Zwischen Theorie und Praxis

Der Modulbau gilt als probates Mittel gegen die anhaltende Wohnungsknappheit. Dennoch geht es mit dem seriellen Bauen in Deutschland trotz allem nur schleppend voran. Ursächlich hierfür ist auch, dass Gebäudeentwürfe an Hochschulen und Universitäten zumeist konventionell statt seriell entwickelt werden. Im Gespräch mit Marek Nowak, Professor für konstruktives Entwerfen an der Alanus Hochschule in Alfter, und Mathias Wirths, Professor für Bautechnologie an der Alanus Hochschule sowie für Materialkunde an der Universität Siegen, sprachen wir über die Möglichkeiten einer Implementierung von modularen Entwurfsprozessen in den Hochschulalltag.

Herr Wirths, Sie setzen sich bereits seit Jahren dafür ein, den Modulbau in der univer­sitären Lehre zu etablieren. Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig?

Mathias Wirths: Zum einen ist es so, dass ich aus einer Region mit einer vergleichsweise hohen Dichte an Modulbau-Unternehmen komme, sodass man quasi gar nicht anders kann, als sich dem Thema zuzuwenden. Abgesehen davon gab es bei uns an der Universität Siegen immer wieder punktuelle Kontakte mit dem Modulbau. Ich komme aus der Baukonstruktion und Tragwerkslehre, weshalb mich die Frage, wie Bauwerke möglichst effizient gestaltet werden können, eigentlich schon immer begleitet hat. Durch den Kontakt mit dem Bundesverband für Bausysteme kam irgendwann eins zum anderen und wir haben die ersten simplen Modulbaukonzepte mit Studierenden entwickelt. Später folgten Workshops und Werksbesichtigungen.

Herr Nowak, auch Sie beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit den Potenzialen serieller Fertigungsweisen. Nun ist Ihr Büro gmp eher für einprägsame, manchmal auch raumgreifende Architekturen bekannt und weniger für den Modulbau. Wie haben Sie also ihre Affinität für das Serielle entdeckt?

Marek Nowak: Das ist interessant, dass Sie mich das so fragen. Ich denke, viele vergessen, dass es den Modulbau eigentlich schon immer gegeben hat. Bereits die Wegbereiter der Moderne wie Mies van der Rohe, Scharoun, Le Corbusier und Gropius haben bei der Planung der Weißenhofsiedlung in Stuttgart seriell gedacht und geplant – insofern hat mich der Modulbau schon seit Studientagen begleitet. Und auch bei uns im Büro ist er von erster Stunde an ein wesentlicher Teil unserer Arbeit. Ich habe mich deswegen auch stark dafür eingesetzt, dass der Modulbau stärker in der universitären Lehre verankert wird. So bieten wir am Institut für Konstruktives Entwerfen an der Alanus Hochschule immer wieder Semester- und Stegreifentwürfe zu diesem Thema an.

In Kooperation mit Kleusberg haben Sie ja auch unlängst eine Besichtigung des Werks in Dölbau in Sachsen-Anhalt sowie einen ­Studierendenwettbewerb durchgeführt. Wie kam es dazu?

MW: Tatsächlich ist man vonseiten Kleusberg proaktiv mit dem Wunsch an uns herangetreten, gemeinsam einen Wettbewerb für Studierende zu veranstalten. Die Idee dahinter war, die Studierenden von der Alanus Hochschule und der Uni Siegen zusammenzubringen, um auf diese Weise Synergien zu bündeln und in Zusammenarbeit mit den Experten von Kleusberg neue Konzepte für den Modulbau zu entwickeln.

Wie kann man sich so einen Wettbewerb konkret vorstellen? Handelte es sich hierbei um eine Art Stegreif-Entwurf?

MW: Ja, das könnte man wohl so sagen. Zunächst haben wir gemeinsam eine Exkursion in das Werk nach Dölbau in Sachsen-Anhalt unternommen und uns dort die einzelnen Produktionsschritte detailliert erklären lassen. Das war für die Studierenden eine tolle Erfahrung, weil sie hierdurch schnell verstanden haben, wie der Modulbau funktioniert. Anschließend haben wir uns in einem Raum unweit der Werkshalle getroffen und Projektteams gebildet. Diese haben dann binnen 24 Stunden jeweils einen Entwurf für einen Modulbau entwickelt. Wir – die Kleusberg-Mitarbeiter, Studierende und Professoren– saßen dann tief bis in die Nacht zusammen und haben an diesen Entwürfen gefeilt.

MN: Die Werksbesichtigung vorab war sicherlich ein wertvolles Learning. Wenngleich wir bei diesem Wettbewerb bei Kleusberg von den Modulbauexperten mit viel Engagement unterstützt wurden, war dieser Wettbewerb ein echtes Experiment. Wir konnten ja alle nicht wissen, was am Ende dabei herauskommen würde. Auch für mich als Lehrender war das eine total interessante Herausforderung.

Ein ganz schön ambitioniertes Vorhaben. Welche Leistungen mussten die Studierenden nach dieser „Wettbewerbsnacht“ abgeben?

