Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB)

„Bezahlbar, beschleunigt, bedarfsgerecht“ – ist die große Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) tatsächlich eine?

Verbände nehmen Stellung, hier der BDB Bund deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e. V.

Ende Juli 2024 war es soweit, das zuständige Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen BMWSB hat seinen Referentenentwurf für eine Modernisierung des BauGB in die Länder- und Verbändeanhörung gegeben. Die Baugesetzbuchnovelle soll zeitnah im Kabinett beschlossen und bis Ende des Jahres im Deutschen Bundestag verabschiedet werden. Schon im Vorfeld waren beteiligte und fachlich beratende Verbände zu Stellungnahmen aufgefordert worden, nun hat ihnen das Ministerium in der Anhörung ebenfalls Zeit gegeben, zum Entwurf Stellung zu nehmen. Dass hier die Durchsicht- und Bearbeitungszeit extrem knapp bemessen ist, wird seitens der Verbände beklagt, offenbar soll der Entwurf sehr schnell insbesondere der lahmenden Baukonjunktur neuen Schwung verpassen.

Bundesbauministerin Klara Geywitz
Foto: Benedikt Kraft

Bundesbauministerin Klara Geywitz
Foto: Benedikt Kraft

BMWSB-Chefin, Bundesbauministerin Klara Geywitz: „Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum, mehr Digitalisierung und Beschleunigung in den Planungsverfahren und mehr Klimaschutz und Klimaanpassung im Städtebau. Ein modernes und zeitgemäßes Baurecht ist ein wesentlicher Faktor zur Beschleunigung und Steigerung der Bauaktivitäten in Deutschland. Mit dieser großen Novelle des Baugesetzbuches schaffen wir den rechtlichen Rahmen zur Realisierung des Deutschland-Tempos im Bau. Davon profitieren kommunale Planungs- und Genehmigungsbehörden, bauwillige Private und Investoren sowie Bürgerinnen und Bürger, insbesondere in verdichteten Siedlungsgebieten. Planen, Genehmigen und Bauen werden bürokratieärmer und moderner. Das spart Zeit und Kosten. Die Novelle ist damit unterm Strich ein kleines Konjunkturprogramm für die Baubranche. Zudem sorgen wir dafür, dass für ein modernes Bauen der Zukunft die Anpassung an die Folgen des Klimawandels noch stärker mitgedacht wird. Damit stärken wir die Resilienz unserer Städte und Gemeinden!"

Es wird zu wenig gebaut, in Deutschland. Zumindest der Baukonjunktur ist das abträglich, die Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) soll es richten
Foto: Benedikt Kraft

Es wird zu wenig gebaut, in Deutschland. Zumindest der Baukonjunktur ist das abträglich, die Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) soll es richten
Foto: Benedikt Kraft

Die umfassende Anpassung des BauGB, so das BMWSB, soll in verschiedenen Bereichen Potenziale freisetzen, entlastend wirken und somit auch den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter stärken. Dank der Novelle wird, so die Verfasser, z. B. die Anwendung des Städtebaurechts einfacher und praxisorientierter werden. Gemeinden sollen besser auf bestimmte gesellschaftliche oder wirtschaftliche Veränderungen reagieren können und bei Bedarf schneller Baurechte schaffen. Denkbar seien z. B. Baurechte für die Errichtung von Anlagen für erneuerbare Energien, für die Umnutzung leerstehender Gewerbeimmobilien in den Innenstädten bis hin zur Vergrößerung von Einzelhandelsbetrieben.

Die wichtigsten Neuerungen der BauGB-Novelle

Aufstockungen
Künftig sollen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten Erweiterungen von Gebäuden möglich sein, insbesondere Aufstockungen, auch quartiersweise oder stadtweit, ohne dass ein Bebauungsplan geändert werden müsste (vgl. § 31 Absatz 3 BauGB). Bisher gibt es diese Möglichkeit nur im Einzelfall, der häufig schwer zu begründen war.

Innenentwicklung
Es soll leichter verdichtet gebaut werden können, d.h. in zweiter Reihe auf dem Grundstück oder in Höfen. Besitzt also eine Familie einen großen Garten, der Platz für ein zweites Haus lässt, können die Kinder künftig schneller und einfacher ein eigenes Haus auf dem Grundstück errichten. Bisher scheitert das daran, dass eine solche verdichtete Bebauung nicht dem bisherigen Charakter eines Quartiers entspricht. Das bringt Konflikte mit sich.

Sozialer Flächenbeitrag
Mit Hilfe der sogenannten Baulandumlegung können Gemeinden Grundstücke entsprechend der Vorgaben eines Bebauungsplans und nach Maßgaben des BauGB neugestalten oder vorbereiten. Dieses Instrument soll genutzt werden, um auf mehr Flächen sozialen Wohnungsraum zu schaffen. So soll bei der Baulandumlegung ein sozialer Flächenbeitrag eingeführt werden (§ 58a BauGB). Das heißt konkret: Ergibt sich in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Ergebnis einer Baulandumlegung ein Anspruch der Gemeinde gegen die Eigentümer auf Wertausgleich in Geld, soll sie statt des Geldes eine Fläche verlangen können. Dann muss sie sich jedoch dazu verpflichten, auf dieser Fläche sozialen Wohnungsbau zu errichten. Wertmäßig ändert sich für die Eigentümer dadurch nichts. Eigentümer profitieren weiterhin, denn sie erhalten durch die Umlegung besser nutzbares Land.

Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte
Die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft soll einem Kaufvertrag gleichgestellt werden. Dadurch wird das spätere Unterlaufen kommunaler Vorkaufsrechte durch die Nutzung sogenannte share deals erschwert. Außerdem sollen die kommunalen Vorkaufsrechte nach BauGB zukünftig auch dann ausgeübt werden können, wenn ein in Eigentumswohnungen geteiltes Gebäude als Ganzes veräußert wird.

Musikclubs
Mit der großen Novelle des Städtebaurechts soll eine eigenständige, neue Nutzungskategorie der "Musikclubs" in die Baunutzungsverordnung eingeführt werden. Zur weiteren städtebaulichen Hervorhebung der Musikclubs wird zudem vorgeschlagen, eigenständige Gebiete für Musikclubs ausdrücklich in den Katalog der Sondergebiete nach § 11 Absatz 2 BauNVO aufzunehmen, um den Gemeinden deren planerische Sicherung zusätzlich zu erleichtern. Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Musikclubs ein wichtiges Element des kulturellen Lebens sein können und daher einen kulturellen Bezug aufweisen.

Umwandlungsschutz
Das Instrument des Umwandlungsschutzes nach § 250 BauGB wird bis Ende 2027 verlängert. Damit können die Länder in besonders ausgewiesenen Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen einführen.

Fristen für die Bauleitplanung
Die Aufstellung von Bebauungsplänen dauert häufig mehrere Jahre. Künftig sollen die Gemeinden Pläne im Regelfall innerhalb von zwölf Monaten nach Ende der Beteiligungsverfahren veröffentlichen.

Umweltprüfung und Umweltbericht
Der Umfang des Umweltberichts soll künftig nur ein Drittel der Begründung des Bebauungsplans umfassen. Die Prüftiefe soll konzentriert werden auf diejenigen Belange, die tatsächlich auf der abstrakten Planebene (ohne konkretes Vorhaben) bewertbar sind.

Innovationsklausel
Veraltete Bebauungspläne sollen künftig schneller aktualisiert werden können ("Innovationsklausel"). Grundsätzlich findet auf einen Bebauungsplan die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung Anwendung, die zum Zeitpunkt der Planaufstellung galt. Verbesserungen in der BauNVO wirken daher immer nur für die Zukunft, es sei denn, die Gemeinde ändert den Plan förmlich. Für diese Änderung eines Bestandsplans auf die jeweils aktuelle BauNVO dient künftig auch das sog. vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB, in dem auf eine Umweltprüfung verzichtet und Beteiligungsverfahren gestrafft werden können.

Digitalisierung
Die Bekanntmachungen, z. B. zu Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, werden zukünftig auch digital veröffentlicht. Die Teilhabemöglichkeit von Menschen ohne Internetzugang wird weiterhin sichergestellt.

Stärkung der Klimaanpassung
Künftig sollen die Kommunen im Zuge der Erteilung des Baurechts z. B. die Schaffung von dezentralen Versickerungsanlagen auf einem Grundstück anordnen können oder auch die Anlage eines Gründaches. Insbesondere soll eine solche Möglichkeit auch für den sog. unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) geschaffen werden, in dem sich ein Großteil des Bauens abspielt. Dort kommt es bisher allein darauf an, dass sich das neue Gebäude in die umgebende Bebauung einfügt. Flächen sollen zudem künftig leichter multifunktional genutzt werden (z. B. ein Sportplatz zugleich als Retentionsfläche).

Pflanz- und Maßnahmengebot
Bauherren müssen zukünftig innerhalb einer bestimmten Frist bei den zuständigen Behörden nachweisen, dass sie sogenannte Ausgleichsmaßnahmen, z. B. das erforderliche Pflanzen von Bäumen oder die Begrünung von Dächern, umgesetzt haben (vgl. § 135a BauGB). Die Anzeigepflicht führt zu weniger Verwaltungsaufwand der Gemeinde. Das "Grün" im Baugebiet wird verlässlich umgesetzt.

Wie aus dem Ministerium zu erfahren war, soll der Gesetzentwurf schon im September 2024 im Bundeskabinett beschlossen werden. Das Gesetzgebungsverfahren soll im Bundestag bis Ende 2024 abgeschlossen sein.

Anbei die ausführliche Stellungnahme des BDB sowie der Referentenentwurf, Stand 30.07.2024.

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