Chefredakteur Michael Schuster

Viel mehr als nur eine Zeitschrift

Im Gespräch mit Verleger Michael Voss (Bauverlag) über die Zukunft von Print

DBZ-Chefredakteur
Michael Schuster
Foto: Natalie Scholder / DBZ
DBZ-Chefredakteur
Michael Schuster
Foto: Natalie Scholder / DBZ

Michael, Du hast mir die Frage gestellt, warum ich in „hohem Alter“ Verleger geworden bin. Warum hast Du denn so spät Deine Comfort-Zone verlassen und bist auf die Seite der Redaktion gewechselt?

Michael Schuster: In meinem Leben habe ich mehrmals die Comfort-Zone verlassen, rückblickend waren es immer die richtigen Entscheidungen gewesen, es war immer der nächste logische Schritt. Die Frage, wieso ich so spät auf die Seite der Redaktion gewechselt bin, könnte ich damit beantworten, dass es vorher keine entsprechenden Anfragen gab, aber das stimmt eigentlich so auch nicht. Interessanterweise hatte ich einige Monate, bevor über eine Personalagentur die Anfrage vom Bauverlag kam, eine telefonische Anfrage für die Position eines Chefredakteurs für eine andere Architekturfachzeitung, wo ich aber kein gutes Bauchgefühl hatte, weswegen das für mich auch nicht infrage kam.

Über viele Jahre hast Du auf der anderen Seite des Schreibtisches gesessen und die Medien aus Industriesicht betrachtet. Wie hast Du den Wechsel auf die andere Seite erlebt?

Ich erinnere mich noch sehr genau an mein erstes Treffen mit der Redak­tion. Es war sehr offensichtlich, dass man sich seitens der Redaktion die Frage gestellt hatte, wie ich zu einer Weiterentwicklung der DBZ beitragen kann. Ich denke, diese Frage ist inzwischen beantwortet. Bevor ich den Vertrag unterschrieben hatte, habe ich wichtige Personen aus meinem Netzwerk gefragt, wie sie diesen Schritt von mir in eine Redaktion beurteilen würden. An dieser Stelle noch mal herzlichen Dank an Thomas Hoffmann-Kuhnt, Prof. Dr. Alexander Gutzmer und Thomas Hainer. Eine liebe Geschäftsfreundin von mir gab mir außerdem den Tipp, dass ich mir von Wolfgang Bachmann das Buch „Alles Geier!: Eine Farce über Architektur, eine Zeitschrift und einen Verlag“ durchlesen soll, bevor ich mich entscheide. Liebe Grüße an dieser Stelle an Natalie Bräuninger, ich muss heute manchmal noch innerlich schmunzeln, wenn ich in gewissen Situationen an die Inhalte denke. Grundsätzlich gab es einige Dinge, wo ich dachte, dass ich Ähnliches in einem anderen Kontext in der Vergangenheit bereits erlebt habe. Es gibt aber auch immer noch Momente, wo Neues auf mich zukommt. Da ich grundsätzlich ein sehr neugieriger Mensch bin, kann ich damit aber sehr gut umgehen.

Ich mag Journalisten sehr gerne und habe über viele Jahre sehr gerne mit ihnen gearbeitet. Sie können aber auch anstrengend sein. Wie hast Du die DBZ erlebt und was macht sie für Dich besonders?

Die DBZ ist für mich nicht eine Person, die die Richtung vorgibt. Für mich sind die Meinungen aller Redakteurinnen und Redakteure sehr wichtig, wobei es letztendlich an der Chefredaktion liegt, Entscheidungen zu treffen. Die DBZ ist das Zusammenspiel der gesamten Redaktion mit dem Ziel der bestmöglichen Qualität und des besten Ergebnisses. Wir sind nicht immer einer Meinung, pflegen aber einen guten Diskurs, den es aber gilt, immer noch weiter zu verbessern. Jedes einzelne Teammitglied bringt sich super ein, ich bin mächtig stolz auf die Redaktion und bin mir auch absolut sicher, dass wir mit dieser Redaktion für die Zukunft mit all ihren Herausforderungen sehr gut aufgestellt sind.

Welche Erfahrungen aus Deinem früheren Arbeitsleben konntest Du für Dich in der neuen Funktion als Chefredakteur der DBZ nutzen?

