaussiedlungen im Grünen, die wie viele andere in den 1980er Jahren als „Neustädte“ quasi ex nihilo erbaut wurden. Hier sollte 40 Jahre später, zwischen dem am Siedlungsrand gelegenen Mehrzwecksaal und dem Einkaufszentrum, eine Sporthalle für Tanz und Tischtennis errichtet werden.
Die U-förmigen, leicht zu schneidenden Hanfbetonblöcke (60 x 30 x 30,8 cm groß, 18 kg schwer) sind so geformt, dass sie – ähnlich wie bei einer Nut- und Feder-Verbindung – leicht übereinandergestapelt werden können
Foto: Entreprise Baticible
Die Ausschreibung gab einen sehr engen Kostenrahmen vor (650 000 € für 380 m2, also 1 710 €/m2), auf den Sonia Sifflet, heute Teilhaberin bei lemoal lemoal architectes, zusammen mit dem technischen Planungsbüro Axoé, ein entsprechendes Angebot unterbreitet hat, beruhend auf einem Projekt aus Hanfbetonbausteinen. Das Budget wurde später auf 1 847€/m2 € erweitert. Dieses Baumaterial bietet Vorteile, in erster Linie die Reduktion von Kohlendioxid (die Kohlenstoffbelastung beträgt 0,889 kg CO2/m2). Nachdem diese Lösung aber 30–40 % teurer ist als herkömmliche Betonbausteine oder Ziegel mit Dämmung, musste das architektonische Prinzip so einfach wie möglich sein, um die Kosten auszugleichen – ohne jedoch an Raumqualität einzubüßen. So ist um die 5 m hohe, zweiseitig natürlich belichtete Halle ein niedrigerer, dreiseitiger Gürtel angelegt, in dem die Eingangshalle und die Nebenräume untergebracht sind – wodurch das Volumen so klein wie möglich gehalten wird, ohne Raum und Geld zu verlieren. Aus Kostengründen gibt es hier keinen Gang, die Umkleide-, Stau- und Technikräume sind direkt von der Halle aus zugänglich. Der Eingang ist durch ein auskragendes Vordach gekennzeichnet, das Schutz bietet und zum Eintreten einlädt. Die im unteren Bereich vollverglaste Nordfassade weist eine leichte Schräglage gegen den Himmel auf, um mehr Licht ins Gebäude und etwas Spannung ins Projekt zu bringen – was nicht zuletzt auch akustisch von Vorteil ist, weil der Echoeffekt gebrochen wird.
Um ökologisch zu bauen, wurden als strukturelles Prinzip des Projekts langlebige und multiperforierende Materialien verwendet, wie Holz und Hanf. Hanfbetonblöcke sind thermisch und akustisch wirksam, wie auch feuerbeständig (REI 30)
Foto: Elodie Dupuis
Zentraler Punkt bei diesem Projekt ist seine Materialität
Die Sporthalle ist das erste öffentliche Gebäude in Frankreich aus Hanfbetonbausteinen, die bis dahin nur bei Einfamilienhäusern verwendet wurden. Das von der französischen Betonfirma Vicat entwickelte alternative, ökologische Baumaterial hatte bereits vor Jahren ein ATEX (Genehmigung der technischen Festigkeitsprüfung) für zweigeschossige Bauten mit Dachgeschoß erhalten – die typische Höhe für Einfamilienhäuser, Restaurants und kleine Geschäftslokale im periurbanen Raum. „Insofern war es überhaupt denkbar, diesen Baustoff vorzuschlagen, denn die Einreichung eines ATEX wäre viel zu teuer und langwierig gewesen“, betont Sonia Sifflet, die ihren Vorschlag sogleich in den konkreten Kontext stellt: „Nachdem damals, im Jahr 2018, die ökologischen und thermischen Vorschriften noch wesentlich lockerer waren als heute, war die Bauherrschaft nicht darauf sensibilisiert; ökologisch Bauen war für sie kein Anliegen. Erst im Laufe der Zeit verstand sie, was es bedeutet, mit innovativen Materialien zu bauen und welche Auswirkung dies auf die Konstruktionsweise und die Ästhetik hat.“
Die Hanfbetonsteine sind ursprünglich mit einem Kalkputz konzipiert. Aus ästhetischen Gründen ließ die Bauherrschaft jedoch die Halle nachträglich mit Faserzementplatten auskleiden
Foto: Elodie Dupuis
In diesen unterschiedlichen Grundauffassungen lag letztendlich die größte Schwierigkeit bei der Ausführung: Die Hanfbausteine sind ursprünglich mit einem Kalkaußenputz konzipiert; allerdings war dieser aus Gründen der Beständigkeit (Verschmutzung, Graffiti, etc.) keine Option für die Bauherrschaft, die eine austauschbare Verschalung vorzog. So schlug die Architektin – dem engen Budgetrahmen entsprechend – Faserzementplatten vor, die ohne Verschnitt versetzt wurden. Allerdings erlaubt deren bedeutendes Gewicht (16,8 kg/m2) keine Fixierung in den Hanfquadern, weshalb ein Befestigungssystem mittels Schienen ausgeklügelt werden musste, die oben in der Deckenplatte und unten in einem unterhalb der Hanfbetonmauer liegenden Betongürtel angeschraubt wurden. Dieser besteht aus vorfabrizierten Leichtbetonblöcken, die die Hanfquader vom Boden abheben, um sie vor Wasser zu schützen. Diese wenig isolierenden Blöcke sind etwas schmaler ausgebildet, so dass eine Dämmung angebracht werden kann.
