„Zu kritischem Denken befähigen“
Brian Cody zum Thema „Energiekonzepte“
Führt man sich die Größenordnung des durch Gebäude verursachten Anteils am weltweiten Energieverbrauch vor Augen, und zwar vor dem Hintergrund der dringenden Notwendigkeit, diesen aus den bekannten Gründen drastisch zu reduzieren, realisiert man rasch, dass Architekten heute eine sehr große Verantwortung tragen. Und aber auch, dass die Lösung dieser Fragen ein Potential in sich birgt, die gesellschaftliche Relevanz der Architektur- und Ingenieurdisziplinen gegenüber dem heutigen Stand wesentlich zu erhöhen.
Die Erschließung dieses Potentials bedingt jedoch eine massive Intensivierung in der Auseinandersetzung mit dem Thema in den drei wichtigen Feldern Forschung, Praxis und Lehre. In der Forschung ist neben der Entwicklung neuer impulsgebender Konzepte für energieeffiziente Architektur und Urban Design die Entwicklung von Methoden für die Evaluierung von Energieeffizienz im Bereich der gebauten Umwelt eine höchstaktuelle Fragestellung, bei welcher Architekten sich dringend in die öffentliche Diskussion einbringen müssen. Warum sollten Architekten sich für diese Frage interessieren? Weil die Bewertung der verschiedenen Strategien – wie bestimmte Maßnahmen, Strategien und deren Resultate bewertet, belohnt und bestraft werden – die Gesamtentwicklung der Architektur maßgeblich beeinflussen wird. Nach meiner Auffassung ist energieeffiziente Architektur als Triade aus minimiertem Energieverbrauch, optimalem Raumklima und hervorragender architektonischer Qualität zu begreifen (s. Beitrag „Form follows Energy“, S. 48ff.).
Die in der Grundlagenforschung entwickelten Ideen und Impulse ständig in die reale Welt des Bauens im Rahmen von realen Bauprojekten zu implementieren, ist für die weitere Entwicklung des Fachgebiets in Lehre und Forschung von essentieller Bedeutung. Auf der anderen Seite ergeben sich häufig gerade unter den Bedingungen der „realen“ Welt in Zusammenarbeit mit Architekturbüros entscheidende Fortschritte. Und durch diese interdisziplinäre Kollaborationen und die Synthese der vielfältigen Komponenten in einem holistischen Entwurfsprozess entstehen innovative Gesamtkonzepte. Diese Erfahrungen aus meinem Büro in dieser Kollaboration in der Praxis als Berater für Energy Design fließen wiederum zurück in die Forschung wie auch in die Lehre.
Mit Blick auf die Zukunft ist vielleicht das wichtigste Feld die Lehre. Aus meiner Erfahrung in Praxis, Wettbewerbsjurys und Beiräten sind zwei Strömungen bezüglich des Umgangs mit Energieeffizienz im Bauwesen aktuell auszumachen, die in der Kombination zu einer für die weitere Entwicklung der Architektur gefährlichen Mischung führen können. Auf der einen Seite sind es Bauherren und Behörden, die sich immer mehr zu strengen deterministischen Auflagen hinbewegen und Maßnahmen vorschreiben statt Leistung/Performance zu verlangen. Auf der anderen Seite gibt es eine wachsende Zahl an Architekten und Planern, die verzweifelt nach konkreteren Vorgaben und Regeln rufen. Es ist mir ein Anliegen in der Lehre, die Architektinnen von morgen mit der Fähigkeit auszustatten, kritisch über diese Fragen reflektieren zu können.
Der modische Begriff „Nachhaltigkeit“ ist mir zu konservativ. Das alles nur erhalten beziehungsweise gleich halten zu wollen ist mir zu wenig. Vielleicht ist das nicht mehr modisch, aber ich glaube an den Nutzen von Wissenschaft und Technologie und den dadurch erreichbaren und dringenden notwendigen Fortschritt. Ich bin davon überzeugt, dass wir die bereits erwähnten Herausforderungen bewältigen können und aber gleichzeitig auch die Lebensqualität für viele Menschen sowie die Qualität unserer gebauten Umwelt dabei entscheidend verbessern können. Dies erfordert jedoch ein Paradigmenwechsel in unserem Denken (s. Beitrag „Form follows Energy“, S. 48ff.).
Der Ingenieur
Prof. Brian Cody machte 1989 seinen Studienabschluss im Ingenieurwesen an der University of Dublin in Irland mit First Class Honours. Er ist Universitätsprofessor an der technischen Universität Graz und leitet dort das Institut für Gebäude und Energie. Sein Schwerpunkt in Forschung, Lehre und Praxis gilt der Maximierung der Energieeffizienz von Gebäuden und Städten. Vor dem Ruf nach Graz war er Associate Director des weltweit operierenden Ingenieurbüros Arup. Er ist Gründer und Inhaber des Beratungsunternehmens ENERGY DESIGN CODY, das an der Entwicklung von innovativen Klima- und Energiekonzepten für Bauprojekte weltweit beteiligt ist. Professor Cody ist Mitglied in zahlreichen Beiräten und Preisgerichten und Gastprofessor an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.
Zahlreiche Veröffentlichungen.