Für mich war es sehr wichtig, mir relativ schnell einen Überblick über die DBZ zu verschaffen und das Ganze zu analysieren. Man denkt immer, dass es bei der DBZ ausschließlich um die Zeitschrift geht, es ist aber sehr viel mehr. Geholfen hat mir der Markenworkshop der DBZ, den wir dieses Jahr im Frühjahr durchgeführt haben. Man taucht in der Vorbereitung tief in den Leser- und den Anzeigenmarkt ein, und schaut genauer hin, was der Wettbewerb wie macht und vielleicht auch besser. Man macht sich seine Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken bewusst und kann gezielt daran arbeiten. Erste Maßnahmen aus diesem Workshop haben wir bereits umgesetzt und es wird noch weitere Veränderungen geben. Es gibt Dinge, die verändert man besser in homöopathischen Dosen, bei anderen braucht es dann den größeren Aufschlag. Meine Vergangenheit hilft mir in Jahresgesprächen mit Anzeigenkunden. Ich habe mich bereits mehrmals dabei ertappt, dass ich mich in die Situation des Gegenübers versetzt habe und mir die Frage gestellt habe, ist das, was gerade präsentiert wird, eigentlich die Lösung, die Maßnahme, die der anderen Seite des Tisches jetzt weiterhilft oder was braucht es?

Die DBZ befasst sich mit Architektur und Bauwirtschaft, ist dort stark verankert. Was fasziniert Dich an dieser Branche? Welche Rolle hat sie für Deine Entscheidung gespielt?

Schon seit über 25 Jahren bin ich im Bereich Architektur und Bauwirtschaft unterwegs und es gibt sehr viele Dinge, die mich daran faszinieren. Es sind aber nicht nur besondere Gebäude, die bei mir Emotionen auslösen. Für mich sind die Menschen, die in dieser Branche unterwegs sind, egal in welcher Funktion, extrem wichtig. Ich hatte mal einen Chef, der mir Vertrieb und Marketing mit einem Satz erklärt hat: Er meinte damals, Geschäfte mache ich mit Freunden und gute Geschäfte mit guten Freunden. Wenn man den Menschen, mit denen man zu tun hat, eine gewisse Wertschätzung zukommen lässt und sie nicht aufgrund der eigenen Funktion von oben herab behandelt, macht man meiner Meinung nach schon mal einiges richtig. Es sind im Laufe der Jahre sehr viele Freundschaften mit Architektinnen und Architekten entstanden. Ich erinnere mich immer sehr gerne an Begegnungen mit mir lieb gewordenen Menschen. An dieser Stelle liebe Grüße an die St. Patrick Boys, ihr wisst, wer gemeint ist.

Du feierst mit mir dieses Jahr zum zweiten Mal eine Weihnachtsfeier beim Bauverlag. Was ist für Dich das bislang größte Learning?

Das größte Learning kann ich nicht an einer Sache festmachen. Für mich ist die Komplexität eines Verlags immer noch sehr spannend. Als Mitglied der Geschäftsleitung bekommt man noch mal einen ganz anderen Einblick in das große Ganze, das war am Anfang schon ein großes Learning.

Welche Entscheidung, auf die DBZ bezogen, würdest Du rückblickend heute anders treffen?

Grundsätzlich würde ich erst mal keine Entscheidung anders treffen, da man aus jeder einzelnen Entscheidung, auch wenn es sich herausstellt, dass sie vielleicht nicht 100%ig die richtige war, die Möglichkeit hat zu lernen. Für nächstes Jahr habe ich mir allerdings vorgenommen, Dinge konsequenter zu entscheiden. Man kann es grundsätzlich nicht jedem Einzelnen recht machen und nicht Everybody‘s Darling sein. Man muss ab und an Leitplanken setzen, die aber nicht der Einschränkung dienen sollen, sondern vielmehr einen abgesteckten Spielraum definieren, in dem man sich frei bewegen kann.  

Arbeiten im Homeoffice hat viele Vorteile, aber auch Nachteile. Deine besondere Herausforderung sind die verschiedenen Standorte Deiner Mitarbeiter. Worauf ist besonders zu achten, um Motivation, Qualität der Arbeit und Teamgeist nicht zu beschädigen?