Der Sockel der Hanfbetonmauer besteht aus vorfabrizierten Leichtbetonblöcken, die die Hanfquader vom Boden abheben, um sie vor Wasser zu schützen. Diese wenig isolierenden Blöcke sind etwas schmaler ausgebildet, so dass eine Dämmung angebracht werden kann
Foto: BCDF
Die Bauweise der Mauern war sehr einfach. Ein lokaler Mauerer, ein ehemaliger Steinmetz, konnte sich schnell einarbeiten, schließlich fand er in der Konstruktionsweise ähnliche Verbindungstechniken wie in der Stereotomie. Die U-förmigen, leicht zu schneidenden Hanfbetonblöcke (60 x 30 x 30,8 cm groß,
18 kg schwer) sind so geformt, dass sie – ähnlich wie bei einer Nut- und Feder-Verbindung – ohne Mörtel leicht übereinandergestapelt werden können. In Spezialblöcken sind Aussparungen für Betonstützen vorgesehen, die die Länge der Mauern in regelmäßigen Abständen stabilisieren, wie auch an den Eckpunkten. Andere haben eine spezielle U-förmige Ausprägungen, um Betondecken und Träger aufzunehmen, bzw. um Fensteröffnungen zu überbrücken. „Damit die an diesen Stellen gegebenen Wärmebrücken ausgeglichen werden, haben wir mehr Dämmung im Dachbereich angebracht“, erklärt Sonia Sifflet. Die Quader sind aus Hanfschäben (zerstoßenes Weichholz aus dem inneren Kern des Hanfstängels, das 43 % der Hanfpflanze ausmacht), Naturzement und Wasser zusammengesetzt; der Wärmewiderstand R beträgt 4,6 m2K/W, der Schalldämmwert 43 dB. Die Wände, die insgesamt 42 m3 ausmachen, wurden in nur zehn Tagen bei maximalem Einsatz montiert. Nachdem keine zusätzliche Dämmschicht erforderlich ist, war der gesamte Bauablauf relativ kurz.
Um die nördliche Glasfassade so transparent wie möglich auszubilden, hat die Architektin eine Reihe von L-förmigen, vor der Verglasung stehenden Holzrahmen konzipiert, die sich auf der anderen Seite auf die Hanfmauer bzw. auf deren unsichtbare Betonstruktur stützen, da die Druckfestigkeit der Blöcke auf 0,2 MPa begrenzt ist. Der gesamte obere Hallenbereich besteht aus einer Holzkonstruktion, einerseits aus Gewichtsgründen, andererseits, um die Herstellung zu vereinfachen. Im Inneren wurden die Hanfmauern im unteren Bereich der Halle mit Kalk verputzt, während die Längswand im oberen Bereich aus akustischen Gründen im Rohzustand belassen wurde – somit waren keine zusätzlichen Dämpfungsmaßnahmen nötig. Eine einfache Lösung, um Mittel und Kosten zu reduzieren.
Allerdings gab es auch hier unterschiedliche Auffassungen von Ästhetik: Während die Architektin die leichten Unebenheiten im Putz, die aufgrund der Quaderbauweise unwillkürlich entstehen, anregend lebendig empfand, sah die Bauherrschaft darin ein Problem. Da sie einen perfekt glatten Aspekt bevorzugte, ließ sie die Halle nachträglich, unmittelbar nach der Fertigstellung des Gebäudes, mit Gipskartonplatten auskleiden. Dass darunter die Akustik leidet, ist klar; aber auch die Ambition einer Reduktion von CO2 wurde durch all diese Maßnahmen etwas ausgebremst. Insofern ist dieses Gebäude nicht nur ein wichtiger Beitrag für das Bauen mit ökologischen Materialien, sondern auch ein interessantes Lehrbeispiel, wobei Sonia Sifflet betont: „Bei zukünftigen Projekten könnten radikalere Ansätze verfolgt werden, mit weniger Beton, weniger Zement und einer höheren thermischen und ökologischen Effizienz“ – ein engagierter Ansporn für uns alle!
Detail Wandaufbau mit vorgesetzter Außenverkleidung, M 1:20
lemoal lemoal architectes, Paris/FR
v.l.: Sonia Sifflet, Christophe Lemoal und Jesse Lemoal
www.lemoal-lemoal.com
Foto: Lemoal Lemoal
Projektdaten
Objekt: Sporthalle Pierre Chevet, Croissy Beaubourg/FR
Standort: Allée du Bois, 77183 Croissy Beaubourg/FR
Typologie: Sporthalle
Architektur: lemoal lemoal architectes, Paris/FR,
www.lemoal-lemoal.com
Generalunternehmen: Axoé,Paris/FR, www.axoe.fr
Projektmanagement: Baticible, Neuilly-Plaisance/FR,
www.baticible.fr
Strategieberatung: Ageco Groupe, Quebec/CA, www.groupeageco.ca
Nutzer:innen: Stadt Croissy-Beaubourg/FR
Bauzeit: Februar 2020 – Januar 2021
Baukosten: 1,1 Mio. €
Auszeichnungen: Gestes d‘Or, Kategorie Innovation 2020
Hersteller:innen
Fassade: Collin étanchéité, La Chapelle Saint-Luc/FR,
www.collin-etancheite.fr
Holzarbeiten: Ageco Agencement, Amiens/FR
Haustechnik: M.E.G. Magny électricité générale, Bréval/FR,
www.magnyelectricitegeneralemeg.site-solocal.com