MN: Die Aufgabe war, ein Studentenwohnheim mit 30 Wohneinheiten zu entwickeln. Grundsätzlich gab es keine strikten Leistungsvorgaben. Ers­tens, weil es sich hierbei um einen studentisches Entwerfen handelte und zweitens, weil auch die Zeit sehr knapp war. Man könnte sagen, dass alle Darstellungen willkommen waren, die zur Verständlichkeit des Entwurfs beitrugen.

MW: Im Prinzip war alles erlaubt, was Rechner und Stift an Skizzen, Schnitten, Grundrissen hergaben. Dadurch, dass wir das Werk im Vorfeld besichtigt haben, konnten bereits erste Fragen geklärt werden. Dadurch wussten die Studierenden, was möglich ist und was nicht – all das ist dann in den Entwurfsgedanken eingeflossen.

MN: Vieles ist aber auch ganz intuitiv entstanden. Mich hat das fasziniert, weil die Studierenden aus der Erfahrung bei dieser Werksbesichtigung geschöpft haben und quasi aus dem Unbewussten heraus ihre Entwürfe zu Papier brachten. Tatsächlich war dann auch bei jedem Entwurf der serielle Charakter erkennbar.

Wie und nach welchen Kriterien haben Sie denn am Morgen danach die Siegerentwürfe gekürt?

MW: Hierfür haben wir eine kleine Jury aus Modulbau-Experten, Lehrenden und Architekten gebildet. Ein wesentliches Kriterium für die Wahl des Siegerentwurfs war, dass das Modulare im Entwurf klar erkennbar sein sollte. Wichtig war auch die Idee und ob der Entwurf in der Praxis durchführbar wäre.

MN: Trotz des stark experimentellen Ansatzes sind einige sehr realitätsnahe Gebäudeentwürfe entstanden. Bei aller Kreativität stand immer auch die Machbarkeit im Vordergrund – dieser Balanceakt ist den Studierenden gut gelungen.

Apropos – idealerweise finden solche Entwürfe dann ja auch den Weg in die Praxis. Gibt es hierzu bereits Ansätze?

MN: Ja, die gibt es auf jeden Fall – genau das war ja das Besondere an diesem Wettbewerb. Bei Kleusberg hat man bereits einen sehr vielversprechenden Schulbaukasten im Programm. Möglicherweise kann es so etwas auch für den Wohnbau geben. Hierzu bieten die Entwürfe, die bei unserem Workshop entstanden sind, sicherlich interessante Ansätze.

MW: Das stimmt, gleichzeitig wäre es jedoch vermessen zu denken, dass dabei das Rad neu erfunden wird. Man sollte grundsätzlich nicht zu viel von solchen Studierendenentwürfen erwarten – es geht da auch sehr viel um den Prozess und die Erfahrung, wie wir in der Lehre gut mit dem Thema Modulbau umgehen können.

Welche Rückmeldungen haben Sie dazu eigentlich von den teilnehmenden Studierenden erhalten?

MW: Die waren durchweg positiv. Das ist schon bemerkenswert, wenn man berücksichtigt, dass dieser Workshop im Konkurrenz zu Veranstaltungen wie etwa einer Exkursion nach Barcelona stand. Ich denke, dass die Studierenden, die sich für diesen Wettbewerb angemeldet hatten, wirklich Lust auf das Thema hatten. Das hat man dann auch an den Entwurfsergebnissen gesehen.

Die Studierenden haben ja doch noch einen etwas „freieren“ Blick auf die Architektur, wobei dann möglicherweise etwas ungewöhnliche Entwürfe entstehen – aber das macht es ja umso spannender.

MW: Sie sagen es – deswegen ist es uns auch so wichtig, dass der Modulbau eine feste Größe in der Hochschullehre wird. Im Kern geht es darum, Tragwerke im Sinne einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit zu entwickeln. Der Modulbau hält dabei sehr viele Potenziale bereit – leider hält sich noch immer das Klischee, das serielle Planen und Bauen sei nachteilig für die Ästhetik. Aber wir arbeiten daran, dass sich das verändert. Deswegen wollen wir im nächsten Jahr eine ähnliche Exkursion zu einem Modulbauwerk durchführen. Zusätzlich wollen wir einen Modulbauentwurf über die Dauer eines ganzen Semesters anzubieten.

MN: Eigentlich spielt der Modulbau bei jedem Entwerfen, das wir an der Hochschule anbieten, eine Rolle. Ich stelle den Studierenden immer wieder die Frage, ob sich der Gebäudeentwurf auch als Modulbau umsetzen lässt. Wir bieten auch längere Semesterentwürfe zum Thema Modulbau an, weil man dann noch viel stärker ins Detail gehen kann. Wir möchten damit auch zum Vorbild werden für andere Hochschulen und Universitäten, wo das Thema Modulbau vielleicht noch eine etwas untergeordnete Rolle spielt. Aber vielleicht können auch Artikel wie dieser dazu beitragen, dass sich das ändert.

Das Interview mit Marek Nowak und Mathias

Wirths führte DBZ-Redakteurin Yoko Rödel am 22. Oktober 2024.

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