In der Tat ist es sehr zeit- und reiseintensiv, die verschiedenen Standorte und Aufgaben unter einen Hut zu bekommen. Meiner Meinung nach ist Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür die wichtigste Voraussetzung. Wertschätzung spielt eine weitere sehr wichtige Rolle. Jedes Mitglied der Redaktion hat meine private Handynummer und weiß, dass ich darüber 24/7 erreichbar bin, egal um was es geht. Ein ganz wichtiges Tool sind meiner Meinung nach die Präsenztreffen der Redaktion geworden. Wir treffen uns zwar dreimal in der Woche per Videokonferenz, um aktuelle Themen zu besprechen, aber die Treffen in Präsenz sind doch etwas anderes. Dieses Jahr hatten wir uns im Februar zu einer Klausurtagung getroffen. Meiner Meinung nach war das für uns als Redaktion sehr wichtig. Das möchte ich auf alle Fälle nächstes Jahr wieder machen. Wir haben zwei neue Teammitglieder, worüber ich mich sehr freue. Für den Teamgeist und um sich auch privat etwas besser kennenzulernen, ist so ein Treffen losgelöst vom Tagesgeschäft meiner Meinung nach sehr wichtig.

Was entgegnet man als Chefredakteur der DBZ, wenn man mit der Aussage „Print stirbt“ konfrontiert wird?

Für mich stirbt Print nicht. Man darf sich nur nicht alleine auf Print verlassen. Die Zeitschrift ist die Basis für alle anderen Aktivitäten der DBZ. Wir haben eine treue Leserschaft und das Vertrauen von vielen Anzeigenkunden in unsere Arbeit.

Welches sind für die DBZ die größten Herausforderungen in den nächs­ten Jahren?

Es wird viele Herausforderungen geben, aber mir ist nicht bange. Speziell für 2024 werden wir den Weggang von Katja Reich kompensieren müssen. Damit meine ich nicht nur den fachlichen Part, sondern auch den menschlichen Aspekt. An dieser Stelle bedanke ich mich für die vertrauensvolle und immer von gegenseitigem Respekt geprägte Zusammenarbeit und wünsche ihr für die Zukunft alles erdenklich Gute. Ich freue mich auf den Zeitpunkt, wenn wir das neue Baby DBZlab an den Start bringen. Wir haben im Veranstaltungsbereich noch einiges vor; es gibt Ideen, den Newsletter weiterzuentwickeln, das Sonderheft Hotel wird sich ändern, der Modulbaukongress eine neue Handschrift bekommen und noch vieles mehr. Wir dürfen uns nicht verzetteln und müssen dabei unsere Kapazitäten im Blick behalten.

Wie siehst Du die Zukunftschancen der DBZ?

Wir haben uns schon mal darüber unterhalten und ich bin der Meinung, dass die DBZ bei den insgesamt 18 verschiedenen Titeln, die es im Bauverlag gibt, aus meiner Sicht das größte Potenzial für die Zukunft hat. Die DBZ hat dieses Jahr, was die Umsätze im Printbereich betrifft, meiner Meinung nach eine Sonderstellung im Bauverlag. Diese gilt es, auch in einem wahrscheinlich sehr herausfordernden Jahr 2024, zu festigen und weiter auszubauen. Wir machen viele Dinge schon wirklich sehr gut, haben aber Möglichkeiten, einige Dinge für die Zukunft noch zu verbessern, um uns sowohl inhaltlich als auch wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Ich freue mich auf eine noch engere Zusammenarbeit mit dem BDB. Wir haben mit dem Verband eine sehr gute und vertrauensvolle Basis. Auch hier gibt es noch einige Ansätze,  sich zukünftig enger abzustimmen, um noch stärkere Synergien zu generieren, da freue ich mich auch schon drauf.

Die DBZ hat dieses Jahr 70. Geburtstag, was wünschst Du der DBZ, und welches Geschenk gibt es für die DBZ?

Ich wünsche der DBZ, aber auch mir selbst, dass wir noch viele gemeinsame Jahre haben. Es braucht zukünftig eine gewisse Stabilität und Verlässlichkeit in alle Richtungen. Ein Geschenk würde ich uns als Redaktion dennoch wünschen, und zwar, dass unsere Volontärin Natalie Scholder nächstes Jahr Redakteurin der DBZ wird, das wäre ein weiterer Baustein für die Zukunft der DBZ.

Interview: Michael Voss/Bauverlag

„Wir machen viele Dinge schon wirklich sehr gut, haben aber Möglichkeiten einige Dinge für die Zukunft noch zu verbessern, um uns sowohl inhaltlich als auch wirtschaftlich weiterzuentwickeln.“
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