Kolumne

Veränderung im Kleinen

Text: Amina Ghisu

Ein Studio des Instituts für Architektur der TU Berlin kurz vor der Semester-Endabgabe
Foto: Amina Ghisu

Ein Studio des Instituts für Architektur der TU Berlin kurz vor der Semester-Endabgabe
Foto: Amina Ghisu

Es gehört zu den schönsten und notwendigsten Offenbarungen eines jeden kreativen Studiums, dass die Universität sowie die Hochschule ein Ort des Ausprobierens und des realitätsfernen Lernens ist. Es ist kein Geheimnis, dass der starke Kontrast zwischen fast absoluter Freiheit im universitären Entwerfen und alltäglicher, sich wiederholender und (man kann es ruhig sagen) langweiliger Aufgaben, den Auftakt ins Berufsleben bildet. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es schwer ist, dann noch an das aktive Potenzial der Architektur zu glauben. Irgendwann tritt die Gemütlichkeit ein – und irgendwie muss man die Rente zahlen.

Es wurde mir oft genug gesagt, dass ich meine Motivation, etwas in der Welt zu verändern, schon schnell genug verlieren werde. Wie oft kämen junge Menschen mit großen Ideen aus der Universität heraus, um dann doch zehn Jahre später immer noch für knapp über Mindestlohn im gleichen Büro, in der gleichen Leistungsphase, im gleichen Projekt zu arbeiten. Aber schön sei es trotzdem, mit so jungen ambitionierten Menschen zu tun zu haben. Dafür sei man doch jung. Ich gebe mich noch nicht geschlagen. Lächelnd antworte ich, dass das trotzdem meine Vorstellung von Zukunft ist. Bei jedem Gespräch dieser Art werden meine Ambitionen aber ein Stückchen kleiner. Mir scheint dies ein trostloser Ausblick in unsere Zukunft.

Damit möchte ich nicht sagen, dass die Art, wie Studieninhalte gelehrt werden, eins zu eins im Berufsleben ihren Platz finden müssen. Doch auch im Berufsleben kann ich mir Räume erschließen, um Dinge im Kleinen zu verändern. Es ist nicht unmöglich, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse im Projekt zu verstehen, zu hinterfragen und dessen Spielraum so sehr auszureizen, bis sich doch etwas verändert. Denn genau das haben wir im Studium gelernt. Wir haben die Werkzeuge, um unsere gebaute Umwelt zu verstehen und zu verändern.

Nun wäre ein nächster Gedanke, irgendjemandem dafür die Schuld zu geben. Das wäre einfach, dann würde ich mich über diese Person oder diese Institution ärgern, mit ihr nichts mehr zu tun haben wollen und woanders mein Glück probieren. Leider sind wir alle Opfer eines falschen Systems. Adorno schreibt: „Alles schreitet fort in dem Ganzen, nur bis heute das Ganze nicht.“ Es gehört zur Logik des Kapitalismus, Gegenbewegungen zu produzieren, diese zu übernehmen, um dann wiederrum Profit daraus zu machen. Man denke an Bewegungen wie Fridays For Future oder Black Lives Matter. Und trotzdem – oder genau deshalb – haben diese Bewegungen immer noch große Auswirkungen auf unsere Umwelt. Eine Stärke und gleichzeitig potenzielle Schwachstelle des Kapitalismus ist, dass er nicht unter den Veränderungen leidet, sondern sogar Profit aus den Bewegungen schlägt. Aktivismus steht nicht außerhalb einer kapitalistischen Logik, viel­mehr entsteht er aus dieser Logik heraus. Genauso ist eine Veränderung im Bauwesen möglich.

Ich finde, diese Veränderungen müssen nicht immer laut oder sofort sichtbar sein. Es kann genauso aktivis­tisch sein, leise in einem Sanierungsbüro zu arbeiten, die eigenen Bürostrukturen zu hinterfragen, sich für das wiederverwendete Material zu entscheiden, wie sich laut und stolz für gemeinnützige Projekte zu engagieren. Und überhaupt stellt sich die Frage, ob nicht die stärkste Art des Aktivismus in der Architektur das Nicht-Bauen ist, sozusagen ein aktiver Passivismus.


Autorin

Amina Ghisu, geboren 1997 in Cagliari, Sardinien, studiert im Master Architektur an der TU Berlin. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen im Ausstellungsdesign und in der Architekturtheorie. Seit 2021 kuratiert sie als Mitglied im Kunstverein artburst berlin berlinweit Ausstellungen, seit 2022 ist sie im Verein als Vorstand tätig.

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