Beleidigte Leberwürste

Das Elbtal bei Dresden ist kein Weltkulturerbe mehr. Ein Kommentar von Heinrich Lee

Jetzt ist es also entschieden: Mit der Streichung des Elbtals bei Dresden von der Liste des Weltkulturerbes hat die Unesco zum zweiten Mal eine Nation abgestraft (nach Oman), die sich die auferlegten Pflichten zum Schutz und Erhalt des Welterbes nicht nur nichts kosten ließ, sondern diesen Schutz gar mutwillig aufs Spiel setzte. Mit Hilfe eines mehr grobschlächtig funktionalen denn feingliedrig eleganten (wie mindestens ebenfalls funktionalen) Verkehrsbauwerks (Brücke), hat sich Dresden, der Freistaat Sachsen und damit die Bundesrepublik international blamiert.

Zwar an die Volksendscheidung, die pro Brücke entschieden hat, rechtlich gebunden, wäre es ein leichtes gewesen, das nun von der Mobilgesellschaft eingeklagte Verkehrsbauwerk in einer der sensiblen Situation angemessenen Form zu realisieren. Das Land Sachsen wie auch die Stadt Dresden geben sich bis heute wie persönlich diskreditierte Damen und Herren (meine Tochter: „beleidigte Leberwürste“) und haben gar die Chuzpe, abzuwiegeln: „Das Elbtal in Dresden ist auch ohne den Welterbetitel der Unesco geschützt“, so Sachsens Umweltminister Frank Kupfer, CDU zweckoptimistisch.

Das sieht sagt Wolfgang Tiefensee, SPD, eines Zeichens Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, anders. Als die Streichung am gestrigen Nachmittag in Sevilla bekannt wurde, ließ er verbreiten, dass „die Entscheidung nicht überraschend [kam]. Dennoch ist das ein schwarzer Tag für Dresden und die Kulturnation Deutschland. Ich bedaure sehr, dass es dazu gekommen ist. Es war mehr als genug Zeit für Sachsen und die Stadt Dresden, mit der Unesco zu einem Kompromiss zu gelangen. Schon eine grundsätzlich andere Brückenlösung hätte genügt. Selbst mein Angebot - mittlerweile durch ein neues 150 Millionen Programm für Unesco Welterbestätten untersetzt - für eine weltkulturerbeverträgliche Lösung ist nie aufgegriffen worden.“

Doch schon vor dem Platzverweis von der Liste (und deren Farbe war seit drei Jahren schon rot, zwei Jahre nach der Anerkennung des Weltkulturerbestatus) hatte eine Jury im Bundesbauministerium entschieden, dass Dresden bei der Vergabe der Unesco-Welterbestättenförderung (insgesamt 150 Millionen Euro) nicht berücksichtig werden könne. Tiefensee: „Ich bedaure es sehr, dass es dem Land Sachsen nicht gelungen ist, die drohende Aberkennung des Titels abzuwenden. Das ist ein erheblicher Imageschaden für die Kulturnation Deutschland. Eine ganz konkrete Nebenwirkung ist, dass die Expertenkommission eine Förderung der an sich sehr wichtigen Maßnahmen in Dresden ausgeschlossen hat."

Der bereits zitierte Umweltminister Sachsens, Frank Kupfer, liegt vielleicht dann doch nicht so falsch, wenn er die Argumente gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke als „Mutmaßungen“ bezeichnete, die „vielleicht für den Klassenkampf [taugen], nicht aber als Argumente in einer sachlich geführten Diskussion“. Dass der Bundesbauminister eben auch Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer ist, und sich in dieser Funktion in eben den neuen Ländern bis heute so recht keine Freunde hat machen können - siehe auch den Wirbel, den der Minister diese Tage um eine Studie macht (hier unten im Anhang), die den Neuen Ländern so recht keine Zukunftschancen einräumen mag - , dieses besondere Bundesminister-/Länderverhältnis wird ein Weiteres sein, dass Dresden und vor allem das Land Sachsen in der Auseinandersetzung um die Verkehrsplanung und das darin versteckte extrem fragwürdige Mobilitätsversprechen so dickköpfig agieren. Jahrzehntelang hat sich die geschichtsträchtig mächtig Region Sachsen von Berlin aus gängeln lassen müssen, jetzt ist offenbar ein Fass übergelaufen; und von der Unesco möchte man sich hier im alten Kurfürstentum und heutigem Freistaat definitiv nichts „vorschreiben lassen“.

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