Bronze, Silber, Gold, Platin

20. Brillux Architektenforum in Frankfurt a.M.

Das 20. Brillux Architektenforum in Frankfurt am Main am 7. November hat bei Architekten und Planern einen wie gewohnt hohen Zuspruch gefunden. Die mit 300 Teilnehmern ausgebuchte Veranstaltung machte deutlich, dass es zum Thema „Architekturqualität im Kontext nachhaltigen Planens und Bauens“ noch viel Stoff für lebhafte Diskussionen und neue Perspektiven gibt.

Bronze, Silber, Gold, Platin – Architekturqualität im Kontext nachhaltigen Planens und Bauens: Zu diesem Thema lieferten hochkarätige Referenten aus international renommierten Büros wie Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Gerhard Hausladen, Professor für Bauklimatik und Haustechnik der Technischen Universität München + Ingenieurbüro Hausladen; Amandus Sattler, Allmann Sattler Wappner Architekten GmbH, München; Prof. Dietmar Eberle, Baumschlager Eberle, Lustenau/Österreich; sowie die dänische Architektin Mikala Holme Samsøe, Kopenhagen/Dänemark, jede Menge Material. Mit ihrer Vielfalt an architektonischer Kompetenz machten sie deutlich, wie kontrovers die Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden und deren Zertifizierung teilweise geführt wird. Anhand realisierter Lösungen zeigten die Experten aus Deutschland, Österreich und Dänemark ihre Denk- und Handlungsansätze zu Nachhaltigkeit in Verbindung mit  Architektur auf. Unter der Moderation von  Burkhard Fröhlich, Chefredakteur der DBZ Deutsche BauZeitschrift, stellten sie sich den Fragen: Führt Zertifizierung tatsächlich zu einer höheren Qualität der Gebäude oder ist die Gefahr groß, dass sich Architektur in technischen Lösungen verliert? Ist Nachhaltigkeit grundsätzlich quantifizierbar? Wie viel Technik brauchen unsere Gebäude? Und wie können technische Systeme auch gestalterisch sinnvoll integriert werden? Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren zu einem der meist verwendeten Begriffe in unterschiedlichsten Kontexten geworden. Aber was bedeutet dies im Bereich der Gebäude- und Stadtplanung?

Die Mainmetropole – bei der Arcadis-Studie "Sustainable Cities Index 2016" aktuell auf Platz 6 der nachhaltigsten Städte weltweit – bot mit ihren zahlreichen zertifizierten Bauprojekten thematisch die perfekten Rahmenbedingungen für die traditionsgemäß durchgeführten Architekturexkursionen. Anhand ausgesuchter Projekte konnten die Teilnehmer einen Eindruck vom Baugeschehen in der Mainmetropole gewinnen. Diese boten ihnen zum Teil den Zugang zu Orten und Gebäuden, die sonst nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind. Und auch die Location hätte für diese Veranstaltung nicht adäquater gewählt sein können: Das Kap Europa setzt in puncto Nachhaltigkeit Maßstäbe. Am Nachmittag ging es in dem weltweit ersten Kongresshaus mit DGNB-Zertifikat in Platin mit hochkarätigen Referenten weiter.

 

Burkhard Fröhlich skizzierte eingangs, in welche Richtung die Überlegungen auf dem Gebiet der Zertifizierungen gehen, die mit der  Auszeichnung „DGNB Diamant“ einen zusätzlichen Blick auf Gebäude bekommen hat. Für den Architekten und Journalisten Fröhlich ist das der richtige Weg, Gebäude nicht mehr nur aus der Sicht von Energieeffizienz zu sehen. Als erstes Gebäude weltweit erhielt aktuell im Oktober 2016 das 50Hertz Netzquartier in Berlin die Auszeichnung „DGNB Diamant“ und wurde damit für seine herausragende gestalterische und baukulturelle Qualität gewürdigt. Die vier Referenten des 20. Brillux Architektenforums beschäftigen sich aus unterschiedlichen Blickrichtungen mit diesen Fragen.

„Immer mehr Anforderungen an Klima, Brandschutz und Hygiene führen dazu, dass wir unsere Gebäude mit Technik überfrachten. Besser wäre, die Anforderungen runterzufahren und die Nutzung anzupassen. Das hat etwas mit Nachhaltigkeit zu tun“, Prof. Dr. Gerhard Hausladen

Den Auftakt hatte bereits am Vormittag der Bauingenieur und ClimaDesigner Prof. Dr. Gerhard Hausladen gemacht. Sein  Thema „Ist Nachhaltigkeit wirklich quantifizierbar?“ ging er ein bisschen philosophisch an. Mit der Freiheit, Gebäude mit Technik und Funktion aufzurüsten, ist für ihn ein Spezialistentum entstanden, das Bauen verkompliziert hat. Die Baumeister früherer Jahrhunderte hätten ganz selbstverständlich Klimabedingungen beachtet: „Bauen ist durch Witterung und Materialien geprägt gewesen. Damit konnten die Menschen umgehen und es sind Dinge entstanden, die wir heute als Kulturgut bewundern“. Dass es heute keine Generalisten mehr gibt, bedauert der TGAler mit hoher Architektur-Affinität: „Heute  können Architekten nicht mehr überschauen, wie man nachhaltig baut“. Als Verfechter integraler Bauprozesse plädierte Prof. Hausladen für ein mehr an „Miteinander als Nacheinander“:  „Was ich mir für die Zukunft wünsche, ist ein interdisziplinärer Dialog zwischen den am Bau Beteiligten. Damit überhaupt erst einmal die Frage geklärt wird: Was wollen wir denn erreichen, wenn wir Gebäude modernisieren, wenn wir Neues konzipieren, wenn wir für die Zukunft bauen? Nur so können für ihn Gebäude entstehen, die dem heutigen Stand der Technik entsprechen und die ihre Qualität mit dem Gütesiegel vermitteln. Wie mit gewonnenen Ergebnissen im Bereich der Nachhaltigkeit umzugehen ist oder wie ihre Gewichtung im gesamten Planungsprozess sein sollte, war ebenfalls Inhalt seines Themas.  Sinnvoll und hilfreich wäre es, so Prof. Hausladen, Zertifizierungskriterien als Leitfaden und Checkliste einzusetzen, aber in einem frühen Prozess. Seine Haltung zum energieeffizienten Bauen und der damit verbundenen Forschungs- und Lehrtätigkeiten fasst Prof. Dr. Gerhard Hausladenim Begriff ClimaDesign zusammen und setzt sie mit dem eigenen Ingenieurbüro erfolgreich um.

„Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit muss die Ästhetik der Komplementär zur Technik werden“, Amandus Sattler

Amandus Sattler, Architekt und Mitinhaber des Büros Allmann Sattler Wappner Architekten, stellte die Frage, wohin der zunehmende Zertifizierungsanspruch noch hin führen soll? In seinem Vortrag fokussierte er sich auf die Herausforderung, „nachhaltig zu bauen und das auch noch ästhetisch hinzubekommen“. Viel zu lange habe man die Ästhetik gegenüber der Technik vernachlässigt, obwohl gestalterische Qualität und Baukultur für das sinnliche Erleben von Architektur und von Nachhaltigkeit enorm wichtig seien. Humanitäres Interesse und Verantwortung von Architektur sind für Sattler wieder zurück: „Was jetzt noch fehlt, ist die Ästhetik als vierte Säule der Nachhaltigkeit“, so Amandus Sattler: Dafür hatte er einen tragfähigen Satz von der Biennale 2014 in Venedig parat, den der Dänische Pavillon produziert hatte: „Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit muss die Ästhetik der Komplementär zur Technik werden.“Und dass Zertifizierungen dazu führen, das ist für Sattler eine Forderung, der Architekten Nachdruck verleihen müssen. Als DGNB Präsidiumsmitglied sieht er den Wendepunkt dafür gekommen. „Egal ob Gold, Silber oder Platin, Hauptsache bessere Architektur“, so Amandus Sattler. Selbst wenn Zertifizierungsprozesse Planung komplizierter gestalten, so seien sie dennoch sinnvoll: „Es ist auch eine Chance, nachhaltige Gebäude zu bauen und gleichzeitig eine neue Ästhetik zu entwickeln.“ Allerdings bleibt für ihn Nachhaltigkeit solange eine Vision, bis sie selbstverständlich wird in unserem täglichen Tun.

„Nachhaltigkeit bedeutet bei baumschlager eberle neben der Betrachtung energetischer Aspekte insbesondere auch das Ausloten ästhetischer, sozialer und kultureller Werte“, Prof. Dietmar Eberle

Beim unterhaltsamen wie gleichermaßen kompetenten Vortrag von Prof. Dietmar Eberle vom Büro Baumschlager Eberle, Lustenau in Österreich, ging es „Back to the roots“. Er thematisierte, dass „Low-Tech“ nichts mit einer rückständigen und anspruchslosen Architektur oder dem Verzicht an Komfort und Behaglichkeit zu tun hat, dafür aber mit traditionellem Wissen und hohem handwerklichen Können, integraler Planung und oftmals neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Mit Blick auf die Ressourcen wie Energie, Wasser, Luft und Sand erinnerte der Vorarlberger Architekt daran, dass wir diese nicht unbegrenzt zur Verfügung haben: „So wie wir heute leben, ist das nicht mehr zukunftsfähig!“, stellte Dietmar Eberle fest und plädiert dafür, sorgfältig mit dem umzugehen, was wir haben. „Gebaute Umwelt ist der größte Ressourcenverbraucher!“ Und daher sei bei Nachhaltigkeit eine fundamentale Frage, wie wir Architektur so verändern können, dass wir mit Ressourcen effizienter umgehen. Nachhaltigkeit, dass bedeutet für Eberle, dass seine Gebäude Qualitäten bereitstellen, die auch in Zukunft gelten werden: eine gute Beziehung nach außen, frische Luft und Selbstverständlichkeit im Gebrauch. Mit seinem Hausprojekt „2226“ im österreichischen Lustenau, in dem er sein  Büro hat, machte er anschaulich, dass sich auch ohne – oder, mit bis auf ein Minimum reduzierter – Technik Gebäude schaffen lassen, die ihren „Hightech-Kollegen“ weder in Energieaspekten, noch bezüglich der Behaglichkeit oder Investitionskosten nachstehen. Die etwas kryptische Bezeichnung „2226“ entspricht dem Temperaturbereich, in dem sich das Innenraumklima im Haus auf ganz natürliche Weise einpendeln soll – zwischen 22 und 26°C. „Erst eine Architektur, die von Nutzern und Passanten geachtet und im wörtlichen Sinne wertgeschätzt wird, hat für Prof. Dietmar Eberle „langfristig Bestand und ist damit auf besondere Weise nachhaltig“.

„Man kann mit Wissen gestalten, aber man muss es von irgendwo her bekommen“,  Mikala Holme Samsøe

Die dänische Architektin Mikala Holme Samsøe betrachtete Nachhaltigkeit und Architektur im politischen und gesellschaftlichen Kontext. Für sie bestimmen Dinge, die wir heute tun, unsere Zukunft. Und wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, dann hat das für sie etwas mit Zukunft zu tun, die heute anfängt. Mikala Holme Samsøe appellierte an die gesellschaftliche Verantwortung der Architekten: „Architektur hat die Aufgabe, Menschen sinnliche Wahrnehmung zu bieten“. Aus ihrer Sicht kann Architektur eine nachhaltige Gesellschaft unterstützen, indem sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Sie setzt sich deshalb verstärkt für die nachhaltige Entwicklung architektonischer Prozesse ein. Anhand aktueller Projekte aus dänsichen Büros, wie dem Besucher- und Medienzentrum des Landtags Baden-Württemberg von ihrem ehemaligen Arbeitgeber Henning Larsen Architects, verdeutlichte sie die skandinavischen Ideologien nachhaltiger Gestaltungsprinzipien, wie beispielsweise die Nutzung von Tageslicht als energetische Optimierung von Gebäuden: „In Dänemark leisten sich Architekturbüros Forschung. Es ist normal, dass alle großen Büros eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung haben“, berichtete Mikala Holme Samsøe. „Mit so einem Ansatz entstehen Projekte, die sonst nie so entstanden wären“, so die Architektin. In Deutschland liebe man Autos und Technik und investiere dahinein. Im Norden werde Geld dagegen für Design und Gestaltung genutzt. „Architektur prägt uns. Kopenhagen ist bekannt für ein glückliches Zusammenleben“. Die dänische Architektin hat sich als Ziel gesetzt, mit Hilfe von Architektur und Gestaltung die Lebensqualität unserer Gesellschaft zu verbessern. In Deutschland müsse man sich noch mehr mit „wellbeing“ befassen und damit, wie  Materialien sich auf wohngesundes Bauen auswirken,  sagte Mikala Holme Samsøe. Der Mehrwert von Architektur solle stärker als politisches Werkzeug eingesetzt werden und zur Veränderung beitragen: „Man braucht Mut und Visionen, um zu verändern!“

„Bronze, Silber, Gold oder Platin - ist es das was wir wollen“? Diese Frage lässt sich als Resümee zu der Veranstaltung mit„Jein“ – weder Ja noch Nein – beantworten. Denn was ist nachhaltige Architektur? Was macht die Qualität eines nachhaltigen Gebäudes aus und wie bewerten wir sie? Darauf wurden zwar keine einheitlichen Antworten gefunden, doch alle Referate haben gezeigt: Wir brauchen Nachhaltigkeit als Mehrwert!  Und  darüber nachzudenken und einmal anders zu diskutieren, dazu bot die Veranstaltung hervorragende Beiträge. Und mit Blick auf Systeme zur Nachhaltigkeitszertifizierung war sich Burkhard Fröhlich sicher: BIM (Building Information Modeling) wird kommen, auch für kleinere Büros! „Die BIM-Methode wird nicht die Architektur verändern, aber die Prozesse“, gab Fröhlich den Teilnehmern mit auf den Weg.

Das Brillux Architektenforum hat sich als Dialogplattform für Architekten etabliert und findet zweimal jährlich an unterschiedlichen Schauplätzen statt. Das informative Gespräch und der direkte Austausch mit Kollegen sind ein wichtiger Teil des Konzepts. Zur Einstimmung werden in professionell geführten Exkursionen ausgesuchte Bauprojekte in ihrem urbanen Kontext vorgestellt und bieten dabei viel Gelegenheit zum direkten Gespräch mit den Entwurfsverfassern. Nachmittags erläutern international bekannte Architekten ihre Gestaltungskonzepte und ihre Arbeitsweisen. Durch die große Vielfalt an architektonischer Kompetenz ergibt sich viel Stoff für lebhafte Diskussionen und neue Perspektiven.

Weitere Informationen zum Architektenforum sowie ein Video zu der Veranstaltung in Frankfurt finden Sie unter: www.brillux.de

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