Böckstiegel Museum in Werther eröffnet
Im Westfälischen Werther wurde ein Museum gebaut, das man auf dem Land so nicht vermutet 17.09.2018Als dann die komplette Prominenz mit Bürgermeisterin, mit den Vertretern des Kreises, als die Architekten und die Kunstfreunde der Gemeinde und darüber hinaus beisammenstanden und der feierlichen Eröffnung des Museumsneubaus entgegensahen, hörte man vereinzelt Stimmen, die von "Mut" und "überzogen", von "gewagt" und "ob das man gut geht?!" sprachen. In der (architektonischen) Diaspora ein Museum zu eröffnen, das nicht irgendeinem Heimatstil verpflichtet ist, sondern schlicht einer Aufgabe und der Zeit, in der es gebaut wird, das weckt eben genau solche Stimmen.
Dabei wäre das mit dem Heimatstil naheliegend gewesen. Denn nicht einem modernen oder klassischen Malstil ist der Neubau gewidmet, sondern dem eines Meisters des Heimatlichen: Ernst August Böckstiegel. Dessen (westfälisch) expressionistische Malerei immerhin mit der Dresdner Sezessions Gruppe zusammen genannt wird, der u. a. Conrad Felixmüller, Otto Dix, Otto Schubert, Gela Foster oder, als assoziiertes Mitglied, Oskar Kokoschka angehörten. Böckstiegel wurde im Wertheraner Ortsteil Arrode geboren, hier starb er 1951. Das Elternhaus, ein eher kleiner Kotten, abseits des Hauptwegs und unterhalb einer Feldwiese im Schatten der Bäume gelegen, dient bis heute der Präsentation der Arbeiten des Malers. Angesichts der Enge der Räume, der zeitlich sehr stark eingeschränkten Zugänglicheit des "Böckstiegel-Museum" genannten, in expressionistischem Rot gestrichenen Kottens mussten Stadt und Kreis reagieren.
Es gab einen Wettbewerb, der Ende 2014 entschieden wurde. Die Preisgeldersumme betrug 18000 €. Gewinner war das Büro h.s.d.architekten bda, Prof. Dipl.-Ing. André Habermann, Architekt, Dip.-Ing. Christian Decker, Architekt, Lemgo. Prominentester Miteinreicher war Christoph Mäckler, Frankfurt a. M.
So knapp das Preisgeldbudget, so knapp das Bauvolumen: Ganze 2 Mio.€ durfte, nach Wettbewerbsauslobung, der Neubau kosten. Eine Grenze, die kaum einer der Wettbewerbsteilnehmmer eingehalten hatte. Und auch das Gewinnerbüro aus Lemgo hätte mit dieser Summe nur ein Raumgedränge hinbekommen, oder wesentliche Abstriche machen müssen am Rohbau. Der war als Ortbetonkonstruktion gedacht, vielfach gefaltet, einem flachen Stein ähnlich, der schließlich, unter Natursteinhaut, ein Findling auf einer Obstwiese hätte sein sollen. Offenbar verstanden die Wertheraner das Unlösbare der Aufgabe schnell, über Spenden und Sponsorengelder erhöhte sich der Etat auf 3,8 Mio. €.
Damit konnte ein Untergeschoss realisiert werden, das klassischerweise die Garderoben, WC, einen Vortragsraum und Haustechnik mit Werkstatt aufnehmen kann. Oben dann der große, von tragenden Wänden locker aufgeteilte Ausstellungsraum, der direkt von Foyer/Café/Shop aus betreten wird. Der zeltähnliche Innenraum wird neben der Kunstlichtbeleuchtung noch über zwei Fenster belichtet, ein kleines in Richtung Süden, ein wandhohes in Richtung Westen. Die Fenster sind entsprechend der jeweils aktuellen Ausstellung auf drei Arten nutzbar: ist ein Außensichtbezug gewünscht ist und möchten man Seitenlicht für z. B. Skulpturen können die Fenster komplett ohne Screen geöffnet sein oder, wie zur Zeit der Besichtiung mit Screen und diffusem Außenbezug. Man kann die Fensteröffnungen aber auch mittels Eichenholzpaneelen innenseitig schließen, falls ausschließlich Kunstlicht ohne Außenbezug für die Ausstellung gewünscht wird. Das alles dient der vielfältigen Nutzbarkeit des Raumes. Denn „wenn man nur einen hat", so die Architekten, „muss dieser viel können!“ Dass die sehr direkte Lichtmischung bei transluzenter Öffnung durchaus problematisch sein kann, davon konnte man sich zur Ausstellungseröffnung überzeugen. Aber möglicherweise sind in Zukunft die Ausstellungskonzepte auch noch besser auf die Raummöglichkeiten abgestimmt.
Problematisch sind in jedem Fall die vom Museumleiter verwendeten Seile im Fußraum vor der Kunst, die den Betrachter auf gebührendem Abstand halten sollen. Unmöglich dagegen die - zurückhaltend gesagt - sehr schlichten Metallschienen auf den Wänden, die die Kunst mit Nylonfäden in der Schwebe halten. Dass dieses "Hängesystem" möglicherweise noch in kleinen, kunsthandwerklich orientierten Galerien Verwendung findet, ist deren meist knappem Budget und einer Anspruchshaltung zuzurechnen, die dem Ausgestellten angemessen sein kann. Dass in einem Museumsneubau, dessen ganze Ästhetik einer zeitgemäßen und überdurchschnittlichen Architekturhaltung und einem weit offenen Gestaltungshorizont zu verdanken ist, nun eine auskomponierte Raumgestaltung durch willkürliche gesetzte, horizontal gliedernde Linen ge-, wenn nicht gar zerstört werden, dass möchte man nun nicht einer Haltung zurechnen, die ja gerade mit einem solchen Bau überwunden zu sein schien: piefig ländlicher Baumarktpragmatismus. Das geht anders!
Nach außen entfaltet sich der Neubau über seine schön gesetzten Achsen, über Betonflächen, die das Café ins (noch nicht) Grüne erweitern und den Raum der Museumspädagogik in Richtung Apfelbäume. Dass dem Museum die komplette Natursteinhaut fehlt (Budget), stört nicht. Der Übergang zur Teerpappe ist fließend, fast unauffällig, die Architekten deutet das im Vergleich minderwertige Material als Verweis auf den verbreiteten Pragmatismus in der Kulturdiaspora. Be. K.