Evolutionär wohnen
„FutureEvolutionHouse®“, Wien
Trendforscher Matthias Horx wollte es genau wissen: Wie wohnt Mensch in der Zukunft? Mit Architekt Hans Peter Wörndl entwickelte er sein „FutureEvolutionHouse®“ Das modulare Haus ist ein optimierter Leichtbau aus Stahl und Holz. In die transparente Südfassade wurde Photovoltaik integriert, am Dach gibt es Solarpaneele. Fließend gehen die Raumzonen „Love“, „Hub“ und „Guest“ ineinander über. Das wesensverwandte Bürohaus „Work“ ist ideal für konzentrierte Arbeit.
Matthias Horx und seine Frau Oona Horx-Strathern sind längst in der Zukunft angekommen: 1998 gründeten sie ihr Zukunftsinstitut mit Sitz in Frankfurt und Wien. 35 Mitarbeitende sind dort mit neuen Trends und Innovationen beschäftigt. Der Bedarf für ihr Wissen ist groß: Entscheidungen von heute reichen immer ins morgen.
Als leidenschaftliche Forschungsreisende in Sachen Zukunft wollten Matthias Horx und Oona Horx-Strathern es nicht bei der Theorie belassen. Mit Architekt Hans Peter Wörndl entwickelten sie ihr „FutureEvolutionHouse®“. Die visionäre Behausung zum Wohnen und Arbeiten liegt auf einem traumhaften Hang mit altem Baumbestand und freie Sicht auf die umgebenden Stadthügel mit den ehrwürdigen Gründerzeitvillen. Die Lage ist eine perfekte Mischung aus urban und ländlich. Passend zu einer Zeit, in der sich alle Grenzen kontinuierlich auflösen.
Synthese aus Erfahrung und Vision
Evolution ist ein Prozess des Lernens. Das Gebäude orientierte sich an wegweisenden Vorbildern wie dem Case Study House 8, das Charles und Ray Eames 1949 für sich selbst entwarfen. Die Konstruktion war extrem leicht, durch die gläserne Südfassade strömte die Sonne herein und war die Natur stets präsent. Auch die Villa Savoye von Le Corbusier und der Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe dienten als Referenz. An diesen Pionierbauten der Moderne zeigt sich exemplarisch der hohe Anspruch, den die Bauherren an ihr „FutureEvolutionHouse®““ stellten.
„Smart“ bedeutet hier intelligent geplant, ressourcenschonend, von zeitloser Ästhetik und damit nachhaltig zukunftsfähig. Im Entwurfsprozess wurden „Hot Spots“ definiert, die besonders wichtig waren. Dazu zählten eine Zisterne für das Regenwasser und dass die Tragkonstruktion statisch optimiert ist. Das Stahlskelett wurde auf das Nötigste minimiert, der Rest durch das ökologische und leichtere Holz ersetzt. Das ist demontabel und flexibel genug für neue Technologien. Die Südfassade öffnet sich raumhoch verglast zur Terrasse. Trotzdem kommt das „FutureEvolutionHouse®“ ohne mechanische Kühlung aus. Beschichtete, textile Außenrollos genügen zur Beschattung, im Sommer gibt es keine Überhitzung. Das ist der Disziplin der Bewohner zu verdanken, die nachts bei offenen Türen schlafen und tagsüber ihren Sonnenschutz auch verwenden. Außerdem tragen der Boden aus massivem Holz, der mit Harzkugeln versetzte Trockenputz, von dem der Luft die Wärme entzogen wird und das zweischalige, hinterlüftete Dach zum guten Raumklima bei. Seine Deckung aus Eternitgroßtafeln beschattet gleichermaßen die Dachhaut und beugt so der Überhitzung vor.
Das „FutureEvolutionHouse®“ sollte einen schönen, ressourcenschonenden, flexiblen Rahmen für das Leben und die wechselnden Bedürfnisse seiner Bewohner bilden. Seine Architektur ist gleichermaßen ein Versuchslabor in Sachen Zukunft, das von Matthias Horx, Oona Horx-Strathern, ihren Söhnen Tristan und Julian im Selbstversuch täglich ausgetestet und optimiert wird. Wie ein Schwamm nimmt es bestimmende Trends auf- und vorweg. Es ist ausgelegt auf die nomadisierende Lebensweise global vernetzter Wissensarbeiter. Hier geht es weniger um Funktionen, als vielmehr um Aktivitäten, denen es ein ideales Umfeld bietet.
Matthias Horx wünschte sich ein Haus, das analog zum Auto anzeigt, wann getankt werden muss. Wie ein dreidimensionales Wärmebild sollte es seinen energetischen Zustand sichtbar machen können. LED-Leuchten an der Fassade und Screens im Inneren hätten rot leuchten sollen, wenn das Haus warm war und blau, wenn es auskühlte.
Die Umsetzung scheiterte bisher an den Kosten, die Lichtgestalter von podpod.Design aber setzten farbiges Licht in den Sockel, an dem sich der energetische Status Quo ablesen lässt. An der Grenze von innen nach außen wurde eine Perimeterbeleuchtung integriert, LED-Uplights lassen die Treppen zu Keller und Büro scheinbar schweben. Das app für das smart-Phone, mit dem sich das BUS-System ansteuern lässt, ist derzeit – wie vieles andere – noch Zukunftsmusik.
Bühne für das Leben
„Ein ordentliches Haus ist das Theater der Gastfreundschaft, der Sitz der Selbstverwirklichung, der komfortable Teil des eigenen Lebens – ein Inbegriff für die ganze Welt“, so Henry Wotton 1624. Das gilt immer noch. Gleichsam in die Kurve der Zufahrt eingebettet, liegt der eingeschossige Wohnbalken am nordöstlichen Rand des Grundstücks. Seine Konstruktion besteht aus einem leichten Stahltragwerk, das auf dem Kellersockel mit der Stromtankstelle und Garage fürs Elektroauto sitzt. Den Sprit für das Gefährt liefert die Photovoltaik. Dem gläsernen Technikraum ist eine Terrasse vorgelagert, weit auskragend schwebt der Wohnriegel über dem Garten mit dem Biotop zwischen den Bäumen. Im Wasser spiegelt sich der Himmel, dahinter sitzt der zweistöckige Arbeitswürfel im Hang. Im leicht auskragenden Oberschoss sind das Büro von Oona Horx-Strathern und das Sekretariat, an der Sichtbetonwandscheibe im Erdgeschoss hat Matthias Horx seine Bibliothek und sein Büro, hier kann er konzentriert arbeiten und über den Garten hinweg zum Haus schauen. Beide Bauten kommunizieren miteinander. Das tragende Skelett wurde durch ein Fachwerk aus Holz optimiert: das mindert das Gewicht, verbessert die Öko-Bilanz und bietet beim Wandaufbau große Vielfalt. Momentan ist die vorgehängte Fassade der witterungsexponierten Rück- und Seitenwand aus 120 cm breiten Eternit-Paneelen, die nach den Proportionen der Fibonacci-Reihe unterteilt sind. Das 31,5 m lange Haus beruht auf einem Planungsmodul von 2,50 x 6,50 m, der drei wesentliche Bereiche definiert: „Love“ – für das Paar – „Hub“ als kollektiven Treffpunkt für alle – und „Guest“, wo derzeit Tristan und Julian wohnen. Sie haben ihre eigene, freistehende Teeküche, Bad und WC. Dazwischen gibt es Pufferzonen wie den Eingang. Die privalite-Glastrennwand kann man opak oder durchsichtig schalten und sich so nach Belieben abschotten. Das gilt auch für die Räume: jede Zwischentrennwand ist per Schiebetür ab zu schließen. Lässt man sie offen, entsteht ein durchgehendes Raumkontinuum.
Der Eingang liegt exakt zwischen „Guest“ und „Hub“, wo die weiße Boffi-Küche „Duemilaotto“ mit der Tischplatte aus altem Holz steht. Seine Gebrauchsspuren sorgen für Patina, im Kamin brennt echtes Feuer. Das Holz kommt aus dem nahen Wienerwald, Matthias Horx hackt es selbst. Die Wärme trägt ebenso zur Energiebilanz bei wie die Solarkollektoren am Dach und die Photovoltaikpaneele in der Fassade. Sie erzeugen genug Strom für das Elektro-Auto in der Garage. Weiße LED-Uplights lassen die Stiege wie eine Gangway wirken: Kosmopolit Matthias Horx fährt von hier oft zum Flughafen. Die Treppe zur Garage liegt direkt zwischen „Hub“ und „Love“. In diesem Raum am Ende des Hauses kann man den Sonnenaufgang beobachten. Er ist nur für das Bauherrenpaar und die Pflege seiner Beziehung da. Hier steht das Bett auf dem hellen Holzboden und die Badewanne frei im Nebenraum, der sich mit einer Glasschiebetür auf die lange Terrasse öffnet, die sich im Süden vor dem Haus ausbreitet. Alle Bereiche haben direkten Zugang ins Freie und den Garten ständig im Blick.
Präzise flexibel
Die Räume des „FutureEvolutionHouse®“ sind 3,10 Meter hoch, es gibt einen durchgehenden Bretterboden aus weiß lasierter Douglas-Föhre. Dieses Holz ist hart, dank Fußbodenheizung angenehm warm und speicherwirksam. Wie die Betondecke. Die Übergänge zwischen den einzelnen Bereichen sind fließend und doch sehr präzise definierbar. Matthias Horx ist viel unterwegs, umso wichtiger ist es, jeden Moment im Haus ganz bewusst erleben zu können. Hier gibt es spezifische Orte mit spezifischen Qualitäten, die in wechselnden Konstellationen von den einzelnen Familienmitgliedern, Freunden, Gästen und Kunden benutzt werden können. Den Garten mit dem Biotop, das Büro mit der Sichtbetonwand und Wienpanorama, der „Hub“ als Umschlagplatz der Kommunikation, wo die Familie gemeinsam essen und sich austauschen kann. Fernseher sucht man hier vergebens: die prototypisch individualistischen Bewohner mit ihren unterschiedlichen Freundeskreisen und Interessen versammeln sich nicht passiv vor der Flimmerkiste. Gemeinsame Zeit wird anders verbracht: kochen, essen, reden. Einigt man sich auf ein TV-Event wie die Oskar-Verleihung, ein Fußballspiel oder Schirennen, gehen alle ins Büro, wo es eine große Projektionswand gibt, vor der sich das Ereignis wirklich zelebrieren lässt. Wenn Wohnen in der Zukunft so aussieht, dann bitte mehr davon!