3. Kupil Architekten-Tag am 6. Februar 2019 in Ehingen
18.02.2019Auch mit dem dritten Architekten-Tag am 6. Februar 2019 in Ehingen wollte das Unternehmen Kupil die „Plattform bieten“, um über aktuelle und künftige Themen im Baubereiche zu diskutieren, zu referieren, sich auszutauschen. Die Plattform, wie Kupil-Geschäftsführer Philipp Hilker zur Eröffnung des Architektentags in Ehingen sagte, hatte ihren Platz gefunden an einem ganz besonderen Ort: im Businesspark-Ehingen. Das ist ein komplett verspiegeltes, vielgestaltiges wie zugleich von schlichter Geometrie gezeichnetes Gebäudevolumen, hinter dessen glatter Spiegelglassfassade bis 2012 ein großes Drogerieunternehmen die Geschicke von vielen Tausend Filialen und noch mehr Mitarbeiterinnen lenkte. 2012 kam die Insolvenz und man sucht für die Zentrale eine Nachnutzung. Büroflächen für Start-ups, Räume für Seminare und Konferenzen wie den Kupil Architekten-Tag beispielsweise. Der mit dem Thema "Intelligente Gebäudehülle"wie selbstverständlich den Spirit des Business Parks aufnimmt - der mit seinem "Innovation Lab" auf dem Lande eine Art von Silicon Valley mit "gemütlicher Atmosphäre und leichtem Leben" (Business Geschäftsführung) inszeniert.
Gut 150 Architekten, Ingenieure, Planer und Unternehmer hatten sich hoch oben, in der sechsten Etage des Business-Park versammelt, um das „Lifting-Up der Perspektive“ von Matthias Horx wortwörtlich nachvollziehen zu können. Zusammen mit uns, der DBZ, thematisch und auch auf die Lokation bezogen organisiert und moderiert referierten an diesem sonnigen Wintertag der schon genannte Zukunftsforscher Matthias Horx, Prof. Dr.-Ing. Dirk Henning Braun von der RWTH Aachen, Peter Liebsch, Leiter Digitale Prozesse und Werkzeuge der Drees & Sommer SE und Jürgen Sieber, öffent. bestellter u. vereidigter Sachverständiger der HWK Reutlingen, nach Bildern, Szenerien, Problemen und Problemlösungen, die alle in der Zukunft verort sind. Aber deutlich heute schon auf uns zukommen.
Den Auftakt des 3. Kupil Architekten-Tags macht als echter Keynoter der in Frankfurt a. M. gebürtige, in Wien lebende Matthias Horx. Seine Stichworte waren Bauen für die Zukunft, Smart-Home und Digitalisierung, wobei man bei dem studierten Soziologen ("damals war Soziologie noch eine Kampfwissenschaft") niemals zustimmend mit dem Kopf nicken sollte, war man im nächsten Satz von ihm gleich wieder mit der Frage konfrontiert, ob hier nicht in Pauschalitäten gedacht werde, in Kurzschlüssen oder nicht gar grundsätzlichen Denkfehlern. „Wofür bauen wir eigentlich?“ fragte er die versammelte Architektenschaft, und bevor noch das "für die Bauherrn" oder "für die Gesellschaft" in den Kopf kam, kam von ihm die Antwort: "fürs eigene Bankkonto". Und ja, auch für die Zukunft, weil der Bauherr verständlicherweise immer noch fürs ganze lange Leben baue. Auch das Smarte im Home - vielleicht das Megathema (seitens der Ausstatterindustrie) kam bei dem 64-Jährigen nicht besonders gut weg, von der Idiotie smarter Kühlschränke ganz zu schweigen. Und intelligente Alarmtechnik habe er nach massenhaftem Fehlalarm gegen einen Hund getauscht. Zum vom Moderatoren ausgemachten Mega-Trend Digitalisierung kam die Korrektur: „Digitalisierung hat die Verblödung der Menschen zur Folge.“ Die ZuhörerInnen ahnten, was Matthias Horx hier andeuten wollte.
Mit seinen polarisierenden, teils überraschend erhellenden Thesen fesselte der lässige Vortragende eine gute Stunde lang die Gedanken- und Bilderwelten der Anwesenden und wenn man ihm auch nicht immer zustimmen wollte, erfüllte der Mann seinen Auftrag perfekt: die Themen sind genannt und beschrieben, sind eingeordnet, bewertet und kritisch beleuchtet, jetzt sind die anderen dran!
Für die anderen, diejenigen, die an diesem Zukunftstag eher die Praxis beleuchteten, eröffnete Prof. Dr.-Ing. Dirk Henning Braun von der RWTH Aachen mit einer knappen Projekteschau zu eigenen Arbeiten, Schwerpunkt: Fassade. Und endete - nach dem ausdrücklichen Hinweis, dass man bitte hier weder mitfilmen noch den Ton aufnehmen möchte - in aktuellen Forschungsvorhaben seines Instituts zu Fassadensteuerungen der letzten Generation.
Nach einer Mittagspause im fünften Geschoss und Möglichkeiten, aus dem Schlecker-Bau in die ferne Ferne und auf eisige Donaulandschaft durch die Sonnenschutzglasbräune der ersten Generation zu schauen, referierte Peter Liebsch, Leiter Digitale Prozesse und Werkzeuge der Drees & Sommer SE, zum Mega-Thema BIM. Dass ihm, der bei Drees & Sommer derjenige ist, der BIM vorantreibt (s. auch den "BIM Blog" des Unternehmens) und nach nur kurzer Zeit in vielen Projekten und Projektabläufen implementieren konnte, dieses Tool als höchst geeignet erscheint, der immer anspruchsvolleren Projektent- und -abwicklung etwas geeignetes zur Seite zu stellen, konnte man für seinen Vortrag "Potenziale des Building Information Modeling" erwarten. Dass man BIM auf unterschiedlichen Niveaus einbinden kann, war möglicherweise das Fazit des Vortrags, der - gemessen an dem Vorhergegangenen - sehr tief in die Praxis und Theorie der Projektentwicklung gestiegen war.
Nach so viel Information tat dann, und nicht wenige waren überrascht, das "Kunststofffenster in der Gebäudehülle – Funktionen und Wirkung" fast schon gut. Nicht, dass man dem Kunststofffensterthema Langeweile unterstellen wollte! Der Vortrag von Jürgen Sieber, öffent. bestellter u. vereidigter Sachverständiger der HWK Reutlingen, Betriebswirt des Handwerks mit Leidenschaft, startete mit Schadensbildern bei Holzfenstern und Kompositen, deren Ursache sämtlich auf ... den Überdruck in Häusern zielte. Überdruck? Wird nicht immer eher von Winddruck auf die Fassade gesprochen? Jürgen Sieber und mit ihm ein renommiertes Fensterbauinstitut hatten es untersucht und schließlich dem Wärmetransport von innen nach außen als Ursache für Schimmel- oder Eisbildung auf den Dichtungen, in den Rahmen und Falzen festgemacht. Luft, die früher einmal durch "Seelenlöcher" entweichen durfte, muss heute ihren Ausgang an der schwächsten Stelle suchen und findet ihn auch. Die Lösung? Die gab es auch wie zudem, nach dem Vortrag, eine große Traube von Architekten, die Sieber im Detail auszuquetschen versuchten; mit Erfolg, wie zu hören war!
2020, im sicherlich wieder winterkalten Ehingen an der Donau, soll es den vierten Kupil Architekten-Tag geben. Wir freuen uns drauf, wenn er nur halb so spannend wird, wie der in diesem Jahr 2019. Be. K.
Hier können Sie die Vorträge von Matthias Horx ("Die Zukunft von Bauen und Wohnen - Smart Living, Smart Buildings - was sind die wahren Trends?") und Jürgen Sieber ("Kunststofffenster in der Gebäudehülle – Funktionen und Wirkung") herunterladen.