Der heutige Hausbau? – Eigentlich ein Alptraum!
Matthias Horx ist einer der weltweit profundesten Zukunftsforscher, Bauherr, Mitentwickler und Bewohner des „FutureEvolutionHouse®“ befragte ihn zur Zukunft des Wohnens. www.horx.com
Matthias Horx ist einer der weltweit profundesten Zukunftsforscher, Bauherr, Mitentwickler und Bewohner des „futureevolutionhouse®“. Isabella Marboe befragte ihn im Auftrag der DBZ zur Zukunft des Wohnens.
Wo sehen Sie die Zukunft des Wohnens?
Das ist eine lange Geschichte, die in der Vergangenheit von der Höhle über die Hütte bis zum bürgerlichen Haus und zum industriellen Appartement reicht. Wir sind Höhlenbewohner. In unseren eigenen vier Wänden neigen wir zur Vermüllung und einer Art „Gemütlich-keit“. Deshalb ist „normales Wohnen“ oft so regressiv. In Deutschland symbolisiert dies das Sofa, auf dem man sich niederlässt, um sich nicht zu bewegen, und die Schrankwand, die wie eine Bastion gegen die Welt aufgebaut wird. Wohnungen werden zu toten Hüllen, in denen Menschen gleichsam erstarren. Die Tendenz, immer mehr Gegenstände in Räume zu stellen, hat sich in der Ikea-Konsumgesellschaft eher noch gesteigert. Dabei erfordert das ganze Gerümpel enormen Aufwand. Es muss geputzt, gewartet, repariert und ersetzt werden. Das widerspricht unserer modernen Mobilität. Deshalb ist der Purismus, die Simplifizierung des Lebens, ein ganz großer Trend. Wir brauchen mehr Leichtigkeit, mehr Transparenz, „mehr weniger“. Gleichzeitig kommt es zu einer Wiederentdeckung sozialer Netzwerke, die sich auch in neuen Siedlungs- und Wohnformen zeigen wird. Wir nennen dies „Co-Housing“. Besonders in Süddeutschland, aber auch in den angelsächsischen Ländern gibt es einen massiven Trend zu neuen Siedlungsgemeinschaften. Die funktionieren wie Dörfer, in denen gewohnt und gearbeitet wird. Es sind aber auch Service-Funktionen wie Kindergärten und Läden vorhanden. Ein post-industrielles Lebensmodell. Man denke an das Vauban-Viertel in Freiburg oder das Französische Viertel in Tübingen.
Wie weit hat sich der Mensch durch neue Technologien verändert?
Die Wohnung ist im Grunde der Ort, an dem wir ganz die Alten geblieben sind. Wir fahren mit superelektronischen Autos, fliegen in hochtechnischen Maschinen, aber unsere Grundrisse sind immer noch Industrie-Standard: Küche, Schlafzimmer, Nasszelle. Der Hausbau ist irgendwo im 19. Jht. steckengeblieben. Das fängt beim Material an: Keine der utopischen Entwürfe der letzten 30 Jahre haben sich realisiert, keine Plastikhäuser, keine Aluminiumhäuser. Stattdessen bauen wir immer noch mit Holz und Ziegel und Putz. Hausbau ist eigentlich ein Alptraum.
Der schonende Umgang mit den Ressourcen ist ein großes Thema der Zukunft, ein weiteres wären smart technologies oder Flexibilität. Welcher Aspekt war Ihnen bei Ihrem, „FutureEvolutionHouse®“ am wichtigsten?“
Am wichtigsten war uns die „Soziale Architektur“. Wie lösen wir den Widerspruch zwischen einer zunehmenden Individualisierung und der Familie als soziale Einheit? Wir haben im Grunde vier Boxen gebaut, die als autonome Funktions-Appartements dienen. Die Kinder leben in einem autonomen Appartement und wir als Paar auch. Das alles auf relativ geringem Raum. Das „Hub“ – oder die „Lounge“– verbindet das Kinder- und das Paar-Modul und bildet den Gemeinschaftsraum am Kamin, zum Reden, Lesen, Quatschen. Kein Fernseher, das ist sehr wichtig! Keine abgetrennte Küche als Arbeitsplatz der Frau. Ein Gemüsegarten vor der Tür in Boxen, die man auch im Alter noch „bedienen“ kann. Dann haben wir ein Büro, weil wir beide Kopf- und Geistesarbeiter sind. Darin gibt es auch ein kleines Kino. Wichtig ist, dass wir zwischen all diesen Funktionen Trennungen ermöglichen – schwere Türen oder räumliche Distanz.
„FutureEvolutionHouse®“ klingt sehr ambitioniert – nach einem Haus, das sich der menschlichen Evolution anpassen kann. Es ist ein Experimentierlabor für die Zukunft. Was bedeutet das konkret für Sie als Bewohner?
Für uns bedeutet es eigentlich nur, dass sich ein Haus ständig weiterentwickelt, weil sich Lebenssituationen verändern. Es ist ein adaptives, kein statisches Haus. Es evolutioniert technisch, vom Material her etc. Vieles, was heute noch nicht geht oder nicht bezahlbar ist, wie etwa Sonnenkollektoren in den Glaswänden, wird vielleicht in 20 Jahren Einzug halten. Wenn die Kinder ausziehen, wird ihr Teil ein Gäste-Appartement. Kommen sie wieder, ist das auch möglich. Werden wir im Haus alt, kann man darin vielleicht eine Pflegekraft unterbringen...
Hat das Wohnen in diesem Haus die Kommunikation, das Verhalten oder Abläufe in Ihrem Familienleben verändert?
Wir haben das Haus aus unserer Tätigkeit als Trendforscher und aus der Eigen-Analyse unserer Zukunft entwickelt. Normalerweise baut man Häuser ja „blind für die Gegenwart“, ohne die Veränderungen in der Zukunft zu antizipieren. Wir haben nachgedacht, wie wir wahrscheinlich in zehn, zwanzig Jahren leben werden. Wir sind eine multimobile, individualisierte Familie, die einen hohen Anspruch an ihr soziales Leben hat. Weil wir oft auf Reisen sind, wollen wir, wenn wir denn alle zu Hause sind, auch kommunizieren.
Womit sind Sie besonders zufrieden?
Mit dem Gesamtkonzept. Nicht mit den Details. Zum Beispiel können wir bis heute nicht unser Elektroauto als Backup-Batterie für die Solarkollektoren benutzen. Die Schnittstellen sind hier einfach nicht vorhanden und alle Elektriker zucken mit den Schultern. Die Autoindustrie natürlich auch.
Leben und Arbeiten ist in einer Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen, ein sehr zukunftsträchtiges Modell. Warum haben Sie die Bereiche trotzdem räumlich getrennt?
Weil niemand einen komplexen Text schreiben kann, während ihm der Hund am Bein herumzappelt und dauernd jemand an den Kühlschrank geht. Manche Tätigkeiten brauchen Abgeschlossenheit und Konzentration.
Welchen Schritt wollen Sie als nächsten setzen?
Wir würden gern mehr Energie erzeugen, als wir verbrauchen. Zum Beispiel durch eine Brennstoffzelle im Keller. Aber die Industrie bietet das nur zu irrwitzigen Preisen an.
Wo sehen Sie das Wohnen in etwa zwanzig Jahren?
Weil Menschen immer vielfältiger werden und das Industriezeitalter langsam zu Ende geht, differenzieren sich die Wohn-Stile und Welten dauernd weiter. Immer mehr Menschen sind dauerhaft auf Achse und wohnen wie Nomaden. Es gibt eine Renaissance von integrativen, dorfähnlichen Sozialstrukturen. Es gibt aber auch die „Ökopolis“, die ergrünte Stadt. All diese Modelle entwickeln sich parallel und verschränken sich in einander.