Wer kennt sie nicht
Wer kennt Micha Payer und Martin Gabriel? Ich gebe es leichten Herzens zu: ich nicht. Kannte sie nicht, aber habe sie kennengelernt, kennenlernen dürfen, möchte ich schreiben. Zwei Künstler, deren Zusammenarbeit seit 2000 ein komplexes Werk hervorgebracht hat, dessen Vorhandensein sich vielen traditionellen, aber auch ganz neuen Techniken des künstlerischen Schaffens verdankt.
Mit ihren visuell konsumierbaren Arbeiten haben sie immer auch in einem disziplinübergreifendem Denken Naturwissenschaften mit kultur- und philosophiewissenschaftlichen Bezügen konfrontiert. Dabei stöbern sie so ungeniert wie treffsicher in den deep storages unserer westlichen Vorstellungsgeschichte, dass es eine Freude ist. Gerade ihr ungewohnt direkter wie offener Blick unter die Krusten der Kulturimperative, der anspruchsvolles wissenschaftliches Denken mit populärwissenschaftlichen Statements konfrontiert, und insbesondere das wunderbar sanfte, fast gleitende Spazierengehen über alle Felder unser Kulturgeschichte, macht die hier als „künstlerisches Forschungsbuch“ (Verlag) apostrophierte, sehr schön gemachte Bucharbeit zu einem Kleinod in vielerlei Hinsicht: haptisch, visuell, sprachlich und eben gedankenvoll.
Eine „antidisziplinäre Enzyklopädie“ sei das; ich würde es eher das kunstvolle Reflektieren über das eigene Arbeiten bezeichnen. Man wird um den Kauf nicht herumkommen, derart unmöglich ist es, das Vielfache auf das Einfache einer Rezension zu reduzieren. Viele kluge Texte gegen den Strich, ein wunderbarer von Bruno Latour, von Byung-Chul Han und Odo Marquard. Die Lektüre wird die Pupille weiten, die des Denkens wie die des Fühlens. Be. K.