Staa(d)t(s)theater Würzburg
Wer an der weiträumigen und mit Autos vollgestopften Vorfahrt der mächtigen Residenz Balthasar Neumanns in Würzburg vorbeifährt und dann, noch voll der barocken Bilder, in die Theaterstraße abbiegt, wird überrascht. Überrascht von einem mit Naturstein verkleideten, in den Platzraum fliegenden Volumen über einer Glasfassade, einem Bauteil also, das man in diesem Umfeld eher nicht erwartet hat.
Überraschung gehört zum Theater wie sein Vorhang, der aufgeht und fällt. Überraschung gehört offenbar auch zum Gestaltungskonzept der PFP Planungs GmbH, ein Unternehmen des Hamburger Architekten Jörg Friedrich, STUDIO PFP GMBH Hamburg. Der Architekt ist bekannt für zahlreiche Theater- und Veranstaltungsbauten in Deutschland. Nicht wenige zeigen große, oft weit auskragende Stadtfenster mit imposanten Glasscheibenformaten. Gewonnen hatte die Planungs GmbH das Verhandlungsverfahren 07/2017, Planungsbeginn war 2018, Baustellenstart 2019, 2022 dann: Insolvenz und Baustopp. 2023 neue Ausschreibung, neue Architekt:innen (FMP design engineering GmbH, Schweinfurt). Von den zunächst einmal genannten 65 Mio. € für Sanierung und Erweiterung spricht längst keiner mehr, die aktuelle Schätzung liegt bei rund 103 Mio. €.
Schaut man auf den Vorgängerbau aus den 1960er-Jahren (Hans-Joachim Budeit, Dortmund), ein typisches Kind seiner Zeit und eigentlich ein Kandidat für den Denkmalschutz, muss man sich fragen, ob die Sanierung plus Erweiterung tatsächlich die erste Wahl für Würzburg ist, das sich nun Heimat eines Landestheaters, möglicherweise gar Staatstheaters nennen darf; was am Ende einer neuen Betriebskostenaufteilung geschuldet ist, die Staatstheater-angestellten werden davon eher nichts haben. Der Bestandsbau zeigte – wie der Neubau – eine weit geöffnete Foyerfassade, allerdings deutlich vom Platz zurückgesetzt, optisch wie auf dem schmaleren, eingeschossigen Eingangsbauteil quer aufgesetzt, was auf beiden Seiten des langgestreckten Volumens zu schmalen Arkadengängen führte. Eine Überarbeitung der möglicherweise unbefriedigenden Eingangssituation wäre sicher möglich gewesen wäre. Aber Würzburg wollte mehr, in dem nun sehr präsenten Bauteil vor dem riesigen Annex dahinter gibt es neben dem Foyer einen kleinen Saal mit 300 Sitzplätzen, einen Ballettproberaum und zwei unterirdische große Probebühnen. Die könnten, wenn der Brandschutz es erlaubt, möglicherweise Ende dieses Jahres eröffnet werden. Dann folgt die Generalsanierung des Bestands, dort werden neue Werkstätten und die Verwaltung untergebracht, Chor- und Proberäume, die immer noch obligate Tiefgarage und ein modernisierter großer Saal. Eröffnung des gesamten Theaters: vielleicht 2026.
In vielen deutschen Städten werden gerade Theaterbauten oder Opernhäuser umgebaut, saniert oder es wird über sogenannte Ersatzneubauten diskutiert. Dass es bei den Planungen und Ausführungen immer wieder zu teils dramatischen Zeitrahmen- und damit auch Kostengrenzenüberschreitungen kommt, verwundert; und auch wieder nicht, denn meist stecken ja politisch motivierte Beschlüsse hinter den Bauaufgaben, die die Attraktivität der Städte ebenso sichern sollen, wie die Arbeitsplätze, die an den Kulturinstitutionen hängen. Die freie Kulturszene ist von diesen Mega-Subventionen meist nicht nur un-, sie ist hochbelastet, weil mit Abstand weniger subventioniert. Dass – wie in München mit der Isarphilharmonie von gmp, Hamburg – insbesondere die improvisierten Orte die Theater- und Musikkunst beflügeln, ist bekannt. Warum man diese Art der rohen Sanierung nicht auch bestehenden Bauten zukommen lässt, ist angesichts des Scheiterns ringsum unverständlich. Die Programme, die Art, wie sie interpretiert und instrumentalisiert werden, hängen nicht am Schall- oder Brandschutz, nicht an der flüsterleisen Klimatisierung, nicht an der digitalen Steuerung der Bühnenbilder: Ihr Erfolg liegt in der Spannung zwischen Interpret:innen und Zuhörer:innen, und die erreiche ich allein durch die unverstellt vermittelte Kraft der Arbeiten, die wir uns alle anschauen, anhören, anfühlen müssen. Gut, die Foyers sollten 1a sein, für das Gespräch dazwischen und danach! Be. K.