Construire libre

Bruther wurde 2007 von Stéphanie Bru und Alexandre Theriot in Paris gegründet und gehört zu den herausragenden Architekturbüros in Frankreich. Mit ihren Arbeiten wollen Bru und Theriot auf soziale Fragen antworten und sich nicht primär von ästhetischen Vorstellungen leiten lassen. Die Beziehung zum Ort, an dem ihre Gebäude entstehen, ist für sie von großer Relevanz. Die oftmals schwierigen sozialen Kontexte, in denen ihre Bauten errichtet werden, betrachten sie als stimulierend und phantasieanregend. An solchen Orten wollen sie mittels ihrer Architektur einen Ausgleich schaffen. Dabei ist ihr Ansatz weniger ein stadtplanerischer, denn ein architektonischer; aus der Sicht des Büros Bruther der weitaus wirkungsvollere. Und so ist es faszinierend zu sehen, wie der Ort ihre Gebäude prägt, aber eben auch umgekehrt, der Ort von ihren Gebäuden geprägt wird.

Kunstverein Bielefeld (ehemals Bielefeler Kunstverein)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Ausstellungsansicht EG: Fotografien von Materialien, die im Pariser Büro lagern
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Ausstellungsansicht EG: Fotografien von Materialien, die im Pariser Büro lagern
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Für Bruther erzählt Architektur auch eine Geschichte. Ein Narrativ, welches für diejenigen, die das Gebäude entwickelt haben und für diejenigen, die es nutzen, eine ganz besondere Reise darstellt. Aber wie sollen diese Geschichten, die sich aus vielen einzelnen Geschichten zusammensetzen, erzählt werden? Welches Format wählt man, um von der Arbeit dieses Architekturbüros zu erzählen? Dieser Frage sind Stéphanie Bru und Alexandre Theriot in der Konzeption der Ausstellung Construire libre nachgegangen, wieder einmal, könnte man schreiben.

Ausstellungsansicht EG: sw-Fotografien von Modellen, die für die Architekt:innen Grundlage jeder Arbeit am Projekt sind
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Die Ausstellung im Kunstverein Bielefeld geht nun dem Grundsätzlichen nach. Wer eine klassische Architekturdokumentation erwartet hat, wird überrascht sein. So finden sich in der Eingangsebene (EG) lediglich - aber wunderbare - Fotografien von Materialien, die Bruther im Büro zwecks Inspiration und Beratung lagert, der Fotograf, Johannes Schwartz, schaute mit der Kamera in die Regale.

Ausstellungsansicht EG: sw-Fotografien von Modellen, die für die Architekt:innen Grundlage jeder Arbeit am Projekt sind (Ausschnitt)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Schwarzweiß sind die Fotografie von den, ebenfalls im EG gezeigten, Modellen, die, wie Andreas Wannenmacher berichtet, grundlegendes Arbeitsmittel in der Entwurfs- aber auch noch Realisierungsphase sind. Die Abstraktion der detaillierten Modelle über die sw-Fotografie erreicht eine überraschend realistische, visuelle Präsenz der Architektur, die, wie wir alle gelernt haben, grundsätzlich nicht ausstellbar ist außer vor Ort durch sich selbst.

Im Untergeschoss werden weitere sw- und Farbfotografien zu ausgewählten Projekten gezeigt, hier erhalten diese durch die besondere (bearbeitete?) Art der Fotos wiederum einen Abstraktionsgrad, der im Kontrast zum hier ebenfalls gezeigten (klassischen) Foto der Modellwerkstatt des Büros besonderes Gewicht erhält.

Zwei Bäume mit Videoscreens im 1. OG zeigen die dann realisierte Architektur auf sehr verschiedene und niemals direkt Art und Weise
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Im Obergeschoss werden dann, ganz im Wesen des Entwurfsprozesses, die fertigen Projekte auf Monitoren gezeigt, allerdings muss/kann man hier wie unten schon eher auf eine längere Suche gehen nach Bezügen, Perspektiven und Details, die selten das Ganze "einfach so" zeigen, sondern häufig nur Aspekte, Möglichkeiten, Überraschendes wie scheinbar Banales.

Das Arbeiten an der Architektur findet immer in Assoziationsräumen statt. Welche das sind, zeigt eine Videoinstallation im 1. OG mit Filmausschnitten aus großen Kinofilmen, Kamerabesuchen in eigenen Projekten etc.
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Ein hier oben ebenfalls installierter Turm mit drei gestapelten Monitoren zeigt Filmzitate aus großen Kinofilmen, zeigt bruchstückhaft Assonanzen der Arbeit im weiteren Diskurs zur Architekturhaltung und -ästhetik, eine Dauerschleife, die jedoch nach bestimmtem Muster die Monitore überwandert ... eine Aufforderung zum Schauen und Meditieren über das Bauen heute.

Kuratoren-/Ausstellungsmacherteam (Kunstverein/Bruther): Andreas Wannenmacher, Oriane Durand (Interimsleitung Kunstverein), Valentin Bansanc (Bruther) (v.l.)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Bruther ist nicht irgendein französisches Büro, Bielefeld hat mit dieser Schau einen Schatz in der Stadt, der vielleicht nicht für das breite Publikum interessant ist, der allerdings jedem und jeder, die sich mit Stadt, Materialien, Fotografie und Verantwortung für das Bauen in der Zukunft befassen, eine dringende Besuchsempfehlung ist.

Ausstellungsplakat "Construire libre. Bruther"
Abb.: Kunstverein Bielefeld