Zauberstoffe und Diskursferne
Kunst und Stoff oder auch Kunststoff!? Ein schwieriges Wort, denn tatsächlich wird es heute synonym mit dem Wort Plastik gebraucht. Und Plastik ist schnell gleich Abfall, in jedem Fall Billigprodukt. Das Wort aber gibt es – anders als die Kunststraße! – erst seit dem vergangenen Jahrhundert, wenngleich so mancher Stoff, der später in der industriellen Massenproduktion seine Verwendung fand, schon lange vorher ge- oder auch erfunden wurde.
Die Chemie, die sich als Wissenschaft aus der eher mystisch gestimmten Alchemie im 18. Jahrhundert hat entwickeln können, fügte nun Stoffe zu etwas, das in der Natur nicht vorkommt, Kunststoff also. Dessen erste Verwendung – wie häufig sonst auch – diente militärischen Zwecken, bevor die Kunststoffe als polymere Werkstoffe den Produktemarkt eroberten und heute wie kein weiteres Material bestimmen. Dass das dazu führt, dass das sogenannte „Mikroplastik“ sich in jedem nur denkbaren Medium auf dieser Welt nachweisen lässt, kann erschrecken, dass Kunststoffe aber durchaus auch Leben retten (Medizin) oder – wenn richtig angewandt – den Klimawandel bremsen können, soll nicht unerwähnt bleiben.
Die vorliegende kleine Publikation geht nun den Kunst- oder Zauberstoffen auf die Spur – weniger ihrer stofflichen Entwicklung, kaum ihrer chemisch/physikalischen Charakteristik, eher ihrer Rolle als neuer Werkstoff, die sie an der Ulmer Hochschule für Gestaltung (1953–1968) spielte. Tatsächlich verliefen die Gründung der Hochschule und die rasante Zunahme der Verwendung der Kunststoffe in der Konsumgüterindustrie annähernd zeitgleich, sodass es durchaus überraschend ist, hier zweierlei Erweckungslinien nachverfolgen zu können.
Aber: Die Arbeit ist nicht unbedingt systematisch aufgebaut, der Einstieg, eher ein Bilderteil, der als solcher aber nicht kommentiert wird, wirkt eher holperig, als wüsste man selbst nicht so genau, wohin die Reise ginge. Dann kommen längere Beiträge etwa ab der Mitte des Druckwerks, die auch so recht keine Linie ergeben wollen und ihren Fokus bei der HfG haben. Kann man so über die Zauberstoffe schreiben? Ihre Rolle im Gestaltungsprozess taucht zwar immer wieder auf, ist aber nur als Teil des größeren Prozesses angedeutet.
Die Arbeit bleibt unentschieden, bietet Details, die weiterzuverfolgen sich lohnt, ist teils oberflächlich und zu wenig mit dem damaligen und insbesondere auch heutigen Diskurs zu den Zauberstoffen und ihre Omnipräsenz verbunden.
Mit der Lektüre erhalten wir einen Türspalt, durch den wir neugierig schauen. Aber am Ende müssen wir eine ganze Menge mehr dazustellen für eine effektives Themen-Panorama. Be. K.