Zukunft ungewiss: Elbtower, Hamburg

Großbauprojekte in Deutschland haben mittlerweile eine ganz eigene Geschichte.
Ob die Städte, die solche Bauten erlauben und fördern, gar mitfinanzieren, hier dazulernen, scheint zweifelhaft. Verantwortung müssen meist die dann übernehmen, die später die waghalsigen Investitionen ihrer Vorgänger fortsetzen müssen. Ein Blick nach ­Hamburg, zum Elbtower.

Er wollte, dass man später sagt: „Das hat der Olaf Scholz gut gemacht!“ So 2017 der damals regierende 1. Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz. Der heute nach seinem „Gut gemacht“ gefragt darauf verweist, dass er allenfalls Fragen beantworte, die den Zuständigkeitsbereich des Kanzleramts betreffen. Ein Elbtower, den er als damaliger Bürgermeister wesentlich angeschoben hatte, gehört dazu wohl nicht.

Hatte er es damals also doch nicht „gut gemacht“? Er hatte mit René Benko auf einen Inves-tor gesetzt, dessen Bonität 2017 vielleicht noch nicht infrage stand, spätestens aber im Sommer 2020 intern diskutiert wurde. In einem vertraulichen Papier der Kreditkommission des Hamburger Senats – hier die Wirtschaftsprüfer von PwC PricewaterhouseCoopers – wird dargelegt, dass die KaDeWe GmbH, an der die Signa Gruppe mit 49,9 % beteiligt ist, für die Weiterfinanzierung des Alsterhauses in Hamburg eine Landesbürgschaft beantragt habe. PwC beurteilte dessen Entwicklung auf längere Sicht kritisch.

Aber da war der Bürgermeister fast schon auf dem Weg ins Bundesfinanzministerium. Der Elbtower – die Mär von einer städtebaulichen Notwendigkeit, die Befürworter heute noch in einer Handskizze von Volkwin Marg sehen, der die Hafencity im Osten mit zwei Hochpunkten schließen wollte – der Elbtower als neues Tor in die City war da schon als konkretes Bild vorhanden: skulptural, modern weiß strahlend. Der sich dynamisch und sehr souverän in den Himmel hochschraubende Büroturm wird – wenn er denn wird – mit 245 m deutlich höher als die sehr entfernt stehende Elbphilharmonie. Er ist das Ergebnis eines Bauherrn-Verfahrens der Hansestadt. Die u. a. eingeladene Signa Gruppe brachte Chipperfield Architects mit, die bereits das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck und das Projekt WaltherPark in Bozen geplant und realisiert hatten (in Bozen soll es 2025 fertig werden). Die Signa Gruppe war in Hamburg bestens bekannt über Beteiligungen am Alsterhaus, den Alsterarkaden und dem Kaufmannshaus.

Aber dann kam das, was lange schon mancher ahnte, viele aber hätte wissen können: René Benko­ hatte sich verzockt, zuviele Projekte mit zu wenig eigenem Kapital, dazu steigende Baupreise und unsicherer gewordenes Büroflächengeschäft (Homeoffice). Ende 2023 standen 150 000 m² Tower­flächen 650 000 m² freien Büroflächen in Hamburg gegenüber; einer der Hauptmieter hatte bereits die Reißleine gezogen und „vertragskonform“ gekündigt. Die ehemalige Zusage der Hamburger Commercial Bank war mit ein Grund dafür gewesen, den Bau des Elbtowers als gesichert finanziert und damit genehmigungsmöglich zu machen. Pikant am Rand: Die HCOB hatte ihren zu großen Firmensitz am Gerhart-Hauptmann-Platz an die Signa Gruppe verkauft, und ist sie nun trotz Kündigung immer noch Mieter bei René Benko.

Anfang März meldete der Österreicher konsequenterweise Privatinsolvenz an. Benko selbst hatte sich bereits Ende 2023 aus der Geschäftsleitung der Signa zurückgezogen, deren Geschäfte wurden zeitweise vom deutschen Sanierungs­experten Arndt Geiwitz mit Transactions und dem Maklerhaus made in Dallas/USA, CBRE, geführt. Man muss nicht Kenner der Finanzszene sein, um zu verstehen, dass da einer auf dem Rückzug ist und ohne Wenn und Aber den Knopf auf „Reset“ drückt, drücken möchte.

Das alles erzeugt mindestens Unsicherheit in München und Berlin und ganz sicher auch in Hamburg. In München warten Um- und Weiterbauten auf ihre Fortsetzung, so bei den Projekten „Alte Akademie“ in der Kaufinger Straße, „Oberpollinger“, das alte „Karstadt-Sport“ sowie die ehemaligen Kaufhäuser Karstadt und Hertie. In Berlin trifft es u. a. das renommierte KaDeWe, das mit ersten Umbauten durch OMA, Rotterdam, in der Retail-, aber auch Architekturszene schon die Zukunft des Einkaufens geschrieben hat. Hier allerdings ist noch ein thailändischer Investor involviert, dem es finanziell gut geht.

Und während sich in Berlin und München die Stadt- oder auch Landesoberen bemühen, Distanz zu Investoren zu erzeugen, mit denen man „nicht mehr verlässlich arbeiten kann“, so Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey, hüllen sich die Stadtväter und -mütter Hamburgs in Abwartehaltung. Auch nebulöse Andeutungen, das Projekt Elb­tower werde sehr schnell neues Geld finden, kommen nicht mehr. Verlässlich immerhin steht der Satz: Nein, es bliebe dabei, die Hansestadt werde sich finanziell nicht beteiligen. Eine Haltung, die der Hamburger Senat von Anbeginn öffentlich vor sich hergetragen hat. Man wollte angesichts der damals schon mit rund 1 Mrd. € durchaus sportlichen Investition in ein einzelnes Gebäude keine Gespenster wecken… Elbphilharmonie!

Gibt es einen Ersatzinvestor? Wie wird die Stadt ihr vertraglich zugesichertes Vorkaufsrecht wahrnehmen? Wer wird den in der Höhe zur Hälfte etwa fertiggestellten Rohbau mit welchem Wert beziffern? Ein Ur-Hamburger, der in der Schweiz seinen Wohnsitz hat, Klaus-Michael Kühne, war einmal im Gespräch oder hat sich ins Gespräch bringen lassen. Der Mehrheitseigner eines Speditionsunternehmens und ausgewiesene Milliardär, der auch in Hamburg ein Logistik-Zentrum besitzt sowie ein Verwaltungsgebäude am Großer Grasbrook, HafenCity, und der sich vor wenigen Jahren in der Gründerstadt Bremen mit dem „August-Kühne-Haus“ ein Headquarter am alten Standort leistete, dieser Klaus-Michael Kühne tauchte Ende November 2023 für ein paar Wochen als Messias auf. Mit der Bekanntgabe des Rückzugs des Hauptmieters, der HCOB, ließ die Kühne Holding jedoch mitteilen, dass mit diesem Ausscheiden „die Rentabilität dieser Immobilie […] erheblich erschwert [wird].“

Alles offen? Ja. Chipperfield, der Entwurfsarchitekt, schweigt, „mit Rücksicht auf den Kunden“. Der Senat, hier die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen der Freien und Hansestadt Hamburg, Karen Pein, deutet dann im Zusammenhang mit der bis heute andauernden Bauunterbrechung, doch noch an: „[…] Im Falle des Nichteinhaltens vereinbarter Meilensteine zum Baufortschritt sind im Grundstückskaufvertrag zunächst Vertragsstrafen und im weiteren Verlauf Wiederkaufsrechte für die Freie und Hansestadt Hamburg in Bezug auf das Grundstück sowie umfangreiche Eintrittsrechte in die bestehenden Planungs- und Bauverträge vereinbart. Dies ermöglicht es der Stadt Hamburg unter anderem, die bislang erbrachte Bauleistung rückzubauen, diese an einen Dritten zur Vollendung zu veräußern oder den Bau selbst fertigzustellen.“ Oder den Bau selbst fertigzustellen. Da allerdings darf man wohl fragen, in welchem Interesse? Die Stadt braucht den Büroturm nicht, und ihn nur wegen des städtebaulichen Abschlusses fortzuführen, erscheint unhanseatisch luxuriös. Auf den Rohbau ein Dach setzen und Wohnungen unterbringen? Wurde schon vorgeschlagen, doch die Stadt lehnt ab: Zu laut, der Standort sei dafür nicht geeignet. Bei diesem ablehnenden Grund kommt einem das „HafenCityFenster“ in den Sinn, das Wohnen mitten in der lauten HafenCity möglich gemacht hat. Oder man hat die Wohnblockrandbebauungen vor Augen, die die im Block platzierten Stadtvillen vom Individualverkehrslärm abschirmen, meist wohnen dort Senioren oder Studentinnen, die den Lärm scheinbar am besten aushalten.

Ob die Städte aus dem aktuellen Investorencrash lernen? Jürgen Schneider ist lange her, so will es scheinen; die aktuellen Pleiten ringsum überraschen wohl nur die, die blind auf Glanz und Glamour gesetzt haben. Das Risiko auszuschließen könnte ja heißen, großvolumige Spektakelbauten durch kleinere, ebenfalls spektakuläre, weil endlich einmal gelungene Projekte zu ersetzen. Die damit erzielte investive Flexibilität durch Diversifizierung, durch lokale Investorengruppen (z. B. Baugemeinschaften), schafft deutlich mehr ­Sicherheit und dient der Stadtgesellschaft und nicht dem Stadtsäckel oder dem der Happy Few.

Ja, der Turm wäre ein Zeichen gewesen, ein Ausrufungszeichen. Das hätten wir so oder so lesen können, jetzt nur noch so. Herzog & de Meuron wollten auf die Silotürme der alten Küppersmühle in Duisburg die alte Baugeschichte mit einem quer aufgesetzten Volumen fortschreiben. Das wäre spektakulär geworden, ist aber gescheitert. An den Elbrücken steht nur ein Betonskelett, das viele Dinge erlaubt, nur bitte keinen Abriss! Wir bleiben dran.

Benedikt Kraft/DBZ

www.davidchipperfield.